OGH 13Os56/15g

OGH13Os56/15g30.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred P***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Alfred P***** und Monika D***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 12. Februar 2015, GZ 38 Hv 68/14m‑108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00056.15G.0630.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten Alfred P***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die weiteren Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alfred P***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 und 130 vierter Fall, 15 StGB (A/I), mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A/II) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A/III) sowie Monika D***** des Verbrechens des schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 15 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben

(A) Alfred P*****

I/ von Jänner bis Mai 2014 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in K***** und andernorts den im Urteil bezeichneten Personen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert durch Aufbrechen von Eingangstüren sowie von Behältnissen, zum Teil auch durch Öffnen der Behältnisse mit widerrechtlich erlangten Schlüsseln, in 16 Angriffen weggenommen (1) und in weiteren 24 Fällen wegzunehmen versucht (2);

II/ am 18. Mai 2014 in K***** die im Urteil bezeichneten Personen durch die Äußerung, er hätte eine Pistole und werde auf sie schießen, wobei er ihnen auch Schläge versetzte, zur Abstandnahme von seiner weiteren Verfolgung genötigt;

III/ am 18. Mai 2014 in K***** den Zabiullah N***** durch Versetzen eines Faustschlags gegen das Gesicht, der eine Prellung des Kopfes sowie einen Bluterguss im Bereich des linken Auges zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt;

(B) Monika D***** am 4. Mai 2014 und am 18. Mai 2014 in K***** und andernorts zu den im Urteil bezeichneten Einbrüchen A I 1 m), A I 1 p) und A I 2 x) des Alfred P***** beigetragen, indem sie ihn mit einem Fahrzeug in die Nähe der Tatorte brachte und dort wartete, um das Diebsgut in einem 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert zu übernehmen und nach W***** zu verbringen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Alfred P***** aus Z 1, 3, und 5 sowie von Monika D***** aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur (als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichneten) Nichtigkeitsbeschwerde des Alfred P*****:

Die Besetzungsrüge (Z 1), bringt vor, der Gerichtshof sei nicht gehörig besetzt gewesen, weil vor Beginn der Hauptverhandlung nicht klargestellt worden sei, welcher Laienrichter an der Verhandlung als „Hauptgeschworener und welcher als Ersatzgeschworener“ teilnehmen werde, zumal „die Geschworenen“ erst nach Beginn der Hauptverhandlung vereidigt worden seien. Sie geht schon mangels Erfüllung der

Rügeobliegenheit fehl (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO).

Hinzugefügt sei, dass das Landesgericht als Schöffengericht tätig wurde (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO) und der beanstandete Zeitpunkt der Beeidigung der Schöffen den Vorschriften der Srafprozessordnung entspricht (§ 240a Abs 1 StPO).

Von der von der Verfahrensrüge (Z 3) behaupteten Verkürzung der Vorbereitungsfrist des (richtig) § 221 Abs 2 StPO kann aufgrund der Abfertigung der Ladungen am 22. Jänner 2015 zu der von der Vorsitzenden für 12. Februar 2015 anberaumten Hauptverhandlung keine Rede sein (ON 1 S 14).

Mit der Bezugnahme auf Bestimmungen, deren Einhaltung das Gesetz nicht bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, zeigt die Verfahrensrüge (Z 3) den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht auf (RIS‑Justiz RS0099118).

Demzufolge gehen der Vorwurf (Z 3) der „späten“ Übermittlung einer Aktenkopie an die Verteidigerin (§ 52 Abs 3 StPO; ON 1 S 10 f; ON 92 S 5; ON 90), der Einwand (Z 3), dass dem (in Strafhaft befindlichen) Beschwerdeführer keine Akteneinsicht gewährt worden sei (vgl dazu § 57 Abs 2 erster Satz StPO), sowie auch die Behauptung (Z 3) einer Verletzung von Art 6 MRK bereits im Ansatz fehl (RIS‑Justiz RS0099118; RS0097967).

Das relevierte Fehlen von DNA‑Spuren sowie von „Handylogdaten“ bei fast allen Diebstahlsfakten steht den Feststellungen zur Täterschaft des Alfred P***** nicht als erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegen.

Die weitere Behauptung der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung in der Justizanstalt Stein befunden (vgl dazu übrigens US 16 f, 18, wonach der Angeklagte Ausgang hatte), lässt den gebotenen Aktenbezug vermissen.

Eine Aussage zum Zeitpunkt der Entstehung der bei einem der Tatorte sichergestellten Schuhabdruckspur findet sich im Urteil nicht (US 17). Soweit die Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) dennoch einen derartigen Urteilsinhalt unterstellt, zeigt sie keine Aktenwidrigkeit auf (RIS‑Justiz RS0099431).

Auf die durch Alfred P***** selbst eingebrachte Ergänzung vom 25. Mai 2015 war nicht einzugehen, weil § 285 Abs 1 StPO nur eine einzige Ausführung der Beschwerdegründe zulässt (RIS‑Justiz RS0100172).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Monika D*****:

Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) eine unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Monika D***** behauptet, übergeht sie die Erwägungen der Tatrichter zum Ergebnis der Hausdurchsuchung (US 17, RIS‑Justiz RS0119370).

Der Beschwerdeführerin wird abgesehen von B c) zu Ba) und b) angelastet, am 4. Mai 2015 und am 18. Mai 2015 zu der durch Alfred P***** erfolgten Wegnahme von insgesamt 673,06 Euro sowie 89 Bekleidungsartikeln, 173 Schmuckgegenständen und fünf Kosmetikartikeln im Gesamtwert von ca 2.500 Euro durch Einbruch beigetragen zu haben, wobei das Erstgericht den jeweiligen Umfang und Wert des Diebsguts auf den nach Einbruchsfakten gegliederten Abschlussbericht der Polizeiinspektion K***** (ON 71 Teil 2 bis 8) stützte (US 18) und daraus ableitete, dass die Angeklagten zumindest einen Wert von mehr als 3.000 Euro in den Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatz aufnahmen, was logisch und empirisch einwandfrei ist (RIS‑Justiz RS0098671).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist somit der aus dem äußeren Tatgeschehen, insbesondere aus dem Umfang der Beute gezogene Schluss der Tatrichter auf einen 3.000 Euro übersteigenden Bereicherungs‑ und Zueignungsvorsatz (auch) der Monika D***** unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) Feststellungen zur Aufnahme eines Werts von mehr als 3.000 Euro in den Vorsatz der Monika D***** vermisst, dabei aber die gerade dazu getroffenen Konstatierungen übergeht (US 18), wird sie den dargelegten Anfechtungskriterien nicht gerecht.

Weshalb es aus der Sicht des § 128 Abs 1 Z 4 StGB Feststellungen zu einem 3.000 Euro übersteigenden „Schaden“ bedurft hätte, legt die Rüge nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, ebenso die zwar (außerhalb der dreitägigen Anmeldungsfrist) ausgeführte, jedoch nicht angemeldete Berufung des Angeklagten P***** wegen des Ausspruchs über die Strafe und die in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung des Beschwerdeführers wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 285d Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2; RIS‑Justiz RS0100243).

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die übrigen Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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