OGH 9ObA59/15i

OGH9ObA59/15i28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei D***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Tinhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei E***** G*****, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (hier: wegen einstweiliger Verfügung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 2. April 2015, GZ 10 Ra 26/15i‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00059.15I.0528.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die vom Revisionsrekurswerber behauptete Aktenwidrigkeit sowie Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde vom Senat geprüft; sie liegt nicht vor (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die Verneinung der Aktenwidrigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht beruht auf einem im Rahmen des Verfahrens dritter Instanz unüberprüfbaren Beweiswürdigungsvorgang des Berufungsgerichts (RIS‑Justiz RS0043401). Lediglich die Verneinung einer in zweiter Instanz gerügten Aktenwidrigkeit mit aktenwidriger Begründung ist im Revisionsverfahren anfechtbar (RIS‑Justiz RS0042963 [T56]). Dies ist hier aber nicht der Fall. Im Provisorialverfahren besteht keine Eventualmaxime (4 Ob 180/05g; vgl RIS‑Justiz RS0115372). Eine ‑ im Provisorialverfahren allenfalls unzulässige (vgl RIS‑Justiz RS0005335; 6 Ob 238/00v) ‑ Erörterung bzw Verbesserung des Tatsachenvorbringens der klagenden und gefährdeten Partei (kurz: Klägerin) erfolgte nicht. Die Klägerin hat bereits in ihrem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sämtliche notwendigen Behauptungen aufgestellt.

Die hier in Rede stehende Kundenschutzklausel ist als Konkurrenzklausel nach § 36 AngG zu qualifizieren (RIS‑Justiz RS0118907). Eine Kundenschutzklausel bezweckt den Schutz des Kundenstocks des Dienstgebers (9 ObA 185/05d; 8 ObA 72/13s ua) und soll das Abwerben des bestehenden Kundenkreises verhindern. Sie beschränkt den Angestellten für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse (9 ObA 185/05d mwN).

Die Kundenschutzklausel ist nach § 36 Z 2 AngG nur insoweit wirksam, als die Beschränkung den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigt. Da die gegenständliche Vereinbarung keine zeitliche Begrenzung enthält und die Klägerin auch nicht behauptet hat, dass sie zeitlich beschränkt gelten soll, ist sie jedenfalls hinsichtlich des ein Jahr übersteigenden Zeitraums teilnichtig (9 ObA 185/05d; RIS‑Justiz RS0029953; Reissner in ZellKomm² § 36 AngG Rz 72).

Durch die mit einer Konkurrenzklausel verbundene Erwerbsbeschränkung darf der Angestellte nicht gezwungen werden, seine Kenntnisse und Berufserfahrungen brachliegen zu lassen, einen allenfalls erlernten Spezialberuf aufzugeben und damit zwangsläufig in eine berufsfremde Sparte mit geringerem Einkommen überzuwechseln. Der zulässige Umfang der Beschränkung der Erwerbsfreiheit hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0029956 [T6]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, die eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO begründen würde, vermag der Revisionsrekurswerber nicht darzustellen. Die Ansicht der Vorinstanzen, das Fortkommen des beklagten Arbeitnehmers sei nicht unbillig erschwert, ist schon deswegen vertretbar, weil sich die Kundenschutzklausel nur auf Kunden der Klägerin bezieht, die vom Beklagten betreut worden waren und die nicht bereits vor dem zwischen den Parteien bestandenen Dienstverhältnis Kunden des Beklagten waren. Weshalb es dem Beklagten dennoch nicht möglich sein sollte, für ein anderes Unternehmen tätig zu werden, legt der außerordentliche Revisionsrekurs nicht dar.

Soweit der Revisionsrekurswerber Feststellungen darüber vermisst, dass die entgegen der Konkurrenzklausel von ihm kontaktierten Unternehmen bereits Kunden seiner neuen Dienstgeberin gewesen seien, ist er auf den als bescheinigt angenommenen Sachverhalt zu verweisen, wonach seine Kontaktaufnahme dazu führte, dass zwei Unternehmen bestimmte neue Aufträge nicht mehr an die Klägerin, sondern an seine neue Dienstgeberin vergaben. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, auch dieses Vorgehen verstoße gegen die vereinbarte Kundenschutzklausel, ist vertretbar.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Beurteilung der Unwiederbringlichkeit eines Schadens im Sinn des § 381 Z 2 zweiter Fall EO von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig ist (7 Ob 236/13a ua; RIS‑Justiz RS0005275 [T17]). Ein Schaden ist dann unwiederbringlich, wenn ein Nachteil an Vermögen, Rechten oder Personen eingetreten oder wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Schadenersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RIS‑Justiz RS0005270). Für die Annahme eines unwiederbringlichen Schadens reicht auch bereits ein drohender Kundenverlust aus (RIS‑Justiz RS0005256). Den Inhaber eines Unternehmens in einem solchen Fall nur auf allfällige Schadenersatzansprüche in Geld zu verweisen, ginge schon infolge der Schwierigkeit der Ermittlung aller für solche Ansprüche in Betracht kommenden Faktoren nicht an, ist doch mit dem Verlust bereits bestehender Geschäftsverbindungen auch eine Schmälerung des good‑will‑Wertes des Unternehmens verbunden; ein unwiederbringlicher Schaden kann in einem solchen Fall selbst dann vorliegen, wenn die Existenzgrundlage des Unternehmens nicht gefährdet ist (4 Ob 20/92 = RIS‑Justiz RS0005256 [T8] = ecolex 1992, 473 [Konecny]; 6 Ob 174/07t). Eine dieser Rechtsprechung entgegenstehende unvertretbare Beurteilung des Rekursgerichts zeigt der Revisionsrekurswerber aber mit seinem Standpunkt, infolge Abschätzbarkeit des Schadens sei der der Klägerin drohende Schaden nicht unwiederbringlich, nicht auf.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

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