OGH 2Ob141/15x

OGH2Ob141/15x21.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätinnen Dr. E. Solé und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Mödling zu AZ 2 P 47/08k anhängigen Pflegschaftssache der minderjährigen S***** B*****, geboren am ***** 2001, über den Rekurs des Vaters F***** B*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Mai 2015, GZ 16 Nc 3/15k‑2, womit der Delegierungsantrag des Vaters abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00141.15X.1021.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

In dem seit mehreren Jahren anhängigen Pflegschaftsverfahren stellte der Vater am 12./17. 2. 2015 den auf § 31 JN gestützten Antrag, die Pflegschaftssache einem anderen Gericht im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien zu übertragen. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Übertragung der Pflegschaftssache an ein Gericht in Wien zu einer wesentlichen Verbilligung des ‑ mittlerweile sechs Aktenbände umfassenden ‑ Verfahrens für beide Parteien führen würde. Ein größeres Gericht sei mit mehr Ressourcen ausgestattet; auch die Nahebeziehung der Parteien zum Gericht würde im ländlichen Raum eine Bearbeitung des Falls erschweren. Nachträglich stützte der Vater den Antrag auch darauf, dass sich in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren alle Richter des Bezirksgerichts Mödling für befangen erklärt hätten. Die Präsidentin des Landesgerichts Wiener Neustadt habe daraufhin mit Beschluss vom 12. 1. 2015 die Strafsache dem Bezirksgericht Wiener Neustadt zur Entscheidung übertragen. Das Bezirksgericht Mödling sei von einer Bearbeitung des Pflegschaftsakts wegen Befangenheit sämtlicher Richter ausgeschlossen.

Die Mutter äußerte sich zu diesem Delegierungsantrag ablehnend.

Auch das Pflegschaftsgericht sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus.

Das Oberlandesgericht Wien wies den Delegierungsantrag ab.

Ein Delegierungsantrag nach § 31 JN könne nicht auf Ablehnungsgründe gestützt werden. Aus dem vom Vater vorgelegten Beschluss der Präsidentin des Landesgerichts Wiener Neustadt ergebe sich, dass sich die Befangenheit der Pflegschaftsrichterin ausschließlich auf das Strafverfahren beziehe. Zweckmäßigkeitsgründe, die eine Übertragung der Zuständigkeit für das Pflegschaftsverfahren rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs des Vaters ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei auch im außerstreitigen Verfahren anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden (RIS-Justiz RS0046292). Das gilt auch für Pflegschaftsverfahren (vgl 2 Ob 48/10p; 10 Nc 17/14b; Mayr in Rechberger, ZPO4 § 31 JN Rz 1). Nach ständiger Rechtsprechung soll aber eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen und keinesfalls durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046441).

2. Die Beurteilung einer Delegierung nach § 31 JN hat sich auf die Frage der Zweckmäßigkeit aus den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beschränken (2 Ob 48/10p; RIS-Justiz RS0046333).

Solche Umstände hat der Vater nicht geltend gemacht. Die von ihm angestellten Vergleiche zwischen kleineren und größeren bzw „ländlichen“ und (groß‑)städtischen Gerichten entbehren jeder Grundlage. Soweit er Verfahrensverzögerungen anspricht, ist er auf die von ihm selbst zitierte Entscheidung 2 Ob 2405/96g zu verweisen. Der Oberste Gerichtshof hat darin bereits festgehalten, dass aus einer ‑ wie hier ‑ infolge zahlloser Parteianträge und -beschwerden ausufernden Verfahrensdauer ein die Zuständigkeitsübertragung rechtfertigender Grund nicht abgeleitet werden kann.

3. Zu der die Befangenheit sämtlicher Richter des Bezirksgerichts Mödling anzeigenden „Selbstmeldung“ in einem gegen den Vater eingeleiteten Strafverfahren hat sich der Senat bereits geäußert. In der das gegenständliche Pflegschaftsverfahren betreffenden Entscheidung 2 Ob 183/14x vom 8. 6. 2015 wurde klargestellt, dass sich die Entscheidung über die Befangenheit von Richtern immer nur auf das jeweilige Verfahren bezieht (vgl auch 5 Ob 366/87; 3 Ob 272/98s; RIS-Justiz RS0045966), weshalb die mit Beschluss der Präsidentin des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. 1. 2015 ausgesprochene Ausgeschlossenheit der Richter des Bezirksgerichts Mödling auf das Strafverfahren beschränkt ist.

4. Die Meinung des Vaters, die in Bezug auf das Strafverfahren abgegebene „Selbstmeldung“ gelte „natürlich auch im anhängigen Zivilverfahren“, unterstellt zu Unrecht die „automatische“ Wirksamkeit der Befangenheitsanzeigen auch im Pflegschaftsverfahren. Die Frage aber, ob aus der im Strafverfahren angezeigten Befangenheit eine solche (oder zumindest der Anschein der Befangenheit) allenfalls auch in einem parallel laufenden Zivilverfahren abgeleitet werden müsste, ob also ein Ablehnungsgrund vorliegt, kann nicht Gegenstand der Prüfung eines auf § 31 JN gestützten Delegierungsantrags sein (RIS‑Justiz RS0114309).

5. Dem unbegründeten Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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