European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00048.15P.1117.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch vom Vorwurf gewerbsmäßiger Begehung von Einbruchsdiebstählen (§§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB) enthält, wurde Reinhard P***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I) und des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
(I) zwischen Ende Juni 2013 und 10. Juli 2013 in F***** Ronald Pe***** durch die Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit und die Vorspiegelung einer Gewinnbeteiligung zur Übergabe von 20.000 Euro verleitet, wodurch der Genannte in dieser Höhe am Vermögen geschädigt wurde;
(II) am 14. März 2014 in P***** Franz P***** durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Vermögen zu einer Handlung, die diesen am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Übergabe von 30.000 Euro Bargeld, zu nötigen versucht, indem er ihm folgende Kurzmitteilung auf sein Mobiltelefon schickte: „... Du noch am Telefon gesagt hast du lässt dir nicht drohen. Was ich noch nicht gemacht habe. Aber jetzt weißt du was eine Drohung ist. Es liegt seit heute bei meiner Rechtsanwältin alles auf. Ein Stick den ich schon seit 6 Jahren habe und der dir die Firma kostet … Du hast heute bis 16:00 Uhr Zeit zur Bank zu fahren und 30.000 Euro abzuheben … Dann ist alles gegessen und ich vergesse das alles. Die Unterlagen bleiben liegen sollte mir echt was passieren oder wem anderen ansonsten werde ich die nie verwenden. Solltest du mich wegen Erpressung anzeigen. Wandern Unterlagen auch alle dort hin und es nimmt seinen Lauf. Ab da weg grüßen wir uns nicht mehr und keine nimmt den Namen mehr vom anderen in den Mund. Bis 16:00 Uhr Zeit. Ab 16:30 Uhr nehm ich alle Sachen und zeig es an … PS.: ich mein das ernst. Versprochen.“, wobei es zufolge Anzeigeerstattung durch Franz P***** beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 1, 1a, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Entgegen der Besetzungsrüge (Z 1) begründet der Umstand, dass der Vorsitzende des Schöffensenats im Hauptverfahren die Untersuchungshaft über den Angeklagten verhängte, weder per se (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 15) noch in Verbindung mit den von der Beschwerde angesprochenen Umständen dessen Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO:
Die Adresse, an der dem Beschwerdeführer die Ladung zur (ursprünglich) für den 15. Jänner 2015 anberaumten Hauptverhandlung nach der Verfügung des Vorsitzenden zugestellt werden sollte (ON 1 S 23, ON 32), ist keineswegs aktenfremd. Sie entspricht vielmehr der im Schriftsatz des Verteidigers vom 1. Dezember 2014 genannten (ON 31 S 1).
Unrichtige Gesetzesauslegung ist für sich nicht geeignet, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu setzen (vgl erneut Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 15), womit auch der Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 12. Februar 2015, AZ 10 Bs 50/15a, mit dem der Beschwerde des Reinhard P***** gegen die Verhängung der Untersuchungshaft mit der Begründung Folge gegeben (und dessen Enthaftung verfügt) worden war, dass der vom Erstgericht angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr nicht vorliege (ON 47), ins Leere geht.
Dass der Vorsitzende anlässlich eines Telefonats mit dem Verteidiger eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins vom 15. Jänner 2015 auf den 12. Februar 2015 „ins Auge fasste“, ohne diesen über die bevorstehende Inhaftierung des Beschwerdeführers zu informieren, oder dass er im Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft die Höhe der Kaution (§ 180 StPO) auf Basis der vom Angeklagten dargelegten Vermögensverhältnisse festsetzte, von denen er ‑ nach Durchführung des Beweisverfahrens ‑ „im vorliegenden Urteil selbst nicht mehr ausging“, lässt keineswegs den Schluss auf eine unsachliche Entscheidungsfindung zu und weckt daher unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes keine Bedenken.
Die Würdigung von Beweisen in einer den Intentionen des Beschwerdeführers zuwiderlaufenden Weise (vgl § 258 Abs 2 StPO) ist ebenso wenig geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden zu wecken.
Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 2 StPO wurde durch die (außerhalb der Hauptverhandlung) durchgeführte ‑ obligatorische (§ 174 Abs 1 StPO) ‑ Befragung des Beschwerdeführers zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft durch den Vorsitzenden gleichfalls nicht bewirkt ( Lässig , WK‑StPO § 43 Rz 21 mwN). Darunter ist ‑ entgegen der ersichtlich vertretenen Beschwerdeauffassung ‑ nicht nur das Vorliegen von Haftgründen, sondern auch eines dringenden Tatverdachts zu verstehen (§ 173 Abs 1 StPO), womit auch der kritisierte (zudem der Vorbereitung der Hauptverhandlung dienende) Vorhalt, Daten bereits in der Hauptverhandlung beantragter Entlastungszeugen trotz gegenteiliger Versicherungen nicht bekannt gegeben zu haben, unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes zulässig war (vgl auch RIS‑Justiz
Aus dem ‑ „hilfsweise“ geltend gemachten ‑ Nichtigkeitsgrund der Z 1a erweist sich das Vorbringen schon deshalb als verfehlt, weil die gerügte Vernehmung ‑ auch nach dem Beschwerdevorbringen ‑ nicht im Rahmen der Hauptverhandlung stattfand ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 122, 149).
Mit Einwänden gegen die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer sich „in den Tatzeiträumen ... in prekären finanziellen Verhältnissen“ befand (US 6), bezieht sich die Mängelrüge (Z 5) nicht auf für die Lösung der
Schuld- oder der
Subsumtionsfrage entscheidende Tatsachen,
die aber alleine als Gegenstand einer Mängelrüge in Betracht kommen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398).
Soweit mit diesem Vorbringen ‑ pauschal ‑ offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur „subjektiven Tatseite“ geltend gemacht werden soll, übersieht die Beschwerde zunächst, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei der Begründung der Urteilsannahmen zur inneren Tatseite zum Schuldspruch I gar keine Erwähnung fanden. Zum Schuldspruch II stützten die Tatrichter ihre diesbezügliche Überzeugung dagegen ‑ von der Beschwerde prozessordnungswidrig übergangen (RIS‑Justiz RS0119370) ‑ primär auf das äußere Tatgeschehen, insbesondere den Wortlaut der an das Tatopfer übersendeten Kurzmitteilung (US 9, 12), während es sich bei den kritisierten Überlegungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers bloß um die sachverhaltsmäßige Bejahung eines von mehreren erheblichen Umständen handelt, der für sich keine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache darstellt; diese Annahme ist daher mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0116737).
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass sich das Erstgericht sowohl mit der diesbezüglichen Verantwortung des Beschwerdeführers, die mit ausführlicher Begründung als unglaubwürdig beurteilt wurde, als auch mit den Angaben der Zeugin Marika P***** zu den Unterhaltszahlungen des Angeklagten auseinandergesetzt hat (US 8 f). Dass diese Zeugin über keine eigenen Kenntnisse über die Einkommensverhältnisse ihres geschiedenen Ehemanns verfügte, sondern nur dessen Behauptungen wiedergeben konnte, hat sie klargestellt, womit zu einer gesonderten Erörterung ihrer darauf bezogenen Depositionen unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit keine Veranlassung bestand.
Die von der Rüge hervorgehobenen Aussagen der Zeugen FranzP***** und Andreas F***** betreffen das ‑ nicht entscheidungswesentliche (RIS-Justiz RS0088761) ‑ Motiv des Beschwerdeführers für die Begehung der vom Schuldspruch II umfassten Tat und stehen nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zur Annahme eines auf alle Tatbestandsmerkmale des § 144 StGB gerichteten Vorsatzes.
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, nicht der hier behauptete Widerspruch zwischen Verfahrensergebnissen und Feststellungen (RIS-Justiz RS0099431 [T5, T7 und T15]). Im Übrigen widerspricht die Ableitung der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer durch die per SMS übermittelte Drohung zur Übergabe von 30.000 Euro Bargeld nötigen wollte, aus dem Wortlaut der Textnachricht weder den Gesetzen
logischen Denkens noch grundlegenden
Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0116732, RS0098671).
Dass sich die Tatrichter mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden (Beilagen 1./ bis 4./) auseinandergesetzt haben (US 10 f), räumt die gegen den Schuldspruch I gerichtete Mängelrüge ein. Dass diese Erwägungen dem Rechtsmittelwerber nicht überzeugend scheinen und aus den Beweismitteln auch andere Schlüsse
gezogen werden könnten, stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dar.
Die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (in
dubio pro reo) behauptet ebenfalls keinen der von der Z 5 bezeichneten Fehler (RIS-Justiz RS0117445).
Die Tatsachenrüge (
Z 5a) vermag mit dem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge und die schon dort angesprochenen Verfahrensergebnisse keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II übergeht mit ihrem Vorwurf fehlender Feststellung einzelner Passagen der inkriminierten Textnachricht die ‑ übrigens mit Blick auf die entscheidenden Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt nicht notwendige ‑ Wiedergabe deren vollständigen Inhalts in den Entscheidungsgründen (US 6 f) und
verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Indem sie daraus andere Schlüsse zur subjektiven Tatseite zieht als jene der Tatrichter, bekämpft sie bloß unzulässig deren Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Weshalb die unterlassene Konkretisierung von Zeitpunkt und Ort der Übergabe des geforderten Geldbetrags in der Kurzmitteilung ‑ bei gebotener Berücksichtigung deren gesamten Wortlauts ‑ einer Subsumtion des Täterverhaltens nach § 144 StGB entgegenstehen sollte, erklärt die Beschwerde nicht.
Die weitere ‑ die Annahme des Rechtfertigungsgrundes des § 144 Abs 2 StGB anstrebende ‑ Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) zum Schuldspruch II leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb die Drohung mit einer Strafanzeige, die nach den Urteilsannahmen mit dem Ziel geäußert wurde, eine nicht zustehende Geldzahlung zu erhalten, nicht gegen die guten Sitten verstoßen sollte (vgl im Übrigen Eder‑Rieder in WK² StGB § 144 Rz 35 mwN;
RIS‑Justiz
Gleiches gilt für die Forderung nach einer Feststellung dazu, dass Franz P***** ‑ seinen Angaben entsprechend ‑ „weder die Geldforderung noch die Aussage, diverse Unterlagen könnten an eine Rechtsanwältin übergeben werden, ernst genommen“ habe, weil die Rüge nicht darlegt, aus welchem Grund
es für die Beurteilung der Rechtsfrage (vgl Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 34, Seiler SbgK § 107 Rz 16) der Eignung einer (hier schriftlichen) Äußerung
, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, darauf ankommen sollte, ob sie im Adressaten tatsächlich Besorgnis erweckt hat (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 105 Rz 42 ff; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 63 f; Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 33 f; RIS-Justiz
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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