OGH 8ObA82/14p

OGH8ObA82/14p25.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel und Dr. Peter Schnöller als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. F***** F***** (34 Cga 11/08y), und 2. Ing. W***** K***** (34 Cga 12/08w), beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit‑Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.) 284.162,71 EUR brutto abzüglich 76.200 EUR netto sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR) und 2.) 512.382,89 EUR brutto abzüglich 89.500 EUR netto sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse: 1.) 284.162,71 EUR brutto abzüglich 76.200 EUR netto; 2.) 512.382,89 EUR brutto abzüglich 89.500 EUR netto) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. September 2014, GZ 9 Ra 79/13y‑104, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 15. April 2013, GZ 34 Cga 11/08y‑97, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Beide Kläger waren seit 18. 12. 1988 bei der A***** GmbH (in der Folge: A*****) als Piloten beschäftigt. Der Betrieb der A***** wurde Ende April 1994 eingestellt und ging mit 1. 6. 1994 auf die Beklagte über. Die Arbeitsverhältnisse der Kläger wurden von der Beklagten als Erwerberin zunächst am 6. 6. 1994 gekündigt. Diese Kündigungen, wie auch nachfolgende Entlassungen und weitere Kündigungen ‑ zuletzt Kündigungen vom 21. 9. 1995 zum 31. 3. 1996 ‑ erwiesen sich als rechtsunwirksam (9 ObA 97/02h; 9 ObA 16/06b).

Der Erstkläger war von Juli 1994 bis Februar 1995 bei C***** als Pilot beschäftigt und wechselte ab Juli 1995 zur L*****. In weiterer Folge war der Erstkläger bei der A***** AG beschäftigt.

Der Zweitkläger war nach Mai 1994 ein Jahr arbeitslos und ab Juli 1995 bei L***** beschäftigt. In weiterer Folge war der Zweitkläger bei der A***** AG tätig.

Infolge der Entscheidung 9 ObA 16/06b vom 1. 2. 2007 forderte die Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 16. 4. 2007 zum Dienstantritt zunächst zum 1. 7. 2007, schließlich zum 1. 8. 2007 auf. Zwischenzeitlich wurden zwischen den Parteienvertretern Vergleichsgespräche über Grund und Höhe eines nachzuzahlenden Entgelts geführt, die jedoch scheiterten. Am 1. 8. 2007 traten die Kläger ihren Dienst nicht an, sodass die Beklagte sie mit Schreiben vom 2. 8. 2007 mahnte und eine Nachfrist bis 6. 8. 2007 setzte. Da die Kläger auch am 6. 8. 2007 den Dienst nicht antraten, wurden sie an diesem Tag entlassen.

Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung von Entgelt gemäß § 1155 ABGB, sowie von Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubs-ersatzleistung. Sie begehrten darüber hinaus die Feststellung, dass die Beklagte für den Pensionsschaden hafte, der den Klägern durch die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen entstanden sei. Die Entlassung sei nicht berechtigt gewesen, weil die Kläger wegen rückständigen Entgelts nicht verpflichtet gewesen seien, der Aufforderung zum Dienstantritt Folge zu leisten.

Die Beklagte wandte ‑ soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung ‑ dagegen ein, dass die Kläger sich anderweitigen Erwerb, insbesondere auch Arbeitslosengeld bzw absichtlich versäumten Erwerb anrechnen lassen müssten. Die Kläger seien bereits im Jahr 1996 zum Dienstantritt und zum Abschluss eines befristeten „Eventualarbeitsverhältnisses“ zur Beklagten aufgefordert worden, sie seien dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen. Im Juli 2007 habe es keine Entgeltrückstände gegeben, die Kläger hätten daher ihre Arbeitsleistung nicht zurückbehalten dürfen. Da sie die Arbeit pflichtwidrig und trotz Mahnung nicht angetreten hätten, seien die Entlassungen berechtigt ausgesprochen worden.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab, gab hingegen dem Feststellungsbegehren statt. Im Umfang der Stattgebung des Feststellungsbegehrens erwuchs seine Entscheidung unangefochten in Rechtskraft. Es traf über den bereits eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt hinaus folgende ‑ im Wesentlichen wörtlich wiedergegebene - Feststellungen:

Die Gespräche zwischen den Streitteilen betreffend Dienstantritt der Kläger zum 1. 7. bzw 1. 8. 2007 liefen ausschließlich über ihre Rechtsvertreter. Ein direkter Kontakt der Parteien zueinander bestand nicht.

Als bei L ***** nach den Terroranschlägen von September 2001 Freiwillige für eine Arbeitsreduktion gesucht wurden, entschloss sich der Zweitkläger zu Gunsten seines Kleinkindes dazu. Arbeitszeit und Gehalt wurde auf 50 % gemindert. Es liegen keine Anhaltspunkte für Zwang oder verpflichtende Notwendigkeit für diesen Schritt vor. Die Wiederaufnahme einer Vollzeittätigkeit konnte erst nach Übernahme der L***** durch die A***** erfolgen.“

Zum tatsächlich von den Klägern im Zeitraum Juli 1994 bis Juli 2007 bezogenen Einkommen und zur Entwicklung ihrer Gehaltssituation von Juni 1994 bis Juli 2007 verwies das Erstgericht auf dem Urteil angeschlossene Aufstellungen.

Daran schließen sich folgende weitere Feststellungen:

Zum Stichtag 1. 8. 2007 betragen die Ansprüche des Erstklägers unter Beibehaltung der kollektivvertraglichen Überzahlung, ohne Aufteilung der Nachzahlung von L*****/A*****, ohne Aufteilung der Abschlagszahlung der Beklagten, ohne Berücksichtigung von AMS‑Bezügen und ohne Valorisierung 32.026,53 EUR. Mit Valorisierung der Überzahlung erhöht sich der Gehaltsrückstand auf 40.742,88 EUR. An Zinsen ohne Valorisierung der Überzahlung von Juni 1994 bis Dezember 2011 ist ein Betrag von 48.501,17 EUR, mit Valorisierung der Überzahlung von 52.456,33 EUR aufgelaufen.

Wird die kollektivvertragliche Überzahlung nicht aufrecht erhalten, errechnet sich bei monatlicher Gegenüberstellung von Zahlung und Anspruch ein Betrag von 36.345,56 EUR. Werden hingegen sämtliche vom Erstkläger im Zeitraum 1. 7. 1994 bis 31. 7. 2007 erhaltenen Beträge mit den Ansprüchen an die Beklagte verglichen, so ergibt sich die Differenz 0,0.

Bei monatlicher Betrachtungsweise beträgt der Zinsenbetrag 19.746,47 EUR.

Die offenen Gehaltsansprüche des Zweitklägers vom 1. 7. 1994 bis 31. 7. 2007 betragen unter Beibehaltung der kollektivvertraglichen Überzahlung, ohne Aufteilung der Nachzahlung von L *****/A*****, ohne Aufteilung der Abschlagszahlung der Beklagten, ohne Hochrechnung der Bezüge während der Teilzeitbeschäftigung bei L*****/A*****, ohne Berücksichtigung von AMS‑Bezügen und ohne Valorisierung 243.298,45 EUR. Mit Valorisierung der Überzahlung erhöhen sich die Ansprüche auf 259.070,05 EUR. An Zinsen laufen ein Betrag von 155.625,21 EUR ohne Valorisierung, 162.861,86 EUR mit Valorisierung auf.

Ohne Beibehaltung der kollektivvertraglichen Überzahlung, aber Hochrechnung der Bezüge während der Teilzeitbeschäftigung bei L *****/A***** auf eine Vollzeitbeschäftigung ergibt sich ein Rückstand bei monatlicher Betrachtungsweise von 43.183,58 EUR.

Bei Gegenüberstellung der im gesamten Zeitraum von Juni 1994 bis Juli 2007 erhaltenen Bezüge mit dem tatsächlichen Einkommen des Zweitklägers ergibt sich die Differenz 0,0.

Die Verzinsung bei der monatlichen Betrachtungsweise errechnet sich in Höhe von 22.228,31 EUR.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitkläger für seine Tätigkeit bei der 'Z ***** GesmbH' entlohnt wurde.“

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass eine zeitlich kongruente Gegenüberstellung von Bezügen der Kläger mit ihren Ansprüchen zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Kläger führen würde. Es seien daher die Gesamtsummen der Bezüge der Kläger einschließlich der relativ hohen Einmalzahlungen, die sie von L***** erhalten hätten, deren Ansprüchen gegenüberzustellen. Eine laufende Verzinsung der Entgeltansprüche der Kläger habe nicht stattzufinden. Das von den Klägern in den Jahren 1994/1995 erhaltene Arbeitslosengeld sei zu berücksichtigen, weil sie nicht einmal behauptet hätten, es zurückzahlen zu müssen. Für die begehrte Valorisierung bestehe nach dem Wechsel zum Kollektivvertrag der Beklagten infolge des Betriebsübergangs keine Grundlage, weil dieser Kollektivvertrag keine Ist‑Lohnklausel enthalte. Daher habe es am 1. 8. 2007 keine Gehaltsrückstände gegeben, sodass die Kläger nicht berechtigt gewesen seien, ihre Arbeitsleistung zurückzubehalten. Durch ihren „unberechtigten vorzeitigen Austritt“ hätten die Kläger daher ihre Ansprüche auf Abfertigung, Kündigungsentschädigung sowie Urlaubsersatzleistung 2007 verwirkt. Die Urlaubsansprüche aus den Vorperioden seien mit der im Jahr 2004 empfangenen Leistung abgegolten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Kläger im Umfang seines klageabweisenden Teils auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung, führte es rechtlich aus, dass für die Anrechnung gemäß § 1155 ABGB zeitliche Kongruenz bestehen müsse. Ein zeitweise erzielter Mehrverdienst sei nicht auf andere Zeiträume mit weniger Erwerb zu verteilen. Das Erstgericht habe daher zu Unrecht eine Gegenüberstellung von „Gesamtsummen“ von Bezügen der Kläger den von ihnen geltend gemachten Entgeltansprüchen gegenübergestellt. Es sei eine klare Aufschlüsselung und Zuordnung der durch die Kläger im klagegegenständlichen Zeitraum verdienten Beträge und der auf diesen Zeitraum entfallenden Entgeltansprüche gegenüber der Beklagten erforderlich. Diesen Ansprüchen genüge das angefochtene Urteil nicht, insbesondere reiche dazu nicht die vom Erstgericht vorgenommene Vorgangsweise, Kopien von zahlreichen Beilagen des Sachverständigengutachtens, in dem verschiedene Varianten der Berechnung der Ansprüche der Kläger dargestellt werden, dem Urteil anzuschließen. Es scheine nach den vom Sachverständigen bisher durchgeführten Berechnungen wahrscheinlich, dass im Zeitpunkt der Aufforderung der Kläger zum Dienstantritt im Jahr 2007 Lohnrückstände in einem nicht unbedeutenden Ausmaß bestanden haben. Unter diesen Voraussetzungen wären die Kläger berechtigt gewesen, ihre Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis die Beklagte den bereits fälligen Gehaltsrückstand bezahlt habe. Auch Lohnrückstände über einen Zeitraum von 13 Jahren in Höhe von 14.312 EUR (Erstkläger) bzw 25.700 EUR (Zweitkläger) seien nicht derart geringfügig, dass eine rechtsmissbräuchliche Zurückbehaltung der Arbeitsleistung durch die Kläger angenommen werden könnte. Das Zurückbehaltungsrecht bestehe darüber hinaus auch im Fall des Verzugs mit strittigen oder geringfügigen Entgelten, weil eine Analogie zu § 471 ABGB hergestellt werden könne und der Arbeitgeber durch Sicherheitsleistung in der Lage sei, die Zurückbehaltung abzuwenden.

Werde fälliges Entgelt nicht bezahlt, könne der Arbeitnehmer Verzugszinsen fordern. Die Argumentation des Erstgerichts, dass eine laufende Verzinsung der Entgeltansprüche der Kläger nicht vorzunehmen sei, weil dann auch ein von den Klägern verdienter Überbezug zu verzinsen sei, verkenne den Regelungszweck des § 1155 ABGB. Es sei Sache der Beklagten, Behauptungen darüber aufzustellen, warum der von den Klägern begehrte Zinssatz des § 49a ASGG nicht zustehe. Dies werde im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein.

Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung seien nach der Rechtsprechung nicht auf den Entgeltanspruch gemäß § 1155 ABGB anzurechnen. Im Anlassfall liege jedoch die Sonderkonstellation vor, dass die Kläger gemäß § 25 Abs 6 AlVG keine Verpflichtung zur Rückzahlung des (unberechtigt empfangenen) Arbeitslosengeldes treffe. Dazu fehle Rechtsprechung. Allerdings sei auch in diesem Fall keine Anrechnung vorzunehmen, weil das während des Unterbleibens der Arbeitsleistung bezogene Arbeitslosengeld schon nach dem klaren Wortlaut des § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB kein Entgelt für eine „anderweitige Verwendung“ sei.

Eine Obliegenheit der Kläger, ein Zwischenarbeitsverhältnis einzugehen, könne sich lediglich auf ein Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber als dem (ehemaligen) Arbeitgeber beziehen. Den Ausführungen der Beklagten, dass die Kläger verpflichtet gewesen wären, im Jahr 1996 über ihre Aufforderung mit ihr ein „interimsmäßiges Zwischenarbeitsverhältnis“ abzuschließen, sei daher nicht zu folgen. Jedoch werde mit der Beklagten im fortzusetzenden Verfahren auch zu erörtern sein, ob ihr Vorbringen auch dahin zu verstehen sei, dass sie die Kläger im Jahr 1996 aufgefordert habe, im Rahmen des aufrechten Arbeitsverhältnisses ihren Dienst anzutreten. In diesem Fall wären entsprechende Feststellungen zu treffen, weil eine mangelnde Arbeitsbereitschaft der Kläger Auswirkungen auf ihren Entgeltanspruch iSd § 1155 ABGB haben könnte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anrechnung von Arbeitslosengeld nach § 1155 ABGB in einer Konstellation wie der vorliegenden und zur Frage der Obliegenheit des Arbeitnehmers, gemäß § 1155 ABGB, ein „Zwischendienstverhältnis“ bis zur Klärung der Rechtslage mit dem (bisherigen) Arbeitgeber einzugehen, fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der von den Klägern beantwortete Rekurs der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil zur Frage der Anrechenbarkeit des Arbeitslosengeldes gemäß § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB eine Klarstellung erforderlich ist. Er ist aber nicht berechtigt.

1.1 Der Arbeitnehmer muss sich nach der Rechtsprechung nur für den Zeitabschnitt, in welchem er anderweitig etwas verdient hat, diesen Verdienst anrechnen lassen. Hat der Arbeitnehmer in einem Zeitabschnitt nichts verdient, im zweiten Zeitabschnitt aber mehr verdient, als er beim Arbeitgeber bekommen hätte, muss er sich diesen Überschuss daher nicht anrechnen lassen (RIS‑Justiz RS0021532, zuletzt 9 ObA 81/10t; Rebhahn in ZellKomm, Rz 49 zu § 1155 ABGB). Dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht in seiner Entscheidung gefolgt. Der dagegen vorgebrachte Hinweis der Rekurswerberin auf „Besonderheiten der Luftfahrt“ und auf die „Beständigkeit der dortigen Dienstverhältnisse“ ist in keiner Weise geeignet, die Richtigkeit dieser Rechtsprechung in Frage zu stellen. Sonstige Argumente vermag die Rekurswerberin nicht ins Treffen zu führen.

Demgemäß hat das Berufungsgericht zu Recht das Verfahren insbesondere auch deshalb für ergänzungsbedürftig erachtet, weil eine klare Aufschlüsselung und Zuordnung der vom Kläger im hier relevanten Zeitraum verdienten Beträge und der auf diesen Zeitraum entfallenden Entgeltansprüche gegenüber der Beklagten erforderlich ist.

2. Zu der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage der behaupteten Verpflichtung der Kläger, ein „Zwischenarbeitsverhältnis“ zur Beklagten im Jahr 1996 einzugehen:

2.1 Die Beklagte hat vorgebracht, die Kläger mit Schreiben vom 30. 1. 1996 und 6. 3. 1996 zum Antritt eines befristeten (Zwischen‑)Dienstverhältnisses aufgefordert zu haben. Diese Aufforderung sei relevant, weil die Kläger auch nach ihrem eigenen Vorbringen im Zeitraum ab 1996 bis einschließlich 2000 weniger verdient haben, als sie bei der Beklagten verdient hätten. Dadurch, dass die Kläger den Dienst bei der Beklagten nicht angetreten haben, hätten sie es absichtlich versäumt, entsprechendes Entgelt zu verdienen, sodass sie die versäumte Differenz nicht mehr begehren könnten.

2.2 Dazu weisen die Kläger, die dieses Vorbringen bestritten haben, zunächst zutreffend darauf hin, dass das Urteil des Erstgerichts keine Feststellungen zu dieser behaupteten Aufforderung zum Dienstantritt im Jahr 1996 enthält. Dem kommt allerdings letztlich keine Bedeutung zu:

2.3 Beide Kläger haben 1996 bereits bei einer anderen Fluglinie als Piloten gearbeitet, sodass ihnen nicht der Vorwurf gemacht werden kann, einen möglichen anderen zumutbaren und ihrer Qualifikation entsprechenden Verdienst absichtlich versäumt zu haben, um die Anrechnung zu verhindern.

2.4 Richtig ist, dass in der Literatur die Meinung vertreten wurde, dass den Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen eine Obliegenheit treffen kann, während eines mit dem Arbeitgeber geführten Bestandschutzverfahrens ein Zwischenarbeitsverhältnis (Eventualarbeitsverhältnis) zum Arbeitgeber einzugehen (Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses, DRdA 1988, 16 [20 ff]; ders, DRdA 2000/51, 499, Anm zu 9 ObA 283/99d). Auch nach der Auffassung Rebhahns (DRdA 1988, 23, der auf zahlreiche Lehrmeinungen verweist) besteht aber keine Verpflichtung, ein Zwischenarbeitsverhältnis einzugehen, wenn und solange der Arbeitnehmer an ein anderes Arbeitsverhältnis gebunden ist, das er nach Ablauf der Kündigungsfrist angetreten hat, und mit dessen Erfüllung das Zwischenarbeitsverhältnis nicht vereinbar wäre. Der Arbeitgeber habe hier die Bindung des Arbeitnehmers selbst veranlasst und die Einkünfte aus diesem anderen Arbeitsverhältnis seien ohnehin zu seinen Gunsten anzurechnen, wenn die Anfechtung letztlich Erfolg habe. Auch Schrank (Wichtige Anwendungsfragen zur vorläufigen Wirksamkeit erstinstanzlicher Urteile nach § 61 ASGG, RdW 1987, 86 [92]) spricht von einem „Interimsbeschäftigungsgebot“, allerdings nur für den Fall, dass das Erstgericht die Anfechtungsklage bereits abgewiesen hat.

2.5 Auch wenn man daher von einer Obliegenheit des Arbeitnehmers ausgehen wollte, unter bestimmten Voraussetzungen während eines mit dem Arbeitgeber geführten Bestandschutzverfahrens ein Zwischenarbeits-verhältnis zum Arbeitgeber einzugehen, wäre für die Beklagte daraus hier nichts zu gewinnen, weil die Kläger zum Zeitpunkt der von der Beklagten behaupteten Aufforderungen zum Dienstantritt im Jänner 1996 bereits bei einer anderen Fluglinie beschäftigt waren und weil zu diesem Zeitpunkt das arbeitsrechtliche Bestandschutzverfahren 9 ObA 97/02h noch in erster Instanz anhängig war (das ‑ klagestattgebende ‑ Ersturteil erging am 12. 12. 2000). Jedenfalls unter diesen Umständen fehlt für die von der Beklagten behauptete Obliegenheit der Kläger, bei ihr ein befristetes Dienstverhältnis einzugehen, jegliche Grundlage. Den Klägern, die ja bereits eine ihrer Qualifikation entsprechende Ersatzarbeit aufgenommen hatten, kann hier nicht vorgeworfen werden, eine zumutbare Ersatzbeschäftigung ausgeschlagen oder sich nicht darum bemüht zu haben. Sie hätten ihre Ersatzarbeitsplätze aufgeben müssen, um ein befristetes Zwischenarbeitsverhältnis bei der Beklagten anzutreten, obwohl diese im noch in erster Instanz anhängigen Verfahren den Rechtsstandpunkt verfolgte, sich von den Klägern wirksam gelöst zu haben. Der von § 1155 Abs 1 Fall 3 ABGB verpönte Vorsatz ist den Klägern in einem Fall wie dem vorliegenden gerade nicht vorzuwerfen. Dieses Ergebnis steht auch mit den oben wiedergegebenen Lehrmeinungen im Einklang.

2.6 Schon nach dem Vorbringen der Beklagten fehlte es im konkreten Fall daher an einer Obliegenheit der Kläger, im Jahr 1996 das ihnen angebotene Zwischendienstverhältnis zur Beklagten einzugehen. Die in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht angenommene sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.

3. Zutreffend macht die Rekurswerberin hingegen geltend, dass der Bezug von Arbeitslosengeld durch die Kläger für jene Zeiträume gemäß § 1155 ABGB anzurechnen sei, in denen die Möglichkeit der Rückforderung verjährt ist.

3.1 Richtig ist, dass nach der bisherigen Rechtsprechung Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung auf den Entgeltanspruch nach § 1155 Abs 1 ABGB nicht anrechenbar sind (RIS‑Justiz RS0021644; Spenling in KBB4 § 1155 Rz 9; ebenso für die im hier gegebenen Zusammenhang vergleichbare Bestimmung des § 1162b ABGB RIS‑Justiz RS0028334). Dies wurde allerdings damit begründet, dass diese Leistungen nach §§ 25 Abs 1 Satz 2 iVm 12 Abs 8 AlVG rückforderbar sind (4 Ob 40/83 = Arb 10.311 Leitsatz III mwH; 4 Ob 114/82 = Arb 10.185; 9 ObA 149/91), und dass der vormalige Arbeitgeber nicht auf Kosten der Arbeitsmarktverwaltung von seinen Zahlungspflichten entlastet werden soll (jüngst 8 ObA 42/14f mwH). Entgegen der in der Rekursbeantwortung vertretenen Rechtsansicht geht auch die Entscheidung 9 ObA 43/88 nicht von dieser Begründungslinie ab, was sich schon aus ihrem Verweis auf die bereits angeführte Entscheidung Arb 10.185 ergibt.

3.2 Die Rekurswerberin stellt diese Rechtssätze nicht in Frage, macht aber geltend, dass das bezogene Arbeitslosengeld dann anzurechnen sei, wenn es nicht mehr rückgefordert werden kann. Dem kommt grundsätzlich Berechtigung zu:

3.3 Es trifft zu, dass Arbeitslosengeld an sich kein Entgelt aus einer „anderweitigen Verwendung“ iSd § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB ist (Pfeil in Kodek/Schwimann 4 § 1155 ABGB Rz 21; Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1162b Rz 18; Rebhahn/Ettmayer, ebendort, § 1155 Rz 33; mit Hinweis auf die Rückzahlungspflicht Mazal/Risak, AR 5.4 Rz 175; Haider in Reissner, AngG § 29 Rz 92). Dies steht aber ‑ unter Berücksichtigung des Zwecks der Anrechnungsbestimmungen des § 1155 ABGB und des Charakters des Arbeitslosengeldes als Einkommensersatz ‑ der Anrechenbarkeit nicht mehr rückforderbaren Arbeitslosengeldes nicht entgegen.

3.4 Der Oberste Gerichtshof hatte erst jüngst in der Entscheidung 8 ObA 42/14f im Zusammenhang mit den vergleichbaren Anrechnungsregeln des § 1162b ABGB die Anrechenbarkeit von Beihilfen nach dem AMSG zu beurteilen. Bei diesen Beihilfen handelt es sich ‑ ebenso wie beim Arbeitslosengeld ‑ nicht um Entgelt im eigentlichen Sinn. Dennoch hat der Oberste Gerichtshof für den Fall, dass diese Beihilfe nicht rückgefordert werden kann, ihre Anrechenbarkeit im Hinblick auf den Zweck der Anrechnungsbestimmungen bejaht. Die Kündigungs-entschädigung bezwecke, den Arbeitnehmer finanziell so zu stellen, als wäre sein Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß aufgelöst worden, nicht aber, ihn besser zu stellen. Mit den gesetzlichen Anrechnungsvorschriften solle eine Bereicherung des Arbeitnehmers verhindert werden, die eintreten würde, wenn er neben solchen Einkünften, die er bei aufrechtem Arbeitsverhältnis wegen der zu erbringenden Arbeitsleistung nicht erlangen hätte können, auch die ungekürzte Kündigungsentschädigung bekäme.

3.5 Diese Überlegungen lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Ebenso wie die Anrechnungsregeln des § 1162b ABGB haben die Anrechnungsregeln des § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB den Zweck, dass der Arbeitnehmer bei Nichtleistung seiner Arbeit nicht besser gestellt sein soll als bei Erbringung der Dienste. Die Anrechnung soll ausschließen, dass sich der Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers bereichert (Schrammel in Klang² § 1155 ABGB Rz 34, 44). Auch die Bestimmungen der §§ 12 Abs 1 und 8 iVm 25 AlVG verfolgen denselben Zweck: Der Gesetzgeber normiert darin die Rückforderbarkeit des Arbeitslosenentgelts gerade für den Fall, dass der Arbeitnehmer mit seinem Standpunkt, dass das Arbeitsverhältnis ‑ und damit der Entgeltanspruch ‑ aufrecht fortbesteht (bzw die Kündigung für unwirksam erklärt wird), durchdringt. Das Arbeitslosengeld soll dem Arbeitnehmer lediglich die Überbrückung der einkommenlosen Zeit ermöglichen, eine Bereicherung des Arbeitnehmers soll durch seine Rückforderung verhindert werden.

3.6 Allerdings erweist sich auch in diesem Zusammenhang das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts ist für das Vorliegen der Voraussetzungen der Rückforderbarkeit des Arbeitslosengeldes die Beklagte beweispflichtig (RIS‑Justiz RS0021543). Diese hat im Verfahren bisher unter Berufung auf § 25 AlVG lediglich vorgebracht, dass Arbeitslosengeld anzurechnen sei, wenn es nicht mehr rückforderbar sei. Die Kläger haben ‑ ebenfalls unter Hinweis auf § 25 AlVG ‑ die Anrechnung ausdrücklich bestritten. Das Berufungsgericht ist vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs 6 AlVG ausgegangen, wofür manches spricht, was aber mangels Kenntnis sämtlicher relevanter Umstände nicht zwingend ist. Eine Erörterung der Voraussetzungen dieser Bestimmung erfolgte im Verfahren erster Instanz nicht; Feststellungen fehlen. Vor diesem Hintergrund wird die Beklagte im fortzusetzenden Verfahren näheres Vorbringen zu erstatten haben, aus welchen konkreten Gründen die Kläger im Anlassfall keine Verpflichtung zur Rückerstattung von Arbeitslosengeld treffen sollte, wozu den Klägern die Möglichkeit der Erstattung eines Bestreitungsvorbringens einzuräumen sein wird.

Sollte sich danach im weiteren Verfahren herausstellen, dass das von den Klägern bezogene Arbeitslosengeld tatsächlich nicht mehr rückforderbar ist, so wird es für jene Zeiträume, in denen den Klägern gegenüber der Beklagten ein Entgeltanspruch zustehen sollte, auf diesen gemäß § 1155 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB anrechenbar sein.

4. Damit ist aber völlig ungeklärt, ob im Zeitpunkt der Aufforderung der Kläger zum Antritt ihrer Arbeit im Jahr 2007 und im Zeitpunkt ihrer Entlassung durch die Beklagte wegen Nichtantritt des Dienstes überhaupt Entgeltrückstände bestanden. Das Erstgericht hat in seinen Feststellungen lediglich die Berechnungen wiedergeben, die der Sachverständige aufgrund der jeweiligen Rechtsstandpunkte der Parteien vorgenommen hat. Aus den daraus zitierenden Ausführungen der Rekurswerberin ist daher nichts zu gewinnen. Schon deshalb ist unklar, ob die Kläger im Hinblick auf den von ihnen behaupteten Entgeltrückstand zur Verweigerung des Dienstantritts berechtigt waren bzw ob die auf diese Weigerung gestützte Entlassung gerechtfertigt war.

Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auf das Vorbringen der Kläger verwiesen, dass ‑ unabhängig von Entgeltrückständen ‑ die Aufforderung zum Dienstantritt im Juli bzw August 2007 rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, weil die Beklagte ihre Pflichten als Arbeitgeberin gegenüber den Klägern massiv verletzt habe. Auch dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht zutreffend als erörterungsbedürftig bezeichnet. Für den Fall der (teilweisen) Berechtigung der Klageforderung sind auch die Gegenforderung der Beklagten sowie die bisher nicht berücksichtigten Fragen des Verfalls, der Verjährung und des Verjährungsverzichts zu behandeln. Die von der Rekurswerberin aufgeworfenen Fragen der Berechtigung der Kläger, ihre Arbeitsleistung insbesondere nach Aufforderung zum Arbeitsantritt mit Schreiben vom 16. 4. 2007 zurückzubehalten, der Berechtigung der Entlassung der Kläger und der Verzinsung von allfälligen Entgeltrückständen gemäß § 49a ASGG stellen sich daher im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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