OGH 12Os127/15s

OGH12Os127/15s17.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Hermann Sch***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 10. Juli 2015, GZ 39 Hv 69/14t‑38, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden vom 5. September 2015, GZ 39 Hv 69/14t‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00127.15S.1217.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Hermann Sch***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er am 15. Mai 2014 in I***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer bipolaren affektiven Störung mit bestehender manischer Episode und Aufhebung der Sinnkontinuität seines Handelns, Gregor S***** dadurch, dass er eine Gaspistole zog, auf diesen zielte und dazu sinngemäß äußerte, ob er (gemeint Gregor S*****) sehe, was er da habe, gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, somit eine Tat begangen, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 (zu ergänzen: erster Fall) StGB zuzurechnen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z „3“ und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen schlägt fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die Frage nach der Besorgniseignung der Drohung kein Gegenstand tatsächlicher Feststellungen, sondern eine Sache der rechtlichen Beurteilung (Jerabek in WK2 StGB § 74 Rz 33 ff; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 105 Rz 34, 42). Ob der Bedrohte nachhaltig in Furcht und Unruhe versetzt wurde, ist daher (unter dem Aspekt der Z 5) nicht entscheidend (vgl 15 Os 136/11f; RIS‑Justiz RS0092102 [T7]), weshalb die darauf bezogene Rechtsmittelargumentation ins Leere geht.

Dass das Zielen auf eine Person mit einer Pistole bei gleichzeitiger Drohung mit dem Erschießen nicht geeignet sei, beim Opfer unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs begründete Besorgnisse hinsichtlich der Verwirklichung des angekündigten Übels einzuflößen, behauptet die Beschwerde im Übrigen (zu Recht) nicht (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 105 Rz 47).

Soweit sich die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf die im ursprünglichen Hauptverhandlungsprotokoll nicht enthaltene ‑ sondern erst nachträglich mit dem ebenfalls angefochtenen Berichtigungsbeschluss (ON 44) eingefügte ‑ Verlesung von Aussagen von (Tat‑)Zeugen bezieht, ist ihr voranzustellen:

Sinngemäße Geltung des zweiten und dritten Satzes von § 270 Abs 3 StPO bedeutet nichts anderes, als dass jede von der StPO für zulässig erklärte Anfechtung eines nach § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO gefassten Beschlusses diesen inhaltlich außer Kraft setzt und über das in der Hauptverhandlung tatsächlich Vorgefallene das jeweils zur Entscheidung über die Urteilsanfechtung berufene Rechtsmittelgericht entscheidet (RIS‑Justiz RS0126057).

Demnach geht der Oberste Gerichtshof ‑ in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Vorsitzenden des Schöffensenats (ON 44 S 2) ‑ davon aus, dass die die Aussagen der Zeugen Gregor S*****, David P***** und Yusuf Si***** enthaltenden Aktenstücke mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung (ON 37) gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen wurden, womit die Behauptung der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), das Erstgericht habe sich (mangels Vorkommens) zu Unrecht auf die Angaben der genannten Zeugen gestützt (US 6), nicht zutrifft.

Der Vollständigkeit halber sei zur diesbezüglichen Beschlusskritik angemerkt, dass der Vorsitzende des Schöffensenats nur Zweifel darüber äußerte, ob die in Rede stehenden Zeugenaussagen „tatsächlich teilweise wörtlich verlesen wurden“ (ON 44 S 2), was aber angesichts dessen, dass sich die Protokollsberichtigung auf einen solchen Vorgang gar nicht bezog, dahingestellt bleiben kann.

Die weitere Beschwerde erblickt in den ‑ teils auf das Sachverständigengutachten, aber auch auf den persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung und frühere Vorfälle gestützten (US 6 f) ‑ Erwägungen der Tatrichter zur Gefährlichkeitsprognose pauschal eine „nicht ausreichende“ Auseinandersetzung mit den „gutachterlichen Erkenntnissen“. Damit wird aber weder eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand und Art der Tat) in Frage gestellt noch eine willkürliche Ableitung der schweren Folgen behauptet (Z 11 zweiter Fall), sondern ein bloßes Berufungsvorbringen erstattet (vgl RIS‑Justiz RS0118581; Murschetz, WK‑StPO § 433 Rz 18).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Stichworte