OGH 15Os88/15b

OGH15Os88/15b26.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anton K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 1. April 2015, GZ 14 Hv 147/14i‑37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00088.15B.0826.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2., demzufolge in der zu §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB gebildeten Subsumtionseinheit, im Strafausspruch sowie im Privatbeteiligtenzuspruch an Tim J***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe und gegen den Privatbeteiligtenzuspruch an Tim J***** wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung wegen Strafe auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die weitere Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche obliegt dem Oberlandesgericht Graz.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Anton K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** und anderen Orten im Zeitraum vom 13. Oktober 2008 bis 2012 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachgenannte Personen durch die Vorgabe, dass bei der von ihm vermittelten Veranlagungsform eine 100%ige Kapitalgarantie bestehe und die Anleger das eingesetzte Kapital jedenfalls ausbezahlt bekämen, zur Überweisung nachstehender Geldbeträge verleitet, die diese in einem Gesamtbetrag von 250.000 Euro am Vermögen schädigten und zwar:

1./ Inge und Horst J***** von 20.000 Euro;

2./ Tim J***** in zwei Angriffen von 27.000 Euro;

3./ Yvonne J***** von 30.000 Euro;

4./ Tobias S***** von 10.000 Euro;

5./ Martin Ka***** in drei Angriffen von 130.000 Euro;

6./ Leonhard Z***** von 13.000 Euro;

7./ Rudolf M***** von 20.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer auf, dass die gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO erfolgte Verlesung der Angaben des Zeugen Tim J***** in der Hauptverhandlung, die mit dessen entferntem Aufenthalt und der „Unmöglichkeit, ihn zu Gericht stellig zu machen“, begründet wurde (ON 36 S 24), das Unmittelbarkeitsgebot des § 252 Abs 1 StPO verletzt (Z 3).

Die Mutter des Zeugen, Inge J*****, hatte dem Gericht telefonisch mitgeteilt, dass ihr Sohn der Ladung als Zeuge zur ‑ für den 14. Jänner 2015 anberaumten, in weiterer Folge jedoch abberaumten ‑ Hauptverhandlung nicht Folge leisten könne, weil er seit zehn Jahren in England wohnhaft und aufhältig sei (ON 1 S 13). In der dann am 1. April 2015 durchgeführten Hauptverhandlung entschuldigte die Mutter den Zeugen neuerlich mit der Begründung, dass er seit zehn Jahren in England aufhältig und aufgrund seiner Beschäftigung bei einer Fluggesellschaft „nicht greifbar“ sei (ON 36 S 20).

Gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO dürfen die Protokolle der Vernehmung eines Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit (außer dem Fall des Todes) nur dann verlesen werden, wenn der Aufenthalt unbekannt ist oder das persönliche Erscheinen wegen Alters, Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthalts oder aus anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden konnte. Die Frage, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, um ausländische Zeugen zum Erscheinen vor dem inländischen Gericht zu veranlassen, kann immer nur nach Lage des konkreten Einzelfalls beurteilt werden

.

Im Allgemeinen sind die Verlesungsvoraussetzungen umso restriktiver zu handhaben, je wichtiger der fragliche Zeugenbeweis für die Wahrheitsfindung ist und je schwerer der dem Angeklagten zur Last liegende Vorwurf wiegt (RIS‑Justiz RS0108361 [insbesondere T7, T10, T15]).

Mit Blick auf die von den Tatrichtern den Aussagen der Geschädigten beigemessene hohe Bedeutung (US 6) und darauf, dass vom Gericht keine Anstrengungen unternommen wurden, den Zeugen auszuforschen (weder gab seine Mutter an, dass sich ihr Sohn weigere, bei Gericht zu erscheinen, noch dass eine Ladung am Wohnsitz in England bzw an seinem Arbeitsplatz nicht möglich wäre), ist der Aufenthalt des 1979 geborenen, als Flugbegleiter beschäftigten Zeugen nicht als derart entfernt anzusehen, dass dessen persönliches Erscheinen nicht bewerkstelligt werden könnte und seine Depositionen vor der Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt daher verlesen hätten werden dürfen. Eine Zustimmung zur Verlesung wurde seitens des Angeklagten ausdrücklich verweigert (ON 36 S 20, 24).

Insoweit war das angefochtene Urteil aufzuheben und Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu:

Durch die Abweisung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen Alexander T***** und Gernot Ku*****, zum Beweis dafür, dass der Angeklagte immer darauf hingewiesen habe, dass die Anlageform risikohaft sei, sowie auf Öffnung „des Kontos in England“ (ON 36 S 24) zum Beweis dafür, dass „kein Schaden gegeben ist und demnächst die Auszahlung der Beträge möglich ist“, wurde der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt (Z 4). Denn die Angaben der genannten Zeugen zu nicht verfahrensgegenständlichen Geschäftsfällen sind für die Frage, welche Informationen der Beschwerdeführer den im Urteil angeführten Zeugen erteilte, ohne Belang (§ 55 Abs 2 Z 1 und 2 StPO) und die Öffnung eines Kontos ohne nähere Kontodetails, wie insbesondere die Kontonummer und die Kontoverbindung, die der Beschwerdeführer trotz der durch das Gericht erfolgten Bekanntgabe der Unmöglichkeit der Beweisaufnahme infolge des Fehlens dieser Daten (ON 36 S 25) nicht nannte, ist undurchführbar (§ 55 Abs 2 StPO). Im Übrigen sind Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite des Beschwerdeführers, der über die garantierte Rückzahlung der Kapitalbeträge täuschte, durch die Kenntnis des nunmehrigen Kontostands und die allfällige Möglichkeit der Auszahlung von Beträgen ohnehin nicht zu gewinnen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO).

In seiner Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer im Ergebnis lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter, die die Angaben der als Zeugen vernommenen Geschädigten als korrekt, glaubwürdig und überzeugend erachteten (US 6), indem er die Aussagen eigenständig bewertet, deren Richtigkeit unter Berufung auf die Lebenserfahrung in Zweifel zieht und ihnen „Gier“ als Motivation ihrer Belastungen unterstellt. Begründungsdefizite im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes werden dadurch nicht aufgezeigt.

Auf die schriftliche „Stellungnahme des Angeklagten gegenüber seinem Verteidiger vom 8. Mai 2015“, auf die in der Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen wird, ist mangels Zulässigkeit eines solchen Verweises nicht einzugehen (RIS‑Justiz RS0100172; Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6).

Soweit die undifferenziert auf Z 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rechtsrüge auf die Ausführungen zu Verfahrens- und Mängelrüge verweist, verkennt sie den unterschiedlichen Anfechtungsrahmen. Mit der von beweiswürdigenden Erwägungen begleiteten Bestreitung von Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz hält der Beschwerdeführer - entgegen dem zwingenden Gebot bei Geltendmachung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit - nicht an den getroffenen Konstatierungen fest (RIS-Justiz RS0099810). Dass tatsächlich eine Bereicherung eingetreten ist, bildet im Übrigen kein Merkmal des Tatbestands.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen wegen Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, ersterer auch mit seiner Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch an Tim J***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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