OGH 9ObA2/15g

OGH9ObA2/15g26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Johann Sommer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI D*****, Russische Föderation, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Entlassungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. September 2014, GZ 13 Ra 34/14v‑108, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00002.15G.1126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die vom Kläger behauptete Befangenheit der des Berufungssenats besteht nicht (9 ObA 1/15k), sodass weder die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vorliegt.

2. Ob das Verhalten des Angestellten den von der Arbeitgeberin herangezogenen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG verwirklicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die ‑ von Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen ‑ die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (RIS‑Justiz RS0103201 [T1]; RS0106298 [T9]). Beachtlich ist dabei, dass im Allgemeinen an Angestellte in leitender Stellung strengere Anforderungen gestellt werden, weil dem Arbeitgeber aus ihrem allfälligen Fehlverhalten typischerweise auch schwerwiegendere nachteilige Konsequenzen entstehen können (RIS‑Justiz RS0029652; RS0029726). Eine unvertretbare Fehlbeurteilung der zweiten Instanz vermag der Kläger hier aber nicht aufzuzeigen.

Der Schwerpunkt der Begründung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision des Klägers liegt auf dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe in einer den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzenden Weise den erstgerichtlichen Sachverhalt erweitert, damit einen gravierenden Verfahrensmangel zu verantworten und letztlich gegen ein faires Verfahren verstoßen. Damit zielt der Revisionswerber erkennbar auf tatsächliche Erkenntnisse ab, die das Berufungsgericht aus Urkunden bezüglich einer arbeitsvertraglichen Pflicht des Klägers, Nebenbeschäftigungen zu melden, gewann. Darauf kommt es hier aber letztlich nicht an.

Der Kläger missversteht die umfangreichen Ausführungen des Berufungsgerichts. Dieses stützte die Entlassung nicht nur auf die vorstehend von der Revision beanstandeten Überlegungen zur arbeitsvertraglichen Meldepflicht von Nebenbeschäftigungen, sondern auch darauf, dass der Kläger schon in der Anbahnungsphase ‑ von Beklagtenseite ausdrücklich danach gefragt, wer hinter dem als Stifter vorgesehenen Beratungsunternehmen stehe ‑ angab, dass die diesbezüglichen Firmen derzeit nicht genannt werden könnten, da derzeit vertragliche Gespräche stattfinden würden. Tatsächlich war es aber nach den Feststellungen nicht so, dass alle Unternehmen erst gefunden werden mussten, vielmehr war ein wesentlicher Vertrag mit einem Unternehmen ‑ es sollte der einzige bleiben ‑ bereits vor einiger Zeit abgeschlossen worden, der dieses Unternehmen dazu verpflichtete, dem Stifter jährlich bedeutende Beratungshonorare von 270.000 EUR zu überweisen.

Dass es sich dabei um eine für die Begründung einer Stiftungsprofessur wesentliche Information für die Beklagte handelt, ist nicht zu bezweifeln, wurde doch von Beklagtenseite ausdrücklich danach gefragt. Der Ansatz der Revision des Klägers, die Beklagte wäre geradezu bemüht gewesen, „nichts zu hinterfragen“, übergeht, dass der Kläger auf eine ausdrückliche Frage nicht nur die Unwahrheit sagte, sondern jede weitere Frage zu diesem Thema damit abblockte, dass dies noch nicht gesagt werden könnte, weil die Gespräche noch im Gange seien.

Dass der Kläger nach jahrelangem Strafverfahren freigesprochen wurde, wurde berücksichtigt und die Rechtfertigung der Entlassung nicht auf den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens des Klägers gestützt.

Die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Entlassung hängt ‑ wie die Beurteilung des Entlassungsgrundes selbst ‑ von den Umständen des Einzelfalls ab, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RIS‑Justiz RS0031571). Der Kläger wurde noch am Tag seiner Verhaftung von der Beklagten dienstfrei gestellt. Zwei Monate später wurde er von der Beklagten ‑ mehrere Jahre vor Abschluss des Strafverfahrens ‑ entlassen. In keiner Phase des Arbeitsverhältnisses bis zur Entlassung hatte der Kläger einen Grund zur Annahme, die Beklagte würde angesichts der dramatischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der plötzlichen Verhaftung des Klägers und neu bekannt gewordenen Umständen auf ein allfälliges Entlassungsrecht verzichten. Dass die Beklagte angesichts der Einleitung des Strafverfahrens in Verbindung mit Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachung mit der Entlassung zunächst etwas zuwartete, führte aufgrund vertretbarer Beurteilung nicht zur Verfristung des Entlassungsrechts der Arbeitgeberin. An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass sich die Rechtfertigung der Entlassung des Klägers letztlich nicht auf ein strafbares Verhalten gründet.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte