OGH 6Ob162/15i

OGH6Ob162/15i23.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Prinz‑Eugen‑Straße 20‑22, 1041 Wien, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch die Frimmel Anetter Maiditsch und Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Juni 2015, GZ 2 R 23/15t‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00162.15I.0923.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte dazu, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern zugrunde legt, die Verwendung folgender oder sinngleicher Klauseln zu unterlassen:

Der Kaufpreis unterliegt nur insoferne einer Änderung, als sich öffentliche Gebühren (zB Aufschließungsbeiträge, Anschlussgebühren, etc) oder Steuern verändern oder sich in Zukunft nicht vorhersehbare Änderungen durch neue, nach Vertragsabschluss in Kraft tretende gesetzliche Vorschriften und/oder behördliche Auflagen ergeben, die den Aufwand der Verkäuferin nachweislich erhöhen; dazu gehört auch eine Erhöhung oder Verminderung des Kaufpreises im Sinne des Baukostenindex, wobei als Ausgangsbasis für die Erhöhung bzw Verminderung der für den Monat der Vertragsunterfertigung verlautbarte oder an dessen Stelle verlautbarten Index der Statistik Austria (Wohnhaus‑Siedlungsbau 2010) und als Vergleich jener Index heranzuziehen ist, der im Monat der Fertigstellung des eigentlichen Vertragsgegenstands (Wohnung) verlautbart wird. Eine derartige Erhöhung darf jedoch 3 % des Kaufpreises nicht übersteigen; ein allenfalls darüber hinaus gehender Betrag geht zu Lasten der Verkäuferin. Sollte sich der Baukostenindex vermindern, würde sich der Kaufpreis um maximal 3 % reduzieren. Als Fälligkeit einer durch Erhöhung des Baukostenindex (bis 3 % des Kaufpreises) bedingten Kaufpreiserhöhung vereinbaren die Vertragsteile den Kalendertag, der eine Woche vor dem vereinbarten Übergabetermin des eigentlichen Vertragsgegenstands liegt.

Das Berufungsgericht führte aus, die Klausel sei schon allein deshalb unzulässig, weil sie für den Konsumenten (Käufer) im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend ist: Im Rahmen der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung wäre nämlich wegen der allgemein gehaltenen Formulierungswortwahl der Unternehmer selbst dann unter Umständen zu einer Preiserhöhung (zu Lasten des Verbrauchers) berechtigt, wenn die Beklagte (im Extremfall sogar schuldhaft) in Lieferverzug geraten ist und daraus eine zwischenzeitliche Erhöhung des Fixpreises resultiert, die sie aufgrund der Klausel an ihren Kunden weiterreichen dürfte (vgl RIS‑Justiz RS0121395 mwN).

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte zeigt in ihrer Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Sie bringt vor, das Berufungsgericht habe rechtsirrig die bekämpfte Klausel in ihrer Gesamtheit beurteilt, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um zwei getrennt zu beurteilende Klauselteile handle; nämlich um jenen hinsichtlich der Änderung von öffentlichen Gebühren oder Steuern, nicht vorhersehbaren Änderungen durch neue, nach Vertragsabschluss in Kraft tretende gesetzliche Vorschriften und/oder behördliche Auflagen einerseits und andererseits um jenen hinsichtlich der Erhöhung oder Verminderung aufgrund einer Änderung des Baukostenindex. Hinsichtlich des ersteren Klauselteils habe die beklagte Partei bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben, weshalb bereits aus diesem Grund kein Anspruch der klagenden Partei auf Unterlassung der Verwendung dieses Klauselteils bestanden habe.

Dem kann nicht gefolgt werden: Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig im Sinne des § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RIS‑Justiz RS0121187 [T1]).

Hier können die Bestimmungen nicht isoliert wahrgenommen werden. Bei der Preisänderung im Sinne des Baukostenindex handelt es sich um eine Spezifizierung jener im ersten Klauselteil angeführten unvorhersehbaren ‑ nach Vertragsabschluss eintretenden ‑ Umstände, die den Aufwand der Verkäuferin erhöhen und gemeinsam mit allfälligen anderen Änderungen zu berücksichtigen sind. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut der Klausel „(...) in Zukunft nicht vorhersehbare Änderungen durch neue, nach Vertragsabschluss in Kraft tretende gesetzliche Vorschriften und/oder behördliche Auflagen ergeben, die den Aufwand der Verkäuferin nachweislich erhöhen; dazu gehört auch eine Erhöhung oder Verminderung des Kaufpreises im Sinne des Baukostenindex (...)“.

2. In 2 Ob 142/06f (= RIS‑Justiz RS0121395) wurde eine Preisgleitklausel als gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB angesehen, weil der Verkäufer ‑ zufolge der allgemein gehaltenen Formulierungswortwahl ‑ selbst dann unter Umständen zu einer Preiserhöhung (zu Lasten des Verbrauchers) berechtigt wäre, wenn er (im Extremfall sogar schuldhaft) in Lieferverzug geraten ist und daraus eine zwischenzeitliche Erhöhung seines Einstandspreises in der Verzugsphase resultiert, die er aufgrund der Klausel an seine Kunden weiterreichen dürfte.

Dass hier nur von der zwischenzeitigen Erhöhung des Einstandspreises die Rede ist, macht entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin die Grundsätze dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht unanwendbar: Durch Lieferverzug können sich auch „öffentliche Gebühren“ oder Steuern, wie sie in der inkriminierten Klausel angeführt werden, erhöhen.

3. Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB‑Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage darstellt, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RIS‑Justiz RS0121516). Wenn die aufgeworfenen Fragen zur Zulässigkeit von Klauseln in AGB ‑ wie hier ‑ bereits durch höchstgerichtliche Entscheidungen geklärt sind, dann werfen unterschiedliche Formulierungen nicht per se eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0121516 [T27]).

4. Die Revisionswerberin wirft dem Berufungsgericht vor, es habe den notwendigen „Sorgfaltsmaßstab“ des Kunden bei der Interpretation des Klauselwerks unrichtig gedeutet. Die Klausel sei zwar im kundenfeindlichsten Sinne auszulegen, jedoch habe der Oberste Gerichtshof ‑ ebenfalls in einem Verbandsverfahren ‑ in der Entscheidung 6 Ob 220/09k im Zusammenhang mit Wertpapierveranlagungen bereits ausgesprochen, „dass auch vom durchschnittlichen, möglicherweise erstmals in Wertpapiere investierenden Kleinanleger wegen der Bedeutung der Anlageentscheidung eine höhere situationsbedingte Aufmerksamkeit erwartet werden kann (...)“. Nichts anderes gelte für den ‑ hier gegenständlichen ‑ Erwerb einer Eigentumswohnung.

Dem ist zu entgegnen: Auch für einen Durchschnittsverbraucher mit höherer situationsbedingter Aufmerksamkeit ist etwa nicht in der nötigen Deutlichkeit erkennbar, dass die Auslegung des Begriffs „vereinbarter Übergabetermin“ Schwierigkeiten bereiten kann und damit unter Umständen auch ein erst nach Vertragsabschluss aufgrund eines möglicherweise sogar von der Beklagten verschuldeten Leistungsverzugs neuerlich vereinbarter Übergabetermin gemeint sein kann. Vor allem geht es hier aber um die Frage der inhaltlichen Zulässigkeit der Klausel.

5. Nur durch vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gemäß § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung kann die Wiederholungsgefahr beseitigt werden (RIS‑Justiz RS0111637). Die Einschränkung der abgegebenen Unterlassungserklärung gegenüber der verlangten stellt keine vollständige Unterwerfung dar (RIS‑Justiz RS0111637 [T23]), mag die Einschränkung ‑ wie hier ‑ auch nur im Begleitschreiben zur Unterlassungserklärung ausgedrückt werden.

Stichworte