European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00154.15S.1118.000
Spruch:
I. Das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 10. Februar 2014, GZ 7 Cg 161/11p‑17, wird dahin berichtigt, dass Punkt 1. 1. Absatz am Ende statt „... gesetzlich aufgehoben wird.“ richtig zu lauten hat „... als gesetzwidrig aufgehoben wird.“
II. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sein ganzjährig bewohntes Wohnhaus errichtet ist. Sie ist durch einen Güterweg erschlossen, die im Eigentum einer Güterweggenossenschaft steht, deren Mitglied der Kläger ist. Der ca 500 m lange Weg wird von der Lifttrasse eines seit 1955 bestehenden und von der beklagten Gemeinde betriebenen Schlepplifts und etwa 200 m daneben von der dazu gehörigen Schiabfahrt gekreuzt. Im Gründungsbescheid der Güterweggenossenschaft vom 24. Juli 1985 ist ua die Auflage enthalten, dass der Güterweg deshalb während der Wintersaison für Kraftfahrzeuge zu sperren ist . Am 28. Oktober 2008 schlossen die beklagte Gemeinde als Betreiberin des Schlepplifts und ua der Kläger, der meint, den Güterweg ganzjährig mit seinem PKW benützen zu dürfen, eine schriftliche Vereinbarung (in Hinkunft nur: Vertrag), die ua lautet:
„ 1. Die Zufahrtsstraße [...] muss jederzeit ‑ gerade auch für Notfälle ‑ von einem durchschnittlichen Kraftfahrzeug (zB VW Golf) benützt werden können; “
Mit Verordnung des Bürgermeisters der Beklagten vom 2. September 2010 (im weiteren nur: VO) wurde in deren § 3 festgehalten, dass „ der Güterweg während der Wintersaison zur Sicherheit der Schiliftbenützer für jegliche Kraftfahrzeuge zu sperren “ ist. Diese Verordnung ist nach wie vor in Kraft; dem Kläger wurde noch keine Ausnahmegenehmigung erteilt.
Die Anträge ua des Obersten Gerichtshofs (AZ 1 Ob 202/14h), § 3 der VO als gesetzwidrig aufzuheben, wies der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 2015, GZ V 66/2014‑14, V 82/2014‑13, V 115/2014‑12, V 5/2015‑10, ab.
Nach mehrfachen Klageänderungen begehrt der Kläger 1. mit einem Hauptbegehren die Unterlassung von Störungen durch Gestaltung der Liftauffahrtspiste im Kreuzungsbereich mit dem Weg wider den Vertrag; zu diesem Hauptbegehren formulierte er zwei Eventualbegehren; als weiteres Hauptbegehren erhob der Kläger 2. ein Feststellungsbegehren zur Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden und Nachteile (Aufwendungen); auch dazu wurde ein Eventualbegehren formuliert.
Er macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte gestalte die Kreuzungsstelle in Widerspruch zum Vertrag vom 28. Oktober 2008. Die spätere VO sei gesetzwidrig und stelle einen Verstoß gegen den Vertrag dar. Vertragspunkte, die dem Verbotszweck der VO (Liftbenützung) nicht entgegenstünden, könnten auch umgesetzt werden. Die Beklagte hafte für sämtliche Schäden und Nachteile, die aufgrund der Behinderung bzw Sperre des Wegs zum Anwesen des Klägers künftig entstünden.
Die Beklagte bestritt und wendete ua ein, zu Gunsten des Grundstücks des Klägers während der Wintersaison bestehe kein Zufahrtsrecht. Den Kreuzungsbereich habe die Beklagte in der Vergangenheit stets entsprechend der Vereinbarung gestaltet. Selbst wenn die Beklagte die Kreuzungsstelle vereinbarungswidrig ausgeführt haben sollte, sei der Kläger dadurch nicht in seiner Rechtsposition beeinträchtigt, sondern erst, sofern und sobald dem Kläger eine Ausnahme von dem verordneten Fahrverbot bewilligt oder die Verordnung aufgehoben werde.
Mit Beschluss vom 20. Februar 2012 wurde das Verfahren vom Erstgericht solange unterbrochen , bis im Parallelverfahren AZ 6 Cg 169/10f des Erstgerichts (gleichartige Unterlassungsklage des Klägers betreffend den Kreuzungsbereich Piste/Weg) eine rechtskräftige Entscheidung darüber vorliege, ob der Vertrag gültig zustande gekommen und nach wie vor gültig sei.
Im Parallelverfahren verpflichtete der Oberste Gerichtshof die Beklagte mit Urteil vom 29. Mai 2013 zu AZ 2 Ob 173/12y zur Unterlassung der Präparierung der Abfahrtspiste im Bereich der Kreuzung mit dem Weg wider den Vertrag „ sofern und sobald dem Kläger eine Ausnahme von dem verordneten Fahrverbot auf [dem Weg] bewilligt wird oder die [VO] als gesetzwidrig aufgehoben wird “.
Nach Fortsetzung des Verfahrens und Bekanntgabe seiner Absicht, ein Teilurteil (zu beiden Begehren) nur zum Fahrrecht zu fällen, gab das Erstgericht mit Teilurteil dem Unterlassungsbegehren bezüglich der Einschränkungen, die sich beim Befahren des Wegs zum Anwesen des Klägers ergeben, mit der Einschränkung statt, dass das Unterlassungsgebot erlassen wurde, sofern und sobald dem Kläger eine Ausnahme von dem verordneten Fahrverbot bewilligt wird oder die VO „ gesetzlich “ aufgehoben wird.
Das Mehrbegehren, (a) die Beklagte sei uneingeschränkt ab sofort zur Unterlassung verpflichtet, und (b) sie habe auch zu unterlassen, dass das Fahrrecht beeinträchtigt werde, insbesondere weil die beklagte Partei, beziehungsweise die Mitarbeiter der beklagten Partei oder Benützer des Schlepplifts immer wieder Schnee in den bereits geräumten Weg hineinfahren, hineinschieben, hineinwerfen, hineinschaufeln oder ähnliche Störungen verursachen würden, wies das Erstgericht ab. Weiters wurde das Feststellungsbegehren betreffend jene Schäden, die dadurch entstehen, dass der Weg zum Anwesen des Klägers nicht im Sinne des Vertrags befahren werden könne, und das dazu formulierte Eventualbegehren vom Erstgericht abgewiesen.
Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verwarf die Berufung des Klägers wegen Nichtigkeit und gab im Übrigen beiden Berufungen nicht Folge; der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.
Dagegen erhob (nur) der Kläger eine außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass „dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben“ werde, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung an die erste oder zweite Instanz.
Die Beklagte trat dem in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung entgegen.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kläger weist mehrfach darauf hin, dass sich die Vorinstanzen zwar auf die Entscheidung 2 Ob 173/12y berufen haben, dennoch aber im Gegensatz zum Spruch dieser Entscheidung die Wirksamkeit der ausgesprochenen Unterlassungspflicht im zweiten Fall davon abhängig gemacht haben, dass die VO „gesetzlich“ aufgehoben wird (anstatt: „als gesetzwidrig“). Dabei handelt es sich aber ganz offensichtlich um einen bloßen Diktat- oder Schreibfehler. Dieser war vom Obersten Gerichtshof zu berichtigen (§ 419 Abs 3 ZPO).
2. Zum Unterlassungsbegehren:
2.1. Die vom Kläger gerügte Nichtigkeit des Berufungsurteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Es trifft nämlich ‑ entgegen der Darstellung des Klägers ‑ nicht zu, dass er in der Berufung konkret eine mangelhafte Kundmachung der VO behauptete und (deswegen) deren Unanwendbarkeit im vorliegenden Zivilprozess geltend machte.
2.2. Die Prüfung der behaupteten Verfahrensmängel ergab, dass diese nicht vorliegen. Das bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
2.3. Die Abweisung des Mehrbegehrens zu Beeinträchtigungen des Fahrrechts dadurch, dass Mitarbeiter der Beklagten oder Benützer des Schlepplifts immer wieder Schnee in den bereits geräumten Weg hineinfahren oder ähnliche Störungen verursachten, erfolgte zu Recht. Wesentlich ist nämlich, dass sich aus den Feststellungen zu diesem Thema nicht ergibt, dass dadurch die zugesagte Befahrbarkeit mit einem durchschnittlichen Kraftfahrzeug verhindert worden wäre. Damit ist aber dem Kläger insofern der Nachweis dieser behaupteten Verletzung der geltend gemachten Unterlassungspflicht der Beklagten nicht gelungen.
2.4. Zu jenen im Vordergrund der Rechtsrüge der Revision stehenden Argumenten, die sich mit § 87 StVO befassen, und den weiteren, die sich gegen die Anwendbarkeit der VO durch die Gerichte wegen Kundmachungsmängeln und gegen deren Gesetzmäßigkeit richten, genügt ein Verweis auf das bereits erwähnte, diese Rechtsfragen erledigende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 19. Juni 2015, AZ V 66/2014 ua.
2.5. Schließlich beharrt der Kläger darauf, dass die VO eine Verpflichtung der Beklagten zur sofortigen Unterlassung nicht hindere. Auf seine Begründung dafür braucht inhaltlich nicht eingegangen zu werden, weil es ihm als Konsequenz des rechtskräftigen Ergebnisses des Parallelverfahrens zu AZ 2 Ob 173/12y an einem Rechtsschutzbedürfnis (RIS-Justiz RS0012064 [T1], 8 Ob 33/10a) für eine unbedingte Unterlassungsverpflichtung der Beklagten für die hier allein relevante Kreuzung Lift/Weg fehlt.
Nach der Entscheidung zu AZ 2 Ob 173/12y besteht zur Kreuzung Piste/Weg derzeit keine wirksame Verpflichtung der Beklagten, während der Wintersaison den Vertrag einzuhalten, weil dem Kläger bisher weder eine Ausnahme vom verordneten Fahrverbot bewilligt noch die VO als gesetzwidrig aufgehoben wurde. Selbst wenn im vorliegenden Verfahren dem Unterlassungsbegehren zur Kreuzung Lift/Weg unbedingt, dh mit sofortiger Wirksamkeit, stattgegeben würde, wäre die vom Kläger angestrebte Befahrbarkeit des Wegs in der Wintersaison in beiden Kreuzungsbereichen (und damit in ihrer vollen Länge) auch trotz ihrer Einhaltung/Durchsetzung nicht erreichbar. Denn die Ankündigung der Beklagten, die Vereinbarung (erst) einzuhalten, wenn eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Unterlassungspflicht eingetreten ist, bedeutet, dass sie die Befahrbarkeit auch des (noch dazu viel breiteren) Kreuzungsbereichs Piste/Weg nicht herstellen wird; das entspricht ohnehin dem Standpunkt des Klägers (ON 14 S 6). Trotz Befahrbarkeit der Kreuzung mit der Lifttrasse würde somit eine Zufahrt zum klägerischen Wohnhaus an der Unpassierbarkeit des Kreuzungsbereichs Piste/Weg scheitern, sodass einer unbedingten Unterlassungsverpflichtung zur Kreuzung Lift/Weg nur theoretisch abstrakte Bedeutung zukäme (vgl 8 Ob 33/10a). Sobald eine der in AZ 2 Ob 173/12y genannten Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Unterlassungspflicht zum Kreuzungsbereich Piste/Weg eintreten sollte, wirkt diese ohnehin gleichzeitig auch für die hier ausgesprochene Unterlassungspflicht.
3. Das mehrfach modifizierte Vorbringen des Klägers zum Feststellungsbegehren geht zuletzt dahin, dass die Beklagte wegen erwartbarer künftiger Verstöße der Gemeinde gegen den Vertrag , allerdings nur für bloß abstrakt thematisierte künftige Schäden haften soll. Damit vermag der Kläger kein Feststellungsinteresse nach § 228 ZPO darzutun, weil darin eine Rechtfertigung für eine aktuelle Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach nicht zu erblicken ist (vgl 1 Ob 210/14k mwN).
4. Die teilweise Klageabweisung durch die Vorinstanzen erfolgte somit zu Recht.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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