European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00127.15K.0825.000
Spruch:
1. Der Antrag der klagenden Partei auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 BVG vor dem Verfassungsgerichtshof und eines Vorabentscheidungsverfahrens
gemäß Art 267 AEUV vor dem Europäischen Gerichtshof wird zurückgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Zur Frage der Aktivlegitimation zur Erhebung einer Räumungsklage liegt bereits eine gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor.
1.2. Besteht an einem Anteil einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft ein Fruchtgenussrecht, so besteht zwischen dem Fruchtnießer und dem Miteigentümer des durch ein Fruchtgenussrecht nicht belasteten Anteils eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich der Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse. Auf dieses Rechtsverhältnis haben die Vorschriften über die Eigentumsgemeinschaft entsprechend Anwendung zu finden. Aufgrund einer solchen Rechtsgemeinschaft, die lediglich die Nutzungs‑ und Verwaltungsbefugnisse umfasst, sind zur Ausübung der sich daraus ergebenden Rechte einerseits der Fruchtnießer, anderseits der Eigentümer des nicht belasteten Anteils entsprechend den Grundsätzen der Eigentumsgemeinschaft befugt, während der Eigentümer des mit dem Fruchtgenuss belasteten Anteils hievon ausgeschlossen bleibt (RIS‑Justiz RS0011873, RS0011819).
1.3. Als obligatorischer Fruchtnießer (bloß) der Hälfte der Liegenschaft wäre die Klägerin allein daher nicht zur Räumungsklage aktiv legitimiert. Nach den Vorschriften über die Eigentumsgemeinschaft ist zur Erhebung einer nach § 1118 ABGB gestützten Räumungsklage gegen den Hauptmieter nur die ‑ nach Miteigentumsanteilen zu berechnende ‑ Mehrheit der Miteigentümer berechtigt, weil die Kündigung eines Bestandvertrags in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung fällt (RIS‑Justiz RS0013441 [T6]). Der Minderheits‑Miteigentümer allein wäre zur Klage nach § 1118 ABGB nur dann berechtigt, wenn ihm ein Verwaltungsrecht an der im Miteigentum stehenden Sache zukäme oder er die Zustimmung der Mehrheitsmiteigentümer zur Klagsführung beweist (RIS‑Justiz RS0013426). Eine solche Zustimmung zur Klagsführung durch Mag. P***** als Hälfteeigentümer hat die Klägerin aber nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0013437).
1.4. Die konkrete Behauptung, über ein eigenes Fruchtgenussrecht an zwei Drittel der Liegenschaft zu verfügen, wurde erstmals in der Berufung und nunmehr neuerlich in der Revision erhoben. Im Verfahren erster Instanz hat die klagende Partei dies niemals ausdrücklich behauptet; die Erwähnung eines Fruchtgenussrechts erfolgte dort lediglich beispielshalber im Zuge von Rechtsausführungen.
2. Der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft, dem der Besitz und die Verwaltung daran schon vor der Einverleibung seines Eigentumsrechts übertragen wurde, hat zwar das Recht, den Verzug des Mieters hinsichtlich der Bestandzinsforderung mit Kündigung oder Räumungsklage geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0106071), doch ist auch er nur im Rahmen einer Mehrheit der „Miteigentümer“ aktiv legitimiert. Der außerbücherliche Erwerb des Hälfteanteils von Mag. R***** durch die Klägerin im Rahmen des Übergabsvertrags reicht dafür nicht aus. Auf ihre (nicht schlüssig begründete) Behauptung, dass ihr auch hinsichtlich eines von Mag. P***** treuhändig gehaltenen 1/6‑Anteils, insgesamt also hinsichtlich eines 2/3‑Anteils an der Liegenschaft, die Stellung einer außerbücherlichen Eigentümerin zukomme und ihr auch insoweit der Besitz und die Verwaltung übertragen worden sei, kommt die Klägerin in ihrer Revision nicht mehr konkret zurück (RIS‑Justiz
3. Die Rechtsprechung, wonach zur Erhebung einer Räumungsklage gegen einen titellosen Benützer auch ein Minderheitseigentümer legitimiert ist (RIS‑Justiz RS0013226; vgl auch Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 889 Rz 10 ff und § 890 Rz 10 ff) lässt sich nicht auf die Erhebung einer Räumungsklage nach § 1118 ABGB übertragen. Ein Fall der titellosen Benützung liegt hier unstrittig nicht vor.
4. Eine Prozesspartei hat keinen verfahrensrechtlichen Anspruch
, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder eines Vorabentscheidungsverfahrens
vor dem Europäischen Gerichtshof zu beantragen. Ein solcher Antrag ist zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0058452). Das Gericht hat von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs oder des Europäischen Gerichtshofs vorliegen. Die Revisionsausführungen zeigen jedoch weder verfassungs‑ oder unionsrechtliche Bedenken hinsichtlich einer für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit maßgeblichen Gesetzesbestimmung auf, noch inwiefern sonst eine der Klärung durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bedürftige Rechtsfrage des Unionsrechts vorläge.
5. Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher unzulässig und zurückzuweisen.
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