OGH 13Os36/15s

OGH13Os36/15s10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 17 Hv 100/13a des Landesgerichts Klagenfurt, über den auf das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 19. Februar 2014 (ON 89 der Hv‑Akten) bezogenen Antrag der Generalprokuratur auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO) Urteil vom 19. Februar 2014 wurden Hermann S***** und Thomas R***** jeweils des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall und 15 StGB und (richtig) der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 StGB und nach § 159 Abs 2 StGB schuldig erkannt (ON 89).

Zugleich verpflichtete das Erstgericht gemäß §§ 366 Abs 2 erster Satz, 369 Abs 1 StPO beide Angeklagten zur ungeteilten Hand, zahlreichen (namentlich angeführten) Opfern (jeweils betragsmäßig festgesetzten) Schadenersatz zu leisten (ON 89 S 9 bis 13).

Dieses Urteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft (vgl ON 92 und ON 93).

Mit Blick auf den Zuspruch von Schadenersatz an bestimmte Opfer begehrt die Generalprokuratur im Sinn des § 362 Abs 1 Z 2 StPO (zur analogen Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf rechtskräftige Adhäsionserkenntnisse vgl RIS‑Justiz RS0117416 sowie Ratz , WK‑StPO § 292 Rz 16 und § 362 Rz 3) die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten der Verurteilten und begründet dies wie folgt:

Gegen die Richtigkeit der den Adhäsionserkenntnissen des Urteils des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. Februar 2014, GZ 17 Hv 100/13a‑89, zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen, nämlich dass sich die Opfer Alexander M*****, Elisabeth B*****, Peter F*****, Mag. Jutta K*****, Gottfried O*****, Udo ***** Ma*****, Julia Re*****, Leopoldine St*****, Monika Str*****, Emil G*****, Horst Sta*****, Elisabeth Mac*****, Maria Man*****, Anita Sa***** und Josefine Z***** dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen und ihre Forderungen geltend gemacht haben sowie dass der Privatbeteiligte Andreas P***** einen über 960 Euro hinausgehenden Betrag (von 1.920 Euro) beanspruchte, bestehen erheblich Bedenken:

Ein Zuspruch gemäß § 366 Abs 2 erster Satz StPO bzw § 369 Abs 1 StPO kann nur an einen Privatbeteiligten erfolgen, der durch die Straftat in seinen Privatrechten verletzt worden ist und aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt einen privatrechtlichen Anspruch ableiten kann (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366‑379 Rz 75 ff; RIS-Justiz RS0096887, RS0112117). Opfer (§ 65 Z 1 StPO) haben gemäß § 67 Abs 1 StPO das Recht, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens oder eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ihrer strafrechtlich geschützten Rechtsgüter zu begehren. Sie werden mit der Erklärung (§ 67 Abs 2 StPO), sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung zu begehren, zu Privatbeteiligten und genießen über die eigentlichen Opferrechte hinausgehende Verfahrenrechte (§ 67 Abs 6 StPO).

Eine solche Erklärung, sich am Strafverfahren beteiligen zu wollen, um Ersatz für den entstandenen Schaden zu erhalten, muss zumindest den Willen erkennen lassen, als Privatbeteiligter angesehen und behandelt werden zu wollen, um ein bestimmtes, zivilrechtliches Begehren zu stellen (RIS‑Justiz RS0096860; Korn/Zöchbauer, WK‑StPO § 67 Rz 8; Spenling, WK‑StPO Vor §§ 366-379 Rz 50 ff). Die bloße Bekundung, einen Schaden erlitten zu haben (und sich insofern zivilrechtliche Schritte vorzubehalten), genügt hiefür noch nicht (vgl RIS-Justiz RS0096860 [T5]).

In Anbetracht dieser Erfordernisse bestehen mit Blick auf die in der Hauptverhandlung vorgekommenen (aus ON 8/II, ON 9/II und ON 26/III vorgetragenen) Depositionen der Tatopfer erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Annahme des Gerichtes, dass Alexander M*****, Elisabeth B*****, Peter F*****, Mag. Jutta K*****, Gottfried O*****, Udo ***** Ma*****, Julia Re*****, Leopoldine St*****, Monika Str*****, Emil G*****, Horst Sta*****, Elisabeth Mac*****, Maria Man*****, Anita Sa***** und Josefine Z***** Privatbeteiligte sind; enthalten deren Einvernahmeprotokolle doch keinen Hinweis auf eine Anschlusserklärung im oben bezeichneten Sinn.

Im Übrigen kann einem Privatbeteiligten auch nicht mehr zugesprochen werden, als er beansprucht. Da sich Andreas P***** lediglich mit einem Betrag von 960 Euro dem Strafverfahren anschloss (ON 26/III S 47), bestehen auch erhebliche Bedenken gegen eine den Zuspruch von 1.920 Euro tragende Sachverhaltsgrundlage des hier gemäß § 270 Abs 2 StPO gekürzt ausgefertigten Urteils.

Zwar ist die Durchbrechung der Rechtskraft von ‑ ausnahmsweise im Strafverfahren ergangenen ‑ Ent-scheidungen über (ausschließlich) zivilrechtliche Ansprüche über Antrag des Generalprokurators wegen des damit verbundenen Eingriffs in eine durch Art 1 1. ZPMRK geschützte Rechtsposition (und den sich aus Art 6 Abs 1 MRK ergebenden Anspruch auf Rechtssicherheit) in der Regel nicht möglich (RIS-Justiz RS0124740, RS0096772; Ratz, WK-StPO § 362 Rz 3). Vorliegend kommt aber zum Tragen, dass die betroffenen Opfer schon mangels Geltendmachung der ihnen zuerkannten Ansprüche im Strafverfahren auf die Rechtskraft des sie betreffend ergangenen Zuspruchs nicht vertrauen durften.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Wird in einem Strafverfahren auch über zivilrechtliche Ansprüche entschieden, ist ‑ wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt ‑ die Zulässigkeit einer (hier im Weg einer Antragstellung im Sinn des § 362 Abs 1 Z 2 StPO angestrebten) Durchbrechung der Rechtskraft auch unter dem Aspekt einer im Sinn des Art 1 des 1. ZPMRK geschützten Position zu prüfen (13 Os 16/09s, SSt 2009/21; RIS‑Justiz RS0124740). Steht die Durchbrechung der Rechtskraft eines Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), der untrennbar mit einem zivilrechtlichen Zuspruch (§ 366 Abs 2 erster Satz StPO) verbunden ist, in Rede, prävaliert dabei der Schutz des Angeklagten (RIS‑Justiz RS0124740). Diese Prozesssituation ist hier nicht gegeben, weil die begehrte Aufhebung des Adhäsionserkenntnisses den Schuldspruch unberührt ließe, womit der angestrebten Maßnahme Art 1 des 1. ZPMRK entgegensteht, soweit die Opfer auf die Rechtskraft der Adhäsionserkenntnisse vertrauen dürfen (15 Os 39/11s, 15 Os 40/11p; 15 Os 75/11k, 15 Os 76/11g, SSt 2011/34; RIS‑Justiz RS0124740 [insbesondere T1]).

Genau dieser Vertrauensschutz greift hier Platz, weil den Verurteilten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. Februar 2014 (ON 89) mangels Ausschöpfung des Rechtswegs keine Rechtsbehelfe (Art 34 MRK, § 363a StPO) mehr offen stehen, womit der Antrag der Generalprokuratur, das Strafverfahren im außerordentlichen Weg wiederaufzunehmen, abzuweisen war (13 Os 16/09s, SSt 2009/21; 13 Os 22/14f; RIS‑Justiz RS0124740; vgl auch RIS‑Justiz RS0124838 und Ratz , WK‑StPO § 362 Rz 3).

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