OGH 6Ob182/15f

OGH6Ob182/15f25.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****‑C*****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. S***** H*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2015, GZ 4 R 224/14m‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00182.15F.0925.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Der Vater der Klägerin, J***** C*****, verkaufte 1940 das wertvolle Gemälde „D*****“ von J***** an Adolf Hitler. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs versuchten er und seine Rechtsnachfolger mehrmals (erfolglos) eine Restitution des Gemäldes zu erreichen. Sie argumentierten, dass es sich um einen Zwangsverkauf gehandelt habe.

Die Beklagte führte im Zuge des Restitutionsverfahrens wissenschaftliche Recherchen über den Verkauf durch. Später publizierte sie die Ergebnisse ihrer Recherchen und Forschungen samt Fazit im Buch „D*****“. Sie behauptet darin im Wesentlichen, dass sich Ende 1939 die Verhandlungen J***** C*****s über den Verkauf der M***** mit dem Hamburger Sammler P***** R***** konkretisiert haben, aber ‑ nicht zuletzt ‑ an der Einmischung der Wiener Behörden gescheitert seien. Schließlich sei es im Oktober 1940 zum Verkauf des Gemäldes an Adolf Hitler gekommen, wobei die in der Publikation zitierten Quellen gezeigt haben, dass der Verkaufspreis nicht diktiert worden, sondern Ergebnis von Verhandlungen und letztlich durchaus dem von P***** R***** angebotenen Preis vergleichbar gewesen sei. Die zahlreichen Unterlagen deuteten an keiner Stelle darauf hin, dass der Verkauf unfreiwillig erfolgt sei. Die Quellen hatten auch keinen Hinweis darauf geben, dass sich die jüdische Abstammung seiner Ehefrau A***** C***** auf den Verkauf ausgewirkt habe.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Veröffentlichung von (sinngleichen) Behauptungen zu unterlassen, wonach

1) der Verkauf der M***** von J***** von J***** C***** an P***** R***** aufgrund der Einmischung der Wiener Behörden gescheitert sei;

2) J***** C***** aufgrund der Ehe mit seiner jüdischen Frau A***** C***** nicht vom Dritten Reich bedroht gewesen sei und sich somit bei Verkauf nicht in einer Zwangssituation befunden habe;

3) der Kaufpreis, den Adolf Hitler für die M***** bezahlt habe, vergleichbar dem mit P***** R***** vereinbarten gewesen sei.

Sie brachte zusammengefasst vor, in dem von der Beklagten und M***** L***** herausgegebenen Buch „D*****, gelange die Beklagte zu dem völlig abwegigen, das Lebensbild ihres Vaters gröbst verzerrenden und herabsetzenden Ergebnis:

‑ Der Verkauf an P***** R***** sei an der Einmischung der Wiener Behörden gescheitert;

‑ Der von Adolf Hitler gezahlte Kaufpreis sei vergleichbar dem mit P***** R***** vereinbarten Preis gewesen;

‑ J***** C***** sei durch seine Ehe mit einer Jüdin nicht vom Dritten Reich bedroht gewesen.

Die Aussagen der Beklagten seien unrichtig und für das Lebensbild J***** C*****s grob entstellend. In rechtlicher Hinsicht gründete die Klägerin ihr Begehren ausschließlich auf eine Verletzung der Ehre nach § 1330 ABGB, welche auch nach dem Tod als postmortales Persönlichkeitsrecht geschützt sei. Als Tochter des J***** C***** sei sie zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs berechtigt. § 1330 ABGB schütze ihren Vater davor, dass sein Lebensbild nachhaltig und in grober Weise negativ entstellt werde. Das habe die Beklagte durch ihre unrichtige Darstellung des Verkaufsvorgangs der M***** an Adolf Hitler getan. Sie unterstelle dem Vater der Klägerin, die M***** aus freien Stücken an Adolf Hitler verkauft zu haben, um das Gemälde dann unter Vorgabe vermeintlich falscher Tatsachen zurückzufordern. Letztlich stelle sie den Vater der Klägerin damit als Betrüger dar.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und brachte im Wesentlichen vor, dass die beanstandeten Textpassagen Ergebnis einer wissenschaftlichen Arbeit seien und die Publikation dieser Erkenntnisse wegen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sowie der Freiheit der Wissenschaft und Lehre zulässig sei. Die inkriminierten Äußerungen seien gemäß den in der Publikation angeführten Quellen auch richtig. Die Formulierungen seien zudem nicht einmal geeignet, einen ehrenrührigen Vorwurf gegenüber dem Vater der Klägerin oder auch nur eine nachhaltig in grober Weise negative Entstellung dessen Lebensbildes darzutun. Mit den Versuchen des J***** C*****, das Gemälde zurückzuerlangen, habe sich die Beklagte in ihrer Publikation gar nicht befasst, insbesondere habe sie ihm keine betrügerische Absicht unterstellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Ausgehend von dem im Vorigen wiedergegebenen Sachverhalt führte es aus, Eingriffe in Rechte Dritter könnten durch das in Art 17 StGG normierte Recht auf Freiheit der Forschung und Lehre gerechtfertigt sein, wenn es sich um eine wissenschaftliche Tätigkeit handle. Die Publikation der Beklagten sei ein Werk mit wissenschaftlichem Charakter. Im Übrigen obliege es nicht dem Gericht zu entscheiden, ob ein Historiker die historischen Quellen richtig interpretiert habe oder vielmehr eine andere in der Fachwelt vertretene Auffassung korrekt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Nach Verwerfung einer Beweis‑ und Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, die Ausführungen der Beklagten im Buch „D*****“ seien nicht geeignet, die Ehre des Verstorbenen J***** C***** zu beeinträchtigen. Diesem werde in keinem Punkt auch nur annähernd eine Sympathie für den Nationalsozialismus oder die Person Adolf Hitlers unterstellt, was sein Ansehen gesellschaftlich tatsächlich schmälern könnte. Vielmehr gehe aus dem Fazit klar hervor, dass er das Gemälde ursprünglich nicht an Hitler verkaufen wollte, sondern sich dies vielmehr ‑ wenn auch ohne unmittelbaren Zwang ‑ aus der politischen Entwicklung ergeben habe. Die Behauptung, wonach der ursprünglich geplante Verkauf des Gemäldes an P***** R***** nicht zuletzt an der Einmischung der Wiener Behörden gescheitert sei, schmälerte die Personenwürde des Verstorbenen ebenfalls nicht, hatte dieser darauf doch genauso wenig Einfluss wie er es auf ein allfälliges Scheitern durch einen „Führervorbehalt“ gehabt hätte. Auch die These, wonach der von Hitler gezahlte Kaufpreis mit dem von P***** R***** vereinbarten vergleichbar gewesen sei, greife nicht in die Ehre des Vaters der Klägerin ein, zeige sie doch, dass der Verstorbene das Gemälde Hitler gerade nicht aus ideologischen Gründen bewusst günstiger, sondern erst nach dem Scheitern seiner anderweitigen Verkaufsbemühungen ohne Verschlechterung seiner Ausgangsposition verkauft habe. Im Übrigen werde der Verkauf eines Gemäldes ‑ ohne ideologische Hintergründe ‑ an Hitler oder sonstige hohe Vertreter des Nationalsozialismus, auch wenn er von diesen nicht erzwungen war, von der Gesellschaft nicht als grundsätzlich verpönt angesehen, zumal während des zweiten Weltkriegs die Zahl der möglichen Käufer eines solch wertvollen Werks naturgemäß stark begrenzt gewesen sei. Soweit die Ausführungen der Beklagten den Eindruck erweckten, dass der Vater der Klägerin das Gemälde freiwillig und ohne Zwang an das Dritte Reich verkauft habe, könne darin kein ehrenrühriges Verhalten erblickt werden. Auch schade es der Ehre des Verstorbenen nicht, trotz Verehelichung mit einer Jüdin, die nach den Nürnberger Gesetzen als „Mischling zweiten Grades“ eingestuft war, nicht vom Dritten Reich verfolgt oder bedroht gewesen zu sein, zumal die Beklagte keinerlei verpönte Hintergründe für diesen Umstand nenne und der Umstand der „Nichtverfolgung“ im Dritten Reich keine Schande sei.

Der Argumentation der Klägerin, in dem Umstand, dass der von der Beklagten geschilderte Ablauf des Gemäldeverkaufs nicht in Einklang mit der von ihrem Vater vertretenen Version stehe, liege eine Ehrenbeleidigung, sei entgegenzuhalten, dass von der Beklagten ein späteres Verhalten des Vaters der Klägerin weder thematisiert noch kommentiert werde. Die bloße Wiedergabe „ihrer“ Version der Geschichte setzte weder den Verstorbenen noch jene Historiker, die anderer Ansicht seien, dem Vorwurf der „Lüge“ oder gar des „Betruges“ aus. Dass Personen unterschiedlicher Ansicht über den Ablauf eines vergangenen Ereignisses seien, sei ein weit verbreitetes Phänomen und in der Gesellschaft regelmäßig zu beobachten. Der Ansicht der Klägerin, schon in der Wiedergabe einer vom (Prozess‑)Standpunkt des Gegners abweichenden Version der Vergangenheit sei ein ehrenrühriges Verhalten zu erblicken, sei daher nicht zu folgen. Im Übrigen sei ein allfälliger Angriff auf die Ehre des Verstorbenen im konkreten Fall im Hinblick auf die durch Art 17 StGG garantierte Freiheit der Wissenschaft und Lehre gerechtfertigt. Zu Recht habe das Erstgericht darauf verwiesen, dass die Beklagte Historikerin sei, der Band in der Schriftenreihe d***** erschienen sei, die Recherchen und Forschungen dazu in deren Auftrag erfolgten und die Methodik schon wegen der Vielzahl an zitierten Primärquellen einen wissenschaftlichen Charakter habe und vom wissenschaftlichen Streben der Beklagten zeuge. Demgegenüber beanstande die Klägerin in Wahrheit nur die Qualität der Arbeit, weil sich die historische Interpretation der Beklagten nicht mit der von ihr vertretenen Ansicht decke. Dass die Arbeit der Beklagten eine besondere Qualität aufweise, etwa indem sie jede erdenkliche historische Quelle nenne und bearbeite, sei jedoch gerade nicht erforderlich.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zu lösen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht zulässig.

1.1. Ehrenbeleidigung ist jedes der Ehre ‑ verstanden als Personenwürde (§ 16 ABGB) ‑ nahetretendes Verhalten (EvBl 1991/24; Reischauer in Rummel ABGB3 § 1330 Rz 1 mwN). Es geht um die Einschätzung der Person durch ihre Umwelt (SZ 69/12), also um ihre soziale Wertstellung innerhalb der Gemeinschaft (Reischauer aaO). Das Recht auf Ehre kann auch nach dem Tod als sogenanntes postmortales Persönlichkeitsrecht geschützt sein; zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sind die nahen Angehörigen legitimiert (RIS‑Justiz RS0116720).

1.2. In Zusammenhang mit dem postmortalen Persönlichkeitsschutz nach § 78 UrhG hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Frage, ob schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausschlägt, im Allgemeinen von besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt und in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage betrifft (4 Ob 224/13i im Anschluss an 6 Ob 71/10z). Diese Erwägungen lassen sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach § 16 ABGB und den Schutz der Ehre nach § 1330 ABGB übertragen.

2. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Ausführungen der Beklagten im Buch „D*****“ nicht geeignet seien, die Ehre des Verstorbenen J***** C***** zu beeinträchtigen, ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass dem Verstorbenen in keinem Punkt auch nur annähernd eine Sympathie für den Nationalsozialismus oder die Person Adolf Hitlers unterstellt werde. Der ‑ nicht ideologisch motivierte ‑ Verkauf eines Gemäldes an Hitler oder sonstige hochrangige Vertreter des Nationalsozialismus wird, auch wenn er nicht erzwungen war, von der Gesellschaft nicht als grundsätzlich verpönt angesehen, zumal ‑ worauf das Berufungsgericht gleichfalls nachvollziehbar hinweist ‑ während des 2. Weltkriegs die Zahl möglicher Käufer eines solch wertvollen Werks naturgemäß stark begrenzt war. Auch der Umstand der „Nichtverfolgung“ im Dritten Reich stellt als solcher keine Schande dar. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass der bloße Umstand, dass die Beklagte in ihrer Untersuchung zu einem vom (Prozess‑)Standpunkt des Vaters der Klägerin abweichenden Gang der Ereignisse gelangte, als solcher noch keinen Angriff auf die Ehre des Verstorbenen darstellt.

3.1. Selbst wenn man jedoch die gegenteilige Auffassung verträte, wäre daraus für den Prozessstandpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen: Zutreffend haben die Vorinstanzen auf die Bedeutung des Schutzes der Freiheit der Wissenschaft und Lehre nach Art 17 StGG hingewiesen.

3.2. In der Entscheidung 9 Os 49/80 sprach der Oberste Gerichtshof aus, es sei unbestritten, dass durch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Wisssenschaft (Forschung) und ihrer Lehre ‑ solange sie sich im Rahmen der Menschenrechte bewege ‑ Eingriffe in die Rechte Dritter gerechtfertigt würden. Die Entscheidung erging in (teilweiser) Stattgebung einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Die Generalprokuratur hatte im Anschluss an die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 2823, 3565) zur Freiheit der Wissenschaft argumentiert, das vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands herausgegebene Buch „Rechtsextremismus in Österreich nach 1945“, das vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gefördert worden war, im österreichischen Bundesverlag erschienen ist und vom Bundesminister für Inneres mit einem Geleitwort versehen war, sei aufgrund des offensichtlichen ehrlichen wissenschaftlichen Strebens und der fachlichen Qualifikation der Verfasser eindeutig der Wissenschaft zuzuordnen. Der wissenschaftliche Charakter des Buchs und sein Zweck, die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen und deren Repräsentanten aufzuzeigen, die, falls sie nicht rechtzeitig erkannt werden und ihnen nicht wirksam entgegengetreten wird, zu einer ernsten Gefährdung der Demokratie führen können, schließe gemäß Art 17 Abs 1 StGG eine gerichtliche Verfolgung wegen § 111 StGB aus.

3.3.  Schutzgegenstand der ‑ auch nach Art 10 EMRK geschützten ( Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 312) ‑ Freiheit der Wissenschaft sind die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihre Deutung und Weitergabe ( Hager in Staudinger , BGB [1999] § 823 Rz C 143 mwN aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; Loritz , Berufsfreiheit, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit bei Schriftsätzen und Gutachten von Rechtsanwälten und Wissenschaftlern, BB 2000, 2006).

3.4. Zwar berechtigt die Freiheit der Wissenschaft nicht zur Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen. Jedoch laufen wissenschaftliche Veröffentlichungen meist auf Wertungen hinaus, auch soweit ihnen tatsächliche Feststellungen zugrundeliegen (Palandt, BGB74 [2015] § 823 Rz 112; Wagner in MünchKomm BGB6 [2013] § 824 Rz 23 und 48); im Hinblick auf die Freiheit der Berufsausübung und der Wissenschaft scheiden insoweit daher Unterlassungs‑ und Widerrufsansprüche in der Regel aus (Palandt, BGB74 [2015] § 823 Rz 112).

3.5. Zudem hängt der verfassungsrechtliche Schutz der Wissenschaft nicht von der Richtigkeit der Methoden und Ergebnisse ab, ebensowenig von der Stichhaltigkeit der Argumentation oder der Vollständigkeit der verwendeten Gesichtspunkte und Belege. Über ihr Resultat kann wiederum nur mit wissenschaftlichen Methoden befunden werden (Hager aaO). Selbst allfällige Einseitigkeiten und Lücken würden die Annahme von Wissenschaft nicht grundsätzlich ausschließen; der Begriff ist vielmehr weit zu verstehen (Hager aaO mwN). Für die Reichweite des Schutzes nach Art 10 EMRK ist auch unerheblich, ob es sich um eine Minderheitenmeinung in der Wissenschaft handelt (EGMR 25. 8. 1998, Hertel gegen Schweiz, Beschwerde Nr 25181/94 Rz 50; Grabenwarter/Pabel aaO).

3.6. Anderes würde nur dann gelten, wenn das betreffende Werk den Wissenschaftlichkeitsanspruch systematisch verfehlt, namentlich weil es nicht nach Wahrheit sucht, sondern vorgefassten Meinungen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Methode gibt (Hager aaO; vgl auch schon 9 Os 49/80 zu Beschimpfungen und Schmähungen in einer wissenschaftlichen Arbeit). Indiz dafür ist, dass bestimmte Quellen und Ansichten systematisch ausgeblendet werden (Hager aaO mwN). Hingegen ist für die Beurteilung eines Werks als wissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich die Bezeichnung durch den Autor ebensowenig entscheidend wie das Bestreiten der Wissenschaftlichkeit durch andere (Hager aaO mwN aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

3.7. Die Einschätzung der Vorinstanzen, dass es sich im vorliegenden Fall bei der von der Beklagten, einer Historikerin, verfassten, eine Fülle von (Primär‑)Quellen verarbeitenden Untersuchung, die in einer wissenschaftlichen Schriftenreihe der ***** publiziert wurde, um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, kann keinem Zweifel unterliegen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das gegenständliche Werk aufgrund eines im Rahmen des Restitutionsverfahrens vom Kunstrückgabe‑Beirat beauftragten Gutachtens verfasst wurde. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte Angestellte des ***** Museums war und der Kunstrückgabe‑Beirat eine Empfehlung darüber abzugeben hatte, ob das Gemälde im ***** Museum verbleiben oder an die Erben restituiert werden sollte. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Beklagten erzielten Ergebnisse können vielmehr nur ihrerseits wieder mit historischen Methoden überprüft werden; ein Verfahren nach § 1330 ABGB ist für die Klärung dieser Frage nicht der geeignete Weg.

4. Damit bringt die Klägerin aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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