OGH 6Ob200/15b

OGH6Ob200/15b26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GMBH, (vormals E***** GMBH), *****, vertreten durch Pistotnik & Krilyszyn, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.007.947,98 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 5.862.093,60 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2015, GZ 1 R 60/15y‑58, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Revision steht auf dem Standpunkt, die aus dem ohne Genehmigung durch den Aufsichtsrat abgeschlossenen Beratervertrag bezahlten 1 Million EUR stellten keinen Schaden dar, weil auch der Vorteil angerechnet werden müsse, den die Klägerin aus diesem „unerlaubten Geschäft“ erzielt habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Vorteilsausgleichung nicht von Amts wegen zu erfolgen hat, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs‑ und Beweislast trifft (RIS‑Justiz RS0036710).

1.2. Die in der Revision zitierte Entscheidung 6 Ob 108/13w steht dem ‑ ebenso wie die anderen zitierten früheren Entscheidungen ‑ nicht entgegen. Diese Entscheidung betrifft einen aus der angeblich unzulässigen Ausweitung des Kreditvolumens einer Bankgesellschaft durch deren Organe entstandenen Schaden, wobei der Schadensberechnung jedoch nur einzelne ‑ in der Folge ausgefallene ‑ Kredite zugrunde gelegt wurden. Der erkennende Senat betonte ausdrücklich, dass es sich um einen untypischen Fall der Vorteilsausgleichung handle. Die Klägerin mache einen einheitlichen Gesamtschaden geltend, sodass auch im Rahmen der Schadensberechnung die durch die unrichtig dargestellten Eigenmittel zusätzlich getätigten Kreditgeschäfte der Klägerin als Gesamtes zu betrachten seien. Durch die angeblich schädigenden Ausweitungen der Kreditvergabe seien Vor‑ und Nachteile am selben Schutzobjekt entstanden; es wäre sachfremd, genau jenen Vorteil, den das rechtswidrige Verhalten bewirken sollte, hier nicht als Vorteil anzurechnen. Aus dieser Entscheidung kann daher für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden. Die Entscheidung bekräftigt vielmehr ausdrücklich den Grundsatz, dass die Behauptungslast für die Vorteilsausgleichung den Schädiger trifft, der konkret die Umstände zu behaupten hat, die einen Vorteilsausgleich rechtfertigen (6 Ob 108/13w Punkt 2.2.4.).

1.3. Es steht aber weder fest, welche konkreten Leistungen die Gesellschaft E***** für das Beraterhonorar erbrachte, noch, dass der Erwerb der „M*****“ ohne Zuziehung der Beraterin nicht zustande gekommen wäre. Damit besteht aber für eine Vorteilsanrechnung keine Grundlage.

2.1. Weiters erblickt der Beklagte eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass der zwischen der Klägerin und „seiner“ GmbH abgeschlossene Vergleich auch Schadenersatzansprüche aus den Handlungen des Beklagten als Geschäftsführer umfasse. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Auslegung eines Vertrags regelmäßig eine Frage des Einzelfalls darstellt, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage bildet, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936, RS0042776, RS0044358). Auch die Auslegung eines Vergleichs aufgrund seiner Vorgeschichte bildet keine erhebliche Rechtsfrage; auf eine nicht erkennbar geäußerte Absicht bei Vertragsabschluss kommt es nicht an (RIS‑Justiz RS0044358 [T4]). Im Allgemeinen stellt die Auslegung eines Vergleichs keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde (RIS‑Justiz RS0113785, RS0044358).

2.2. Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 6 Ob 120/14m bereits ausgesprochen, es sei eine im Einzelfall zu beurteilende Auslegungsfrage, ob der Vergleich nur für die Person des Vergleichsschuldners wirken soll oder auch den übrigen Mitschuldnern zugute kommt bzw ob der Vergleichsschuldner zumindest vor einem allfälligen Regress (§ 896 ABGB) geschützt werden soll. In dieser Entscheidung wurde die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der mit dem Vertriebspartner der Bank abgeschlossene Vergleich nicht auch die Bank selbst erfasse, als vertretbar angesehen.

2.3. Wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangten, dass der zwischen der Gesellschaft des Beklagten und der Gesellschafterin der Klägerin abgeschlossene Vergleich, der den Anteil des Kaufpreises betraf, nicht auch Schadenersatzansprüche aus den Handlungen des Beklagten als Geschäftsführer umfasst, so haben sie dadurch die angeführten Grundsätze nicht verletzt. Eine derartige getrennte Betrachtung zweier verschiedener Rechtssubjekte weicht von den dargelegten Grundsätzen nicht ab. Im vorliegenden Fall ging es nicht um eine Solidarschuld des Beklagten und seiner Gesellschaft. Inhaltlich wurde in dem von den beiden GmbHs unterfertigten Aktenvermerk überhaupt nur die sofortige Zahlung des restlichen Anteilskaufpreises und der Verzicht der verkaufenden GmbH auf Verzugszinsen festgelegt, während nunmehr Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer geltend gemacht werden.

2.4. Für die Rechtsansicht der Vorinstanzen spricht auch, dass bei Vergleichsabschluss ausdrücklich festgehalten wurde, dass der kurz zuvor „aufgetauchte“ Vertrag mit M***** H***** noch einer gesonderten Prüfung unterzogen werde; zudem waren Ansprüche aus der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten bei diesem Termin kein Thema. Dazu kommt, dass der Vergleich gar nicht namens der Klägerin, sondern von der „C*****“ abgeschlossen wurde. Wenn bei dieser Sachlage die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangten, dass der Vergleich nur die Unterzeichnerin „Dr. H***** S***** GmbH“, nicht aber auch die hier relevanten Ansprüche gegen den Beklagten als natürliche Person erfassen sollte, ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

3. Zutreffend haben auch schon die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des ungarischen Schiedsgerichts schon mangels Parteienidentität keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren haben kann (RIS‑Justiz RS0041572 [T21]).

4. Zusammenfassend bringt der Beklagte sohin keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Stichworte