OGH 6Ob47/15b

OGH6Ob47/15b27.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F***** R*****, vertreten durch Gheneff ‑ Rami ‑ Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. G***** M*****, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2015, GZ 5 R 68/14b-15, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. April 2014, GZ 53 Cg 24/13w‑11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird in ihrem stattgebenden Teil dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.203 EUR (darin enthalten 473,50 EUR USt und 1.362 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 2004 Präsident des Österreichischen Patentamts und auch Geschäftsführer des teilrechtsfähigen Bereichs nach den §§ 58a und 58b PatentG („serv.ip“). Der Geschäftsführertätigkeit liegt ein Vertrag zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Infrastruktur und Technologie (in Folge BMVIT) einerseits und dem Kläger andererseits zugrunde. Das Dienstverhältnis besteht seit 24. 11. 2004. Aus diesem Dienstverhältnis bezieht der Kläger ein Jahresgehalt von rund 75.000 EUR. Das Amt des Präsidenten des Österreichischen Patentamts wird separat vergütet.

Als Geschäftsführer obliegt dem Kläger die Veranlagung des Wertpapiervermögens. Die Veranlagung ist auf Substanzerhalt gerichtet und hat sich seit 2004 positiv entwickelt. Eine hochspekulative Veranlagung erfolgte nicht.

Der Rechnungshof führte in seinem Bericht von 2012 zum Patentamt ua aus:

Effizienz der Organisation und Kontrolle

Nebenbeschäftigungen von Bediensteten

23.1. (…) 2,2 VBÄ waren im hoheitlichen Bereich hauptbeschäftigt und hatten darüber hinaus ein zweites Dienstverhältnis in der serv.ip. Dies betraf zwölf Bedienstete des hoheitlichen Bereichs des Patentamts, die die Geschäftsführung sowie wesentliche Teile der Personalverwaltung stellten. (…) Im Jahr 2010 lag der zusätzliche Durchschnittsverdienst dieser Mitarbeiter in einer Bandbreite von rd. 2.200 EUR bis rd. 75.000 EUR brutto pro Jahr.

(…)

Zusammenfassende Feststellungen zur Organisation des Patentamts

32.1. Zusammenfassend stellte der RH fest, dass die Vorgaben sowie das Nebeneinander des hoheitlichen Bereichs (mit einer Flexibilisierungsklausel) und des teilrechtsfähigen Bereichs mehrere spezifische Nachteile aufwiesen:

(…)

Kostenintensive Doppelgleisigkeiten in der Organisation des Patentamts waren aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Organisationsprinzipien des hoheitlichen Bereichs des Patentamts und der serv.ip gegeben. Zahlreiche Nebenbeschäftigungen von Bediensteten des hoheitlichen Bereichs des Patentamts in der serv.ip waren u.a. die Folge. (…)

Am 15. 1. 2013 fand auf Initiative der Beklagten, die Abgeordnete zum Nationalrat ist, ein Gespräch zwischen ihr und Mitarbeitern des Rechnungshofs statt, da die Beklagte nähere Informationen zu dem Bericht bekommen wollte. Dies ist die übliche Vorgehensweise. Der Beklagten wurde mitgeteilt, dass ein Vertrag zwischen dem Kläger und dem BMVIT, auf dessen Grundlage der Kläger seine Geschäftsführertätigkeit bei der serv.ip ausübe, nicht Gegenstand der Rechnungshofprüfung gewesen war. Für die Beklagte war nach diesem Gespräch nicht klar, ob es einen solchen Vertrag tatsächlich gibt.

Die Beklagte brachte am 22. 1. 2013 eine Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (in Folge WKStA) ein. Darin fasste sie die Ergebnisse des Rechnungshofberichts zusammen und griff drei Punkte auf. Der erste Punkt behandelt das „Zusatzgehalt Geschäftsführer der Teilrechtsfähigkeit“ und endet mit folgender Schlussfolgerung:

Es wäre daher zu prüfen, ob die Gehaltszahlung auf Basis zumindest fragwürdiger oder überhaupt fehlender Rechtsgrundlage den Tatbestand der Untreue erfüllt. Falls der Bund womöglich getäuscht wurde, dass für eine ohnedies bereits im Präsidenten-Vertrag mit abgedeckte Funktion ein gesondertes weiteres Entgelt zustünde, wäre auch zu prüfen, ob dadurch der Tatbestand des Betrugs erfüllt sein könnte. Weiters wäre ‑ zu diesem und den noch folgenden Punkten ‑ zu prüfen, ob die vorschriftswidrige Vornahme des Amtsgeschäftes der Geschäftsführung der TRF (Anm Teilrechtsfähigkeit) den Tatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllt.

Über die eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wurde in verschiedenen Medien berichtet. Am Nachmittag des 28. 1. 2013 wurde die Beklagte von einem Journalisten des ORF angerufen und zu der Sache befragt. Die Beklagte verwies auf die schriftliche Sachverhaltsdarstellung und wählte vorsichtige Formulierungen, da sie von früheren Vorfällen bereits wusste, dass der Kläger nicht vor einer Klagseinbringung zurückscheut.

Am 28. 1. 2013 wurde im Abendjournal auf Ö 1 Folgendes ausgestrahlt:

Christl Reiss (ORF): „Vorwürfe der Grünen gegen F***** R***** [Kläger], Präsidenten des Patentamtes in Wien. Die Grünen werfen dem Juristen gleich zweierlei vor: Zum einen soll er Gelder in hochriskante Wertpapiere angelegt haben, zum anderen unrechtmäßig ein Zweitgehalt beziehen. Volker Obermayr:“

Volker Obermayr (ORF): „Er ist ein Mann mit zwei Funktionen: F***** R***** [Kläger] steht seit mehr als acht Jahren an der Spitze des Patentamtes. Außerdem leitet er die verlustbringende Firma serv.ip ‑ nach eigenen Angaben eine unabhängige, ausgegliederte Dienstleistungstochter. In dieser Funktion bekommt R***** [Kläger] mehr als 75.000 Euro pro Jahr. Für die grüne Abgeordnete G***** M***** [Beklagte] ist das unzulässig.“

Beklagte: „Darum schreibt ja auch das Gesetz vor, dass der Präsident des Amtes gleichzeitig der Geschäftsführer ist ‑ und zwar ohne Zweitgehalt.“

Volker Obermayr (ORF): „Sie wirft R***** [Kläger] Untreue vor. Eine Sachverhaltsdarstellung ist bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. R***** [Kläger] weist den Vorwurf als falsch zurück. Ebenso wehrt er sich gegen den Vorwurf, mit den Wertpapierdepot des Patentamtes hochspekulative Geschäfte getätigt zu haben. An die vier Millionen Euro sollen es gewesen sein. Der Bilanz von serv.ip zufolge ist kein Schaden entstanden.“

Weiters erfolgten am 28. 1. 2013 Berichte in den Zeitungen WirtschaftsBlatt, Der Standard, profil sowie in der ZIB 13. Aufgrund des Artikels im profil erschien am 27. 1. 2013 eine APA-Meldung.

Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Im Sommer 2013 wurde der Geschäftsführerbezug des Klägers für seine Tätigkeit bei der serv.ip öffentlich diskutiert.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten,

1. sie habe es zu unterlassen, die wörtlichen und/oder sinngleichen Behauptungen zu verbreiten, der Kläger habe unrechtmäßig Gelder in hochriskante Wertpapiere angelegt und/oder der Kläger beziehe unrechtmäßig ein Zweitgehalt und/oder der Kläger habe Untreue zu verantworten;

2. weiters begehrte der Kläger von der Beklagten binnen 14 Tagen den

„Widerruf

Ich habe im Jänner 2013 die falschen Behauptungen verbreitet, Dr. F***** R***** [Kläger], der Präsident des Österreichischen Patentamtes, habe unrechtmäßig Gelder in hochriskante Wertpapiere und beziehe unrechtmäßig ein Zweitgehalt, weshalb er Untreue zu verantworten habe. Ich widerrufe hiermit dieses Behauptung.

Dr. G***** M***** [Beklagte]“

a) in den periodischen Druckwerken „WirtschaftsBlatt“ auf Seite 3, „Der Standard“ auf Seite 11 und „profil“ auf Seite 44 zu veröffentlichen, jeweils die Überschrift „Widerruf“ in Schriftgröße 16, den Fließtext des Widerrufs in Schriftgröße 12, der gesamte Widerruf in einem schwarzen Rahmen;

b) binnen 14 Tagen den unter Punkt 2. genannten Widerruf durch Verlesung des Textes durch die beklagte Partei zu veröffentlichen, und zwar im Radioprogramm „Krone Hit“ zwischen 17:00 und 19:00 Uhr und im Fernsehprogramm „ATV“ zwischen 12:00 und 14:00 Uhr.

Der Kläger brachte vor, die festgestellten Äußerungen der Beklagten, nämlich dass der Kläger unrechtmäßig Gelder in hochriskante Wertpapiere angelegt habe und unrechtmäßig ein Zweitgehalt beziehe, weshalb er Untreue iSd § 153 StGB zu verantworten habe, seien sowohl ehrenbeleidigend iSd § 1330 Abs 1 ABGB als auch kreditschädigend iSd § 1330 Abs 2 ABGB. Der Vorwurf der Untreue sei unrichtig, da die Staatsanwaltschaft Wien das von der Beklagten gegen den Kläger initiierte Ermittlungsverfahren eingestellt habe. In ihrer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft habe die Beklagte nicht nur politische Kritik geübt, vielmehr habe die Beklagte dem Kläger strafbares Verhalten unterstellt. Der Kläger sei aufgrund eines wirksamen Dienstvertrags Angestellter der serv.ip, auf dessen Grundlage ihm ein Gehalt gebühre. Die Beklagte habe am 5. 9. 2013 eine parlamentarische Anfrage an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zur Tätigkeit des Klägers bei der serv.ip gerichtet, woraus sich ergebe, dass die Beklagte im Zeitpunkt der inkriminierten Äußerungen über keine Informationen verfügt habe, aufgrund derer sie ihre Äußerung für wahr halten habe dürfen. Da der ORF keine Widerrufe mehr veröffentliche, werde stattdessen Veröffentlichung in einem anderen Radio- und Fernsehsender begehrt.

Die Beklagte wendete ein, die von der Beklagten getätigte Aussage, welche im Abendjournal als O-Ton wiedergegeben wurde, sei korrekt. Der sonstige Beitrag gebe die Äußerungen der Beklagten nur indirekt und unvollständig wieder. Hintergrund sei eine von der Beklagten gegen den Kläger eingebrachte Sachverhaltsdarstellung gewesen, der der Rechnungshofbericht 2012 zugrunde liege. Der Kläger sei als Präsident gemäß § 58 Abs 3 PatentG ex lege auch Geschäftsführer der serv.ip. Sämtliche auf dem Rechnungshofbericht basierenden Vorwürfe seien in der Sachverhaltsdarstellung als begründete Verdachtslagen formuliert und es werde auch auf die Quellen, nämlich den Rechnungshofbericht, verwiesen. Die Beklagte habe der Staatsanwaltschaft lediglich die Rechnungshofkritik an den Wertpapiergeschäften zur Kenntnis gebracht, aber auch darauf hingewiesen, dass die Vorgänge nicht unbedingt unmittelbar gegen gesetzliche Bestimmung verstoßen zu scheinen, wodurch klar werde, dass es sich um eine politische Kritik handle. Dies sei zulässig, da die Kritik auf einem fundierten wahren Tatsachensubstrat beruhe. Zudem gehöre es zur Aufgabe einer Oppositionspolitikerin, Missstände politisch aufzuzeigen. Die Beklagte habe im Interview mit dem ORF-Journalisten lediglich von einem Verdacht gesprochen. Die Beklagte treffe kein Verschulden, da sie aufgrund der Kritik des Rechnungshofs triftige Gründe gehabt habe, ihre Äußerungen für wahr zu halten. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Zweitgehalts des Klägers sei offenbar auch unter Fachleuten höchst umstritten. Es gebe einen Konflikt zwischen der zuständigen Ministerin und dem Kläger über eine allfällige Rückzahlung. Eine Ersatzveröffentlichung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Das Risiko, ob ein Medium einen Widerruf veröffentliche oder nicht, trage der Kläger.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die Beklagte sei als Oppositionspolitikerin in ihrer freien Meinungsäußerung zu schützen. Die inkriminierten Behauptungen, nämlich dass der Kläger unrechtmäßig ein Zweitgehalt beziehe und unrechtmäßig Gelder in hochriskante Wertpapiere investiere, weshalb er Untreue zu verantworten habe, habe die Beklagte so nicht geäußert: Die Beklagte habe mit ihrer Sachverhaltsdarstellung bei der WKStA eine strafrechtliche Überprüfung der Vorgänge angeregt. Die inkriminierten Aussagen gingen lediglich aus der Sachverhaltsdarstellung hervor. Die bloße Anzeigeerstattung als solche begründe ‑ als jedermann grundsätzlich zustehendes Recht (§ 80 Abs 1 StPO) ‑ keinen Vorwurf. Straf- und Disziplinaranzeigen an die zuständigen Stellen seien grundsätzlich gerechtfertigt, es sei denn, die Beschuldigung werde vom Anzeiger wider besseres Wissen erhoben. Die Beweislast für die Kenntnis der Unwahrheit und den Vorsatz des Täters treffe den Kläger. Aus dem Rechnungshofbericht habe sich für die Beklagte eine für die Sachverhaltsdarstellung ausreichende Verdachtslage dahingehend ergeben, dass die Veranlagungen nicht nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit erfolgt seien. Zum Themenkomplex „unrechtmäßiges Zweitgehalt“ ergebe sich aus § 58 Abs 3 PatentG, dass dem Präsidenten die Leitung des Patentamts obliege und er zudem Leiter (Geschäftsführer) des teilrechtsfähigen Bereichs sei (serv.ip). Von einem Gehalt sage das Gesetz nichts. Dass ein separates Gehalt für diese Tätigkeit gebühre, ergebe sich erst aus dem zwischen dem BMVIT und dem Kläger geschlossenen Dienstvertrag. Dass ein solcher Vertrag zu schließen sei, legten die ErläutRV zu § 58 Abs 3 PatentG nahe. Für die Beklagte habe sich die Situation so dargestellt, dass sie nicht nachvollziehen habe können, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der Kläger das Geschäftsführergehalt bezogen habe. Die Verdachtslage erscheine daher hinreichend begründet, um eine Überprüfung durch die WKStA anzuregen. Die Beklagte habe ausreichende Gründe für die Sachverhaltsdarstellung gehabt, jedenfalls liege keine wissentlich falsche Sachverhaltsdarstellung vor, weshalb der Tatbestand des § 1330 ABGB nicht erfüllt sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es die Beklagte dazu verurteilte, es zu unterlassen, die wörtliche und/oder sinngleiche Behauptung zu verbreiten, der Kläger beziehe unrechtmäßig ein Zweitgehalt. Betreffend diese Behauptung gab das Erstgericht auch dem Widerrufsbegehren zur Gänze statt. Im Übrigen wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Es führte aus, der Kläger wende sich in der Berufung nur gegen die Äußerungen der Beklagten im Radiointerview vom 28. 1. 2013. In diesem Interview habe sie weder zur Frage hochspekulativer Wertpapierveranlagungen der serv.ip Stellung genommen noch Überlegungen dazu angestellt, ob sich der Kläger infolge des gesetzwidrigen Bezugs eines Zweitgehalts strafbar gemacht und Untreue (nach § 153 StGB) begangen habe. In Bezug auf die inkriminierten Äußerungen zum Thema der hochriskanten Wertpapierveranlagungen sowie zum Vorwurf der Untreue scheitere der Vorwurf der Ehrenbeleidigung sowie Kreditschädigung iSd § 1330 ABGB daher schon daran, dass sich die Äußerungen der Beklagten in dem im Berufungsverfahren ausschließlich zu beurteilenden Radiointerview nur auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Zweitgehalts bezogen hätten.

Die Äußerung der Beklagten zur Rechtmäßigkeit des Zweitgehalts des Klägers habe der Durchschnittshörer im Zusammenhang mit der vorangestellten Umschreibung des von der Beklagten erhobenen Vorwurfs durch den Journalisten aber so verstehen können, dass nach Auffassung der Beklagten der Bezug des Zweitgehalts von 75.000 EUR im Jahr dem Gesetz widerspreche, weil dieses sogar ausdrücklich vorschreibe, dass der Präsident des Patentamts die Funktion des Geschäftsführers der serv.ip ohne Zweitgehalt auszuüben habe. Diese Äußerung der Beklagten sei eine Tatsachenbehauptung iSd § 1330 Abs 2 ABGB. Es gebe entgegen der Behauptung der Beklagten aber keine Bestimmung, die einen Doppelbezug untersage, weshalb diese Äußerung unwahr sei. Die Beklagte habe keine guten Gründe gehabt, ihre Behauptung für wahr zu halten, sodass ihr zumindest leichtes Verschulden anzulasten ist. Das Widerrufsbegehren betreffend diese Äußerung sei daher berechtigt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile. Der Kläger begehrt die vollständige Klagsstattgebung, die Beklagte die vollständige Klagsabweisung; hilfsweise stellen die Revisionswerber jeweils einen Aufhebungsantrag. Der Kläger begehrt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte meint, der Bedeutungsinhalt der im Abendjournal wiedergegebenen Äußerung der Beklagten sei allein anhand dieser selbst zu ermitteln. Die inkriminierte Äußerung könne nur so verstanden werden, dass die Beklagte den Bezug eines Zweitgehalts durch den Präsidenten des Patentamts für gesetzlich nicht vorgesehen bzw für mit dem Gesetz nicht vereinbar halte. Darin liege kein gegen den Kläger gerichteter Vorwurf. Die Aussage der Beklagten sei keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil. Selbst wenn man die inkriminierte Äußerung aber als Tatsachenbehauptung ansehen wollte, verstehe der Hörer des Radiobeitrags die Äußerung der Beklagten in dem Sinn, dass die Beklagte den Bezug eines Zweitgehalts durch den Präsidenten des Patentamts für dessen Tätigkeit als Geschäftsführer für mit dem Gesetz nicht vereinbar halte. Der Beklagten sei keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen, weshalb das Widerrufsbegehren nicht zu Recht bestehe.

Hiezu wurde erwogen:

Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher wird ein reines Werturteil vorliegen (RIS-Justiz RS0112211). Ein und dieselbe Äußerung kann je nach dem Zusammenhang, in den sie gestellt wird, bald unter den Begriff der Tatsachenbehauptung, bald unter den Begriff des reinen Werturteils fallen; entscheidend ist dabei, wie die Äußerung von den Empfängern ‑ zu einem nicht unerheblichen Teil - verstanden wird (RIS-Justiz RS0031815). Welcher Bedeutungsinhalt einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, die Verbreitung einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden

Meinungsäußerung oder eines Werturteils handelt, richtet sich nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (RIS-Justiz RS0031815 [T26]).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich Folgendes:

Der einzige Satz, der im Bericht im Abendjournal in direkter Rede von der Beklagten stammt, lautet:

Darum schreibt ja auch das Gesetz vor, dass der Präsident des Amtes gleichzeitig der Geschäftsführer ist ‑ und zwar ohne Zweitgehalt.“

Unmittelbar vor diesem Satz sagt der Radiojournalist: „Für die grüne Abgeordnete … ist das unzulässig.

Mit dem Wort „für“ in diesem Satz wird deutlich, dass es sich beim Satz der Beklagten um deren persönliche Meinung darüber handelt, wie das Gesetz, das zu einem Zweitbezug des Präsidenten des Patentamts in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des teilrechtsfähigen Bereichs nichts aussagt,auszulegen ist.

§ 58 Abs 3 PatentG hat folgenden Wortlaut:

„(3) Dem Präsidenten obliegt ‑ unbeschadet der Bereichsverantwortung der Vizepräsidenten ‑ die Leitung des Patentamtes; zudem ist er Leiter (Geschäftsführer) des teilrechtsfähigen Bereiches (§§ 58a und § 58b).“

Dass die Rechtslage dazu, ob dem Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer ein Zweitgehalt zusteht, äußerst schwierig zu beurteilen ist, zeigt sich auch dadurch, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18. 12. 2014, Ro 2014/12/0023, erst nach sehr ausführlichen Erörterungen zum Ergebnis kam, eine Verpflichtung des Klägers, die Leitung des teilrechtsfähigen Bereichs des Österreichischen Patentamts im Rahmen seiner Arbeitsplatzaufgaben als Beamter oder im Rahmen einer Nebentätigkeit für den Bund auszuüben, bestehe nicht.

Bei der vor dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs gemachten Aussage der Beklagten handelt es sich somit um eine ‑ vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckte - Interpretation, wie die Beklagte die Rechtslage betreffend ein Zweitgehalt des Präsidenten des Patentamts in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des teilrechtsfähigen Bereichs sieht. Der Hörer des Radiobeitrags versteht die Äußerung der Beklagten in dem Sinn, dass diese den Bezug eines Zweitgehalts durch den Präsidenten des Patentamts in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des teilrechtsfähigen Bereichs nach ihrer Interpretation für mit dem Gesetz nicht vereinbar hält.

Soweit in dieser wertenden Äußerung auch eine Tatsachenbehauptung zu sehen ist, weil sie auf eine entsprechende Tatsache ‑ hier einen Ansatz im Gesetz ‑ schließen lässt, also dem wiedergegebenden Werturteil entnommen werden kann, dass es von bestimmten Tatsachen ausgeht (RIS‑Justiz RS0031810), ist auf die allgemeine Rechtsprechung zu verweisen, wonach solche „konkludenten Tatsachenbehauptungen“ zwar nicht schrankenlos geäußert werden dürfen und kein massiver Wertungsexzess vorliegen darf (RIS‑Justiz RS0054817). Auch davon kann aber hier bei der Komplexität der Rechtslage und der Anordnung des § 58 Abs 3 PatentG nicht ausgegangen werden.

Somit erweist sich die Abweisung des Unterlassungsbegehrens durch das Erstgericht im Ergebnis als zutreffend. Wegen der Abweisung des Unterlassungsbegehrens muss auf das Widerrufsbegehren nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

2. Zur Revision des Klägers:

Der Kläger erklärte in seiner Berufung, Gegenstand der Klage sei nicht die Sachverhaltsdarstellung der Beklagten vom 22. 1. 2013. Er inkriminierte vielmehr Äußerungen der Beklagten, die in der Sendung „Abendjournal“ am 28. 1. 2013 im Radioprogramm „Ö1“ ausgestrahlt wurden.

Das Berufungsgericht hat aus diesem Vorbringen abgeleitet, der Vorwurf hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung werde vom Kläger nicht mehr aufrecht erhalten; mangels Äußerungen der Beklagten hinsichtlich der Wertpapierveranlagungen im Radiointerview sei die Abweisung dieses Teils des Klagebegehrens daher insoweit nicht zu überprüfen.

Dies stellt eine Beurteilung des Vorbringens im Einzelfall und keine vom Obersten Gerichtshof als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung dar (RIS‑Justiz RS0042828).

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