European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00067.15Y.0902.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin ist eine selbständig erwerbstätige Rechtsanwältin. Seit Februar 2008 ist sie bei der UNIQA Personenversicherung AG aufgrund eines Gruppen-Krankenversicherungsvertrags krankenversichert. Die monatliche Versicherungsprämie beträgt 381,11 EUR. Davon entfallen 275,93 EUR pro Monat auf den Grundtarif, die restlichen 105,18 EUR stellen eine monatliche Aufzahlung für Sonderleistungen dar.
Am 4. 4. 2014 gebar die Klägerin ihre Tochter K*****.
Am 19. 5. 2014 beantragte sie bei der beklagten Partei Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Höhe von 66 EUR täglich für den Zeitraum vom 4. 4. 2014 bis 3. 4. 2015.
Die UNIQA Personenversicherung AG leistete an die Klägerin von 4. 4. 2014 bis 27. 6. 2014 eine dem Wochengeld gleichartige Leistung in Höhe von 28,20 EUR täglich. Auch in diesem Zeitraum (vom 4. 4. 2014 bis 27. 6. 2014) hatte die Klägerin die monatlichen Versicherungsprämien an die UNIQA Personen-versicherung AG zu bezahlen. Hätte sie den Versicherungsvertrag gekündigt, hätte sie keine dem Wochengeld gleichartige Leistung erhalten.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2014 gewährte die beklagte Partei der Klägerin für den Zeitraum vom 4. 4. bis 27. 6. 2014 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 37,80 EUR täglich (unter Anrechnung des wochengeldähnlichen Bezugs, somit in Höhe von 66 EUR minus 28,20 EUR) und von 28. 6. 2014 bis 3. 4. 2015 in Höhe von 66 EUR täglich.
In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage brachte die Klägerin zusammengefasst vor, bei Anrechnung des wochengeldähnlichen Bezugs auf den Kinderbetreuungsgeld‑Anspruch wäre die an die UNIQA Personenversicherung AG geleistete Versicherungsprämie von (anteilig) 12,70 EUR täglich zu berücksichtigen gewesen. Das Kinderbetreuungsgeld ruhe demnach nur mit dem Betrag von 15,50 EUR täglich (28,20 EUR minus 12,70 EUR). Für den Zeitraum vom 4. 4. bis 27. 6. 2014 (85 Tage) hätten daher jeweils weitere 12,70 EUR täglich, insgesamt somit 1.079,50 EUR, an Kinderbetreuungsgeld zugesprochen werden müssen.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung und wendete im Wesentlichen ein, nach § 6 KBGG ruhe der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in der Höhe des Wochengeldes (der wochengeldähnlichen Leistung). Das von der Klägerin gewünschte Auslegungsergebnis, vom Wochengeld wären die ihr entstandenen Kosten für die Gruppen‑Krankenversicherung in Abzug zu bringen, widerstreite dem äußerst möglichen Wortsinn dieser Bestimmung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, nach § 5 Abs 1 Z 1 GSVG seien Rechtsanwälte von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen, wenn sie Anspruch auf gleichwertige Leistungen der Krankenversicherung gegenüber einer Einrichtung der gesetzlichen beruflichen Vertretung hätten. Die Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich habe einen Gruppen‑Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen, der die gesetzliche Pflichtversicherung ersetze. Bei dem von der Klägerin aus dem Gruppen‑Krankenversicherungsvertrag bezogenen Wochengeld handle es sich um eine dem Anspruch auf Wochengeld gemäß § 102a GSVG gleichartige Leistung. Gemäß § 6 Abs 1 KBGG ruhe in diesem Umfang das Kinderbetreuungsgeld. Hätte sich die Klägerin nicht für eine Krankenversicherung gemäß Gruppen-Kranken-versicherungsvertrag entschieden, hätte sie auch während des Wochengeldbezugs GSVG‑Krankenversicherungs‑ und Pensionsbeiträge leisten müssen, die nicht abziehbar gewesen wären. Die Möglichkeit, sich für den Zeitraum des Bezugs von Wochengeld von der Beitragspflicht befreien zu lassen, bestehe erst seit 1. 7 2013 und dies nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen (Ruhendmeldung des Gewerbes zur Vermeidung sozialer Härten für „Ein‑ Personenunternehmen“).
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, die Ruhensbestimmung in § 6 Abs 1 KBGG „in Höhe des Wochengeldes“ sei ihrem Wortlaut nach dahin zu verstehen, dass das Ruhen in Höhe des jeweils zufließenden Betrags eintrete. Zielrichtung dieser Bestimmung sei, eine Mehrfachversorgung mit Leistungen gleicher Zweckbestimmung zu vermeiden. Für eine zusätzliche Refundierung der Versicherungsbeiträge ergäben sich keine Anhaltspunkte. Da die Klägerin sich für einen Gruppen‑Krankenversicherungsvertrag entschieden habe, sei ihr die Möglichkeit der Befreiung von der Beitragspflicht bei Ruhendmeldung oder Anzeige der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach § 102 Abs 5 GSVG idF BGBl I 2013/86 nicht offen gestanden. Daraus lasse sich aber nicht im Umkehrschluss ableiten, bei Ermittlung der Höhe des Kinderbetreuungsgeldanspruchs seien die privaten Versicherungsbeiträge anzurechnen, um der Klägerin eine gleichwertige „Befreiung“ von der Beitragsleistung während des Wochengeldbezugs zu ermöglichen und auf diese Weise eine Refundierung von der öffentlichen Hand zu erreichen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der eindeutige Wortlaut des § 6 Abs 1 KBGG keine andere Auslegung zulasse.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zurückzuweisen.
1. Nach § 5 Abs 1 Z 1 GSVG sind ua Rechtsanwälte von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG, der sie aufgrund dieser Tätigkeit an sich nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG unterliegen würden, ausgenommen, wenn sie Anspruch auf gleichwertige Leistungen der Krankenversicherung gegenüber einer Einrichtung der gesetzlichen beruflichen Vertretung haben, der sie angehören. Die Klägerin ist als selbstständig tätige Rechtsanwältin demnach von der Pflichtversicherung nach dem GSVG ausgenommen, da sie aufgrund dieser Tätigkeit (aufgrund eines „opting‑out“ nach § 5 GSVG) bei der UNIQA Personenversicherung AG privat krankenversichert ist (vgl 10 ObS 197/03y, SSV‑NF 18/53).
2. Nach § 6 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2009/116 ruht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in der Höhe des Wochengeldes, sofern ein Anspruch auf Wochengeld gemäß § 162 ASVG oder auf gleichartige Leistungen nach anderen österreichischen oder ausländischen Rechtsvorschriften oder ein Anspruch auf Wochengeld gemäß § 102a GSVG oder § 98 BSVG besteht. In der Entscheidung 10 ObS 72/11b, SSV‑NF 25/73, wurde bereits dargelegt, dass zwecks Vermeidung einer Mehrfachversorgung aus den Maßnahmen der sozialen Sicherheit nach der Wertung des Gesetzgebers Mutterschaftsleistungen grundsätzlich nicht neben dem Kinderbetreuungsgeld bezogen werden sollen. Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck würde es zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen führen, wenn von der Ruhensbestimmung nur das Wochengeld aus der gesetzlichen Sozialversicherung umfasst wäre, nicht aber auch das im Rahmen einer Versorgungseinrichtung einer Rechtsanwaltskammer in Form einer verpflichtenden Gruppenversicherung gebührende Wochengeld.
3. Nach den Gesetzesmaterialien bedeutet das Ruhen des Kinderbetreuungsgelds während eines Anspruchs auf Wochengeld oder auf gleichartige Leistungen „in der Höhe des Wochengeldes“, dass Kinderbetreuungsgeld lediglich in Höhe des Differenzbetrags, der sich aus Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld ergibt, gebührt (RV 340 BlgNR 24. GP 12).
4. Nach dem Wortlaut des § 6 KBGG ruht das Kinderbetreuungsgeld also in Höhe des der Klägerin zufließenden Betrags an Wochengeld bzw der wochengeldähnlichen Leistung. Die von der Klägerin gewünschte Verminderung bzw Kürzung des zufließenden Betrags um die von ihr an die UNIQA Personenversicherung AG bezahlten (anteiligen) Versicherungsprämien findet im Wortlaut des § 6 KBGG keine Deckung.
5.1 Eine planwidrige Unvollständigkeit des § 6 KBGG (RIS‑Justiz RS0008757; RS0098756; 10 ObS 114/13g, SSV‑NF 27/71 mwN; P. Bydlinski in KBB4 § 7 ABGB Rz 2), die das Gesetz ‑ gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie ‑ ergänzungsbedürftig machen würde, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS‑Justiz RS0008866), liegt nicht vor:
5.2 Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, kommt eine Pflichtversicherung in Form einer Teilversicherung in der Kranken‑ und Unfallversicherung gemäß § 7 Z 1 lit e ASVG nur für angestellte Rechtsanwälte in Betracht. Die Klägerin hatte daher entgegen ihren Ausführungen im Hinblick auf die von ihr ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwältin nur die Wahlmöglichkeit zwischen einer gesetzlichen Pflichtversicherung in der Kranken‑ und Pensionsversicherung nach dem GSVG und der privaten Vorsorge im Fall des opting‑out. Die Klägerin hat sich für die letztere Variante entschieden. Ihren Ausführungen über den Vergleich mit einer nach dem ASVG versicherten Beschäftigten kommt daher keine Berechtigung zu. Im Übrigen vermindern, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, auch die während des Wochengeldbezugs nach dem GSVG zu leistenden Krankenversicherungsbeiträge grundsätzlich nicht den Differenzbetrag, der sich aus der Höhe des Wochengeldes und jener des Kinderbetreuungsgeldes ergibt.
5.3 Die seit 1. 7. 2013 bestehende Möglichkeit einer Befreiung von der Beitragspflicht für Bezieherinnen von Wochengeld nach dem GSVG bei Ruhendmeldung oder Anzeige der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit (vgl § 102 Abs 5 GSVG idF BGBl I 2013/86) hat ihren Grund in der Vermeidung finanzieller Härten und der Umsetzung eines Maßnahmenpakets zu Gunsten von Einpersonen‑ und Kleinunternehmer/Innen. Ohne entsprechende Ruhendmeldung bzw Anzeige der Unterbrechung soll es keine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht geben (RV 2246 BlgNR 24. GP 3).
5.4 Die bloße Meinung, es wäre wünschenswert, bei Errechnung des Ruhensbetrags Versicherungsprämien zu berücksichtigen, weil deren Zahlung den wochengeldähnlichen Bezug erst ermöglichen würden, kann die Annahme einer Gesetzeslücke nicht rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0008757 [T2]). Hätte der Gesetzgeber bei der Errechnung des Ruhensbetrags die Berücksichtigung von während des Wochengeldbezugs zu erbringender GSVG‑Beiträge oder während des Bezugs einer wochengeldähnlichen Leistung zu zahlender Versicherungsprämien erzielen wollen, hätte er eine entsprechende Anrechnungsbestimmung erlassen. Den Gerichten steht es nicht zu, ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge (RIS‑Justiz RS0008757 [T2]; RS0008866 [T16]; RS0098756 [T3 und T5]; 10 ObS 114/13g, SSV‑NF 27/71 mwN).
Trifft das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung, liegt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vor (RIS‑Justiz RS0042656).
Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
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