OGH 8ObA10/15a

OGH8ObA10/15a30.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch AnwaltgmbH Rinner Teuchtmann in Linz, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Holme und Weidinger Rechtsanwälte OG in Wels, wegen 1.349,67 EUR, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 8. Jänner 2015, GZ 11 Ra 85/14w‑23, mit dem der (richtig:) Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 15. Juli 2014, GZ 9 Cga 105/13f‑19, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00010.15A.0730.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 336,92 EUR (darin 56,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger begehrte die Zahlung eines von der Beklagten, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, bei Auszahlung der Endabrechnung für behauptete Schadenersatzansprüche einbehaltenen Betrags, weiters vorprozessuale Kosten, die er zur Geltendmachung weiterer, bereits erledigter Ansprüche aufwenden habe müssen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger das begehrte restliche Entgelt zu und wies das auf Zahlung vorprozessualer Kosten gerichtete Mehrbegehren ab. In der Entscheidungsbegründung führte es aus, die Geltendmachung der Kosten als Hauptforderung sei wegen nach wie vor bestehender Akzessorietät zum übrigen Leistungsbegehren unzulässig. Eine Geltendmachung im Rahmen der Kostennote scheide ebenfalls aus, weil der konkret behauptete Aufwand nicht notwendig und zweckentsprechend gewesen sei.

Die gegen diese Entscheidung erhobene „Berufung“ des Klägers wies das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss als verspätet zurück. Das Erstgericht habe das Kostenbegehren des Klägers unmissverständlich wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs zurückweisen wollen. Es habe sich bei der „Abweisung“ dieses Begehrens zwar in der Entscheidungsform vergriffen, nichtsdestoweniger liege ein Beschluss vor und sei das Rechtsmittel des Klägers daher ungeachtet seiner Bezeichnung als Rekurs zu behandeln. Dieser sei erst nach Ablauf der 14-tägigen Rekursfrist eingebracht worden und damit verspätet. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs komme eine einheitliche längere Rechtsmittelfrist für mehrere gemeinsam ausgefertigte Entscheidungen nur dann zum Tragen, wenn die betroffene Partei zur Erhebung des Rechtsmittels mit der längeren Frist berechtigt wäre.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der von der Beklagten beantwortete Revisionsrekurs des Klägers mit dem er in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung an das Rekursgericht anstrebt.

Richtet sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss, der im anhängigen Verfahren - wie hier ‑ auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden. Der Revisionsrekurs ist in diesem Fall zweiseitig (RIS‑Justiz RS0098745 [T22]; RS0043893).

Der Revisionsrekurs ist daher ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger führt zusammengefasst aus, das Erstgericht habe seine Entscheidung insgesamt eindeutig als Urteil bezeichnet und außerdem die Berechtigung des Anspruchs auch inhaltlich geprüft. In einem solchen Fall müsse aber dem Kläger für einen Rekurs gegen die irrtümlich in Urteilsform gefasste Zurückweisung des Mehrbegehrens auch die für eine Berufung geltende Frist zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber habe einen solchen Fall offenbar nicht bedacht, sodass eine planwidrige Gesetzeslücke vorliege. Ein Gerichtsfehler dürfe der Partei nicht zum Nachteil gereichen.

Diesen Ausführungen ist jedoch die zutreffende rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts entgegenzuhalten, auf die gemäß den §§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO verwiesen werden kann. Ergänzend ist lediglich auszuführen:

Dass sich das Erstgericht in der Entscheidungsform vergriffen hat und seine Entscheidung trotz ihrer Aufnahme in das Urteil einen Beschluss darstellt, ist nicht mehr strittig. Zur Frage der meritorischen Berechtigung des zurückgewiesenen Begehrens enthält das erstgerichtliche Urteil nur theoretische, weil auf den nicht gegebenen Fall einer Geltendmachung des Anspruchs im Kostenverzeichnis bezogene Äußerungen.

Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0036324) und auch nicht die gegen die Entscheidung offen stehende Rechtsmittelfrist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass auch Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von unerstreckbaren Notfristen führen (vgl RIS‑Justiz RS0036701; RS0006992). Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt insoweit nicht vor (vgl auch 1 Ob 254/09y; 6 Ob 714/85).

Der Revisionsrekurs vermag sich im vorliegenden Fall aber auch nicht mit Erfolg auf die ständige Rechtsprechung stützen, wonach sämtliche in einem einheitlichen Erkenntnis zusammengefassten Entscheidungen, für die bei gesonderter Ausfertigung unterschiedliche Rechtsmittelfristen gelten würden, innerhalb der längsten jeweils zur Verfügung stehenden Rechtsmittelfrist angefochten werden können (vgl dazu RIS‑Justiz RS0002105; RS0041696; RS0041670). Hinter dieser Rechtsprechung steht der Grundsatz, dass es einer Partei verwehrt ist, gegen eine Entscheidung sukzessive mehrere Rechtsmittel zu ergreifen (RIS‑Justiz RS0041670 [T3]) und sie bei Verbindung von Entscheidungen mit unterschiedlichen Rechtsmittelfristen nicht verhalten sein soll, die gerichtliche Entscheidung gewissermaßen in Teile zu spalten und diese jeweils getrennt anzufechten (1 Ob 36/14x mwN).

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der sich der erkennende Senat anschließt, kommt es bei Anwendung dieses Grundsatzes auf die konkrete Situation der betroffenen Partei an. Nur wenn dieser auch die Anfechtung jenes Entscheidungsteils offen steht, für den die längere Rechtsmittelfrist gelten würde (1 Ob 36/14x = JBl 2014, 540 = Zak 2014/439; jüngst 5 Ob 171/14d), ist es geboten, diese Frist einheitlich auch auf die Anfechtung der anderen Teile zu erstrecken. Kommt aber für die Partei von vornherein nur die Anfechtung desjenigen Entscheidungsteils in Frage, für den eine kürzere Frist gilt, hat es bei dieser zu bleiben.

Im vorliegenden Fall war der mit seinem Hauptbegehren zur Gänze obsiegende Kläger zur Erhebung einer Berufung mangels Beschwer nicht berechtigt. Es war für ihn daher von vornherein klar, dass er nur die ‑ wenn auch in das Urteil aufgenommene ‑ Zurückweisung seines vorprozessualen Kostenbegehrens anfechten könnte, wofür aber nur der Rekurs zu Gebote stand (vgl 1 Ob 36/14x).

Die im Revisionsrekurs im Zusammenhang mit dieser Rechtsprechung befürchtete unzumutbare Erschwerung der Fristenverwaltung durch die Angestellten der Anwaltskanzleien ist insofern nicht nachvollziehbar, als doch zu erwarten ist, dass ein Urteil nicht erstmals am Ende der Berufungsfrist auch von einem Juristen gelesen wird.

Dem Revisionsrekurs musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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