European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0280OS00016.14H.0625.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 23. Juni 2014, AZ D 38/12, D 39/12, wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3.000 Euro verurteilt. Diesem Schuldspruch lag zugrunde, dass er im Zivilverfahren AZ 5 C 315/11t des Bezirksgerichts Hollabrunn als Beklagtenvertreter in einer von ihm am 10. Juli 2012 eingebrachten Berufung Folgendes aufgeführt hatte: „Offensichtlich sollte mit diesem Vorbringen die mangelnde Intelligenz der Klagsvertreterin saniert werden die offensichtlich nicht in der Lage war eine schriftliche Zessionserklärung dem Gericht als Beweismittel vorzulegen.“
Mit dem nunmehr angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch von weiteren Vorwürfen enthaltenden Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 23. Juni 2014, AZ D 10/10 und D 43/11, wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er es unterlassen habe, das im Vertrag vom 1. Juli 2007 ‑ pflegschaftsgerichtlich genehmigt am 13. Juli 2007 ‑ auf den Liegenschaften EZZ *****, ***** und *****, je KG *****, vereinbarte Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zu Gunsten des Minderjährigen Hannes S***** umgehend zu verbüchern.
Mag. ***** wurde hiefür unter Bedachtnahme auf das vorgenannte (damals noch nicht rechtskräftige; vgl 28 Os 1/15d) Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom selben Tag gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt iVm § 16 Abs 5 DSt, § 31 StGB zu einer Zusatzstrafe von 2.000 Euro verurteilt und zum Kostenersatz verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
In der Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) macht der Berufungswerber geltend, dass ein Mitglied des erkennenden Senats des Disziplinarrats gemäß § 43 Abs 2 StPO ausgeschlossen gewesen sei, weil dieser im selben Verfahren an einem vorangegangenen Erkenntnis mitgewirkt hatte, das auf Grund eines Rechtsmittels (von der OBDK) aufgehoben worden war.
Die Beteiligung eines an sich ausgeschlossenen Richters macht ein Erkenntnis jedoch nur dann nichtig, wenn dieser Umstand sofort gerügt wurde (RIS‑Justiz RS0107029), was der Disziplinarbeschuldigte in der Verhandlung vom 23. Juni 2014 jedoch unterlassen hat.
Soweit der Berufungswerber auf seinen nach der Verhandlung vom 23. Juni 2014 eingebrachten Ablehnungsantrag Bezug nimmt, ist ihm abermals zu entgegnen, dass er die dort dargestellten, sich aus dem Verhandlungsablauf ergebenden Ablehnungsgründe trotz Rügepflicht nicht bereits bei der Disziplinarverhandlung geltend gemacht hatte.
Indem der Disziplinarbeschuldigte gestützt auf Art 6 EMRK argumentiert, dass bereits der (von ihm selektiv zitierte, den Zusammenhang mit einer Verdachtslage zur weiteren Verfahrensführung außer Acht lassende) Wortlaut des Einleitungsbeschlusses von einem disziplinarrechtlichen Vorwurf ausgeht, zeigt er keinen Nichtigkeitsgrund auf.
Im Übrigen ist ihm zu erwidern, dass der unmissverständlich eine bloße Verdachtslage referierende Einleitungsbeschluss eine bloße Verfahrensanordnung darstellt (RIS‑Justiz RS0123526), durch welche das Erkenntnis des Disziplinarrats in keiner Weise präjudiziert wird (RIS‑Justiz RS0056935).
In der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) macht der Berufungswerber geltend, dass durch die von ihm beantragte, aber nicht durchgeführte Vernehmung des Zeugen Mag. Franz F***** die Verjährung der Tat hätte nachgewiesen werden können.
Dabei übergeht er, dass die unterlassene Veranlassung der Eintragung des von ihm errichteten Vertrags im Grundbuch ein Dauerdelikt darstellt. Bei einem solchen endet das strafbare Verhalten mit Beendigung des verpönten Zustands. Erst mit diesem Zeitpunkt beginnt auch die Verjährungsfrist zu laufen (RIS‑Justiz RS0124122). Im gegenständlichen Fall ist das Ende des verpönten Zustands erst im Juli 2010 mit der Rückstellung der Originalurkunde an die Mandantin des Disziplinarbeschuldigten eingetreten; am 9. September 2013 wurde insoweit der Einleitungsbeschluss gefasst. Daher ist es überdies unerheblich, dass die vom Disziplinarbeschuldigten zum Nachweis der Verjährung der Tat beantragte Beischaffung eines Strafakts nicht erfolgt ist.
Als weiteren Verfahrensmangel kritisiert der Berufungswerber die fehlende Vernehmung der Zeugen Mag. Peter M*****, Dr. Karl H***** und Dr. Georg L*****, weil dadurch erweislich gewesen wäre, dass das Belastungs- und Veräußerungsverbot nur andrängende Gläubiger seiner Mandantin hintanhalten und schädigen sollte.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es dem Disziplinarbeschuldigten unbenommen gewesen wäre, das Vollmachtsverhältnis aufzulösen, wenn er dahinter unlautere Motive vermutet hätte. Bis zu einer solchen Beendigung des Mandats wäre der Disziplinarbeschuldigte jedoch verpflichtet gewesen, im Sinne des § 9 Abs 1 RAO den übernommenen Auftrag mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit durchzuführen.
In der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) macht die Berufung fehlende Feststellungen über die finanzielle Situation und die Motive von Helga S***** geltend, obwohl derartige Feststellungen ‑ wie bereits dargestellt ‑ den Disziplinarbeschuldigten keinesfalls entlasten könnten.
Wenn der Berufungswerber weiters die Feststellung vermisst, dass er nur Helga S*****, nicht aber auch deren minderjährigen Sohn vertreten habe, so ist ihm entgegenzuhalten, dass er als Vertragsverfasser die Pflicht hatte, die Rechte und Interessen beider Vertragsteile wahrzunehmen, dass er also entsprechende Schutz‑, Aufklärungs‑ und Informationspflichten auch gegenüber dem anwaltlich nicht vertretenen Minderjährigen Hannes S***** und dessen Kollisionskurator hatte (Feil/Wennig, AnwR8 § 13 RL‑BA 1977 Rz 2).
Der Disziplinarbeschuldigte hätte also den Vertrag entweder unverzüglich im Grundbuch eintragen lassen müssen oder bei Kenntnis unlauterer Motive für die Eintragung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots sein Mandat ohne Verzögerung niederzulegen und davon sämtliche Beteiligte einschließlich des Pflegschaftsgerichts verständigen müssen. Der Einwand einer allfälligen Schädigung der Interessen der Gläubiger von Helga S***** durch die Grundbuchseintragung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots und damit einer Rechtfertigung der inkriminierten Untätigkeit des Disziplinarbeschuldigten (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) geht daher ins Leere.
Die in der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld beantragte Vernehmung von Mag. Peter M*****, Dr. Karl H***** und Dr. Georg L***** zum Beweis dafür, „dass Helga S***** zahlungsunfähig war, jedenfalls zwischen 2006 und 2010“, sowie die begehrte Vernehmung des Mag. Franz F***** zum Beweis der ihm gegenüber von Helga S***** eingestandenen Zahlungsunfähigkeit betrifft ‑ wie bereits zur Verfahrensrüge ausgeführt ‑ jeweils keine entscheidenden Beweisthemen, sodass dieser Antrag abzuweisen war.
Die darüber hinaus beantragte Vernehmung des Hermann und des Hannes S*****, wonach diese beiden bereits 2007 von Helga S***** über die Nichteintragung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots in Kenntnis gesetzt waren, lässt die inkriminierte Verpflichtung außer Acht, im Sinne des § 9 Abs 1 RAO den übernommenen Auftrag durchzuführen und die Eintragung zu veranlassen, wiewohl es dem Disziplinarbeschuldigten unbenommen gewesen wäre, das Vollmachtsverhältnis aufzulösen, wenn er dahinter unlautere Motive vermutet hätte. Solcherart betrifft der Beweisantrag wiederum keine entscheidungswesentliche Tatsache und war daher gleichfalls abzuweisen.
Im Übrigen erschöpft sich die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in einer Bewertung der beantragten ‑ wie dargestellt keine erheblichen Themen betreffenden ‑ Zeugenaussagen; damit vermag der Rechtsmittelwerber keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellung aufzuzeigen.
Den Berufungen wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher keine Folge zu geben.
Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe versagt.
Das angefochtene Erkenntnis hielt zutreffend die (vom Berufungswerber unsubstantiiert als nicht einschlägig bezeichneten) Vorstrafen des Disziplinarbeschuldigten als erschwerend und den fehlenden Schadenseintritt als mildernd fest.
Dem insoweit nicht zu seinem Vorteil agierenden Berufungswerber ist zu zedieren, dass eine Bedachtnahme gemäß § 31 StGB (iVm § 16 Abs 5 DSt) die Rechtskraft des Vorurteils voraussetzt (vgl Ratz in WK2 § 31 Rz 3; Fabrizy StGB11 § 31 Rz 10). Da das Verfahren AZ D 38/12, D 39/12 im Entscheidungszeitpunkt erster Instanz noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, hätte eine solche Bedachtnahmeverurteilung unterbleiben müssen. Da aber durch das vorangegangene Urteil des Obersten Gerichtshofs zu 28 Os 1/15d dieses Vorverfahren rechtskräftig beendet wurde, war nunmehr in der vorliegenden Berufungsentscheidung auf die im dortigen Rechtsmittelverfahren in Stattgebung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe herabgesetzte Geldbuße von 2.000 Euro gemäß § 31 StGB Bedacht zu nehmen (vgl neuerlich Ratz in WK2 § 31 Rz 3; Fabrizy StGB11 § 31 Rz 10).
Darauf aufbauend und unter Berücksichtigung des vom Disziplinarrat nicht berücksichtigten, erschwerend wirkenden langen Deliktszeitraums wäre eine Zusatzstrafe von 3.000 Euro angemessen gewesen.
Weiters bringt Mag. ***** zu Recht eine überlange Verfahrensdauer vor, die in einem dem Disziplinarbeschuldigten nicht vorwerfbaren Stillstand des Verfahrens zwischen dem aufhebenden Erkenntnis der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission vom 7. Mai 2012 (betreffend das nunmehrige Freispruchsfaktum), dem Einleitungsbeschluss vom 9. September 2013 und der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2014 begründet liegt.
Dieser als Verletzung des auch im Disziplinarverfahren geltenden Beschleunigungsgebots zu wertenden Säumnis ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die an sich tat‑ und schuldangemessene Geldbuße von 3.000 Euro um 1.000 Euro verringert wird. Das solcherart gefundene Strafmaß entspricht indes der vom Disziplinarrat verhängten Geldbuße. Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher ebenfalls keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
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