OGH 10ObS35/15t

OGH10ObS35/15t19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2015, GZ 10 Rs 14/15z‑25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. November 2014, GZ 41 Cgs 98/14s‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00035.15T.0519.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der am 17. August 1962 geborene Kläger hat den Beruf eines Wasserleitungsinstallateurs erlernt. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. Februar 2014) arbeitete er 175 Monate als Installateur.

Sanitär- und Klimatechniker im Bereich Gas- und Wasserinstallation sorgen dafür, dass in Wohnungen und Betrieben immer frisches Wasser und genügend Gas vorhanden ist. Sie planen und montieren entsprechende Anlagen und sorgen für die Ableitung und Entsorgung von Abgasen und Abwässern. Sie montieren Gasdurchlauferhitzer, Warmwasserspeicher, Gasherde, Gasheizgeräte und beraten ihre Kunden über energiesparende Techniken. Sie sind vor allem in Handwerksbetrieben der Gas- und Wasserinstallation, aber auch in Unternehmen der Gas- und Wasserversorgung sowie der Haus- und Versorgungstechnik beschäftigt. Ihre wichtigsten Tätigkeiten und Aufgabenbereiche sind die Kundenberatung, das Ausmessen von Räumen, das Skizzieren von Verlegeplänen, das Zuschneiden von Rohren mit Schneidbrenner, Säge oder Rohrschneider, das Biegen und Aushalsen von Rohrstücken, das Schneiden von Gewinden, das Verschrauben, Verschweißen, Löten und Kleben von Rohrleitungsteilen, das Fräsen von Mauer-, Boden‑ und Deckendurchbrüchen, das Verlegen und Abdichten von Rohren, das Zuschneiden, Abkanten, Biegen und Montieren von Blechen, der Einbau von Mess- und Regelgeräten, Pumpen, Entlüftern und Armaturen, die Durchführung von Dichtheitsprüfungen, das Anbringen von Wand- und Deckenbefestigungen für Geräte, Montage und Anschluss von Heizungs-, Warmwasser- und Wasseraufbereitungsanlagen und sanitären Einrichtungen wie Waschbecken, Duschen und Toiletten, das Installieren von Abwasserleitungen und Abgasleitungen und das Ausführen von Wartungs- und Reparaturarbeiten.

Aufgrund der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen ist der Kläger nicht mehr in der Lage, als (Gas- und) Wasserleitungsinstallateur zu arbeiten. Dasselbe gilt für den Beruf eines Zentralheizungsbauers, für alle Grobmetallarbeiten in Spezialbereichen, für die Betreuung von computergesteuerten Maschinen und Robotersystemen, für Tätigkeiten als Baustofffachmarktberater, Baustofffachverkäufer, Baustoffberater oder Baustoffproduktberater und für eine Tätigkeit als Qualitätsprüfer in Fachbereichen, in der er seine Kenntnisse und Fähigkeiten allumfassend einsetzen könnte, nämlich im Bereich der Erzeugung von Heizungsanlagen, Rohren oder Wasserbehältern.

Er ist noch in der Lage, als Qualitätsprüfer in Leichtgewichtsbereichen, konkret an bestimmten Arbeitsplätzen im Elektro- und Elektronikbereich oder in der Metallbearbeitung und -verarbeitung im Kleinteilbereich zu arbeiten, weil dabei keine kalkülsüberschreitenden Tätigkeiten anfallen.

Der primäre Aufgabenbereich von Qualitätsprüfern in diesen Leichtgewichtsbereichen ist der Nachweis vorgegebener Qualität, das heißt die Prüfung der Qualitätsnormen. Sie arbeiten unter anderem in der Werkstoffprüfung und wenden bestimmte Auswahlverfahren an, sorgen für die Einhaltung gesetzlicher oder freiwilliger Garantien (Qualitätsnormen) und die Umsetzung und Einhaltung von Zertifikaten (Qualitätsbestätigungen, die von bestimmten Institutionen ausgestellt werden). In den verschiedenen Teilbereichen der Prüfungen werden unterschiedliche Methoden angewandt. Unter anderem sind Werkstoffprüfungen notwendig, konkret zerstörungsfreie (Prüfungen, bei denen die Prüfstücke erhalten bleiben), zerstörende (Prüfungen, bei denen die Prüfstücke unbrauchbar gemacht werden), statische (Härte-, Zug- und Biegeversuche) oder dynamische (Schwingversuche). Da die Produktqualität von der Art der Produktion abhängt, kontrollieren Qualitätsprüfer die Qualität des Produktionsablaufs und der Vorprodukte (unter anderem Materialprüfungen) auf der einen und die der Endprodukte (Funktionstüchtigkeit und anderes) auf der anderen Seite. Daher werden Qualitätsprüfer oft auch als Qualitätskontrolleure, Kontrolleure, Werkstoff-, Material-, End- oder Fertigungsprüfer bezeichnet. Sie arbeiten teilweise manuell unter Einsatz von Messgeräten, der Umgang mit dem Computer wird aber immer wichtiger. Die Prüfgeräte werden automatisiert und technisch weiterentwickelt, was höhere Präzision und schnellere Messergebnisse ermöglicht.

Um als Qualitätsprüfer in den festgestellten Leichtgewichtsbereichen arbeiten zu können, ist zunächst eine entsprechende Ausbildung im technischen Bereich erforderlich. Mindestanforderung ist eine absolvierte Lehrausbildung in einem Metall-, Elektro- oder Elektronikberuf. Darüber hinaus sind technisches Verständnis, Reaktionsfähigkeit auf Innovationen, Flexibilität, Management- und Kommunikationsfähigkeit wichtig. Das notwendige Ausmaß dieser Fähigkeiten richtet sich nach der Position im Unternehmen, wobei durchschnittliche Fähigkeiten auf all diesen Gebieten neben dem vorhandenen Fachwissen im Regelfall ausreichen.

Der Kläger erfüllt durch seinen Lehrabschluss als Wasserleitungsinstallateur, somit in einem Metallberuf, die Mindestanforderung für eine Tätigkeit als Qualitätsprüfer in den festgestellten Leichtgewichtsbereichen. Er hat sich durch die Lehrausbildung und die anschließende einschlägige Berufstätigkeit auch Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet, die ihn als Qualitätsprüfer in diesen Leichtgewichtsbereichen verwendbar machen und die er in diesem Beruf verwerten kann. Eine Kerntätigkeit im Installateurs- und im Qualitätsprüferberuf ist das Lesen von Plänen. In diesem Bereich kann der Kläger sein als Wasserleitungsinstallateur erworbenes Wissen umfassend verwerten. Auch die Kenntnisse und Fähigkeiten hinsichtlich Metallbearbeitung und -verarbeitung, Montage und der technischen Zusammenhänge kann er verwerten. Die zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für den Qualitätsprüferberuf notwendig sind, insbesondere am Arbeitsplatz allenfalls erforderliche EDV-Kenntnisse, Reaktionsfähigkeit auf Innovationen, Flexibilität, Management- und Kommunikationsfähigkeit, kann er sich im Rahmen innerbetrieblicher Einschulungen in weniger als sechs Monaten aneignen.

Tatsächlich finden am Arbeitsmarkt gelernte Wasserleitungsinstallateure als Qualitätsprüfer in den festgestellten Leichtgewichtsbereichen Verwendung und werden als Facharbeiter für Maschinenbetreuung und Qualitätsprüfung entlohnt. Ungelernte Arbeiter können dagegen von vornherein nicht als Qualitätsprüfer arbeiten.

Mit Bescheid vom 15. April 2014 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 30. Jänner 2014 auf Gewährung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens von Invalidität ab.

Angesichts der Verweisbarkeit des Klägers auf die Tätigkeit eines Qualitätsprüfers in Leichtgewichtsbereichen, konkret an bestimmten Arbeitsplätzen im Elektro- und Elektronikbereich oder in der Metallbearbeitung und -verarbeitung im Kleinteilbereich, wies das Erstgericht das auf Gewährung der Invaliditätspension ab dem Stichtag 1. Februar 2014 gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Aufgrund der Feststellungen sei davon auszugehen, dass ein Kernbereich der Ausbildung des Klägers auch bei Ausübung der Teiltätigkeit eines Qualitätsprüfers in Leichtgewichtsbereichen verwertet werde und die Verweisungstätigkeit eine solche im erlernten Beruf darstelle. Die Tätigkeit als Qualitätsprüfer setze eine entsprechende Ausbildung im technischen Bereich voraus; Mindestanforderung sei eine absolvierte Lehrausbildung in einem Metall-, Elektro- oder Elektronikberuf. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die geforderte Nahebeziehung des ausgeübten Berufs zum Verweisungsberuf gegeben, zumal auch als Qualitätsprüfer tatsächlich Arbeitskräfte aus qualifizierten Berufen wie dem des Gas- und Wasserleitungsinstallateurs herangezogen würden. Diese Verweisungstätigkeit werde daher von solchen Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt auch üblicherweise verrichtet, wobei keineswegs nur das Lesen von Plänen, sondern auch weitere zentrale Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem Lehrberuf wie Metallbearbeitung und -verarbeitung, Montage und das Verständnis für technische Zusammenhänge verwertet werden können. Die Verweisung erfolge damit nicht auf einen fremden Beruf; ein Verlust des Berufsschutzes durch die Ausübung dieser Tätigkeit sei nicht zu befürchten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

In seiner außerordentlichen Revision stellt der Kläger in den Vordergrund, dass er durch eine Tätigkeit im genannten Verweisungsberuf seinen Berufsschutz verlieren würde, weshalb die von den Vorinstanzen vorgenommene Verweisung unzulässig sei. Die einzige Fähigkeit, die der Kläger aus seiner erlernten Tätigkeit für die Verweisungstätigkeit übernehmen könne, sei das Lesen von Plänen; allein das Ausüben dieser Teiltätigkeit sei aber nicht berufsschutzerhaltend, weil ihr nur eine untergeordnete Funktion im Gesamtbild des Berufs eines Wasserleitungsinstallateurs zukomme.

Damit lässt der Kläger aber unberücksichtigt, dass nach den Feststellungen nicht nur die Fähigkeit zum Lesen von Plänen im Verweisungsberuf verwertet werden kann, sondern auch weitere zentrale Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem Lehrberuf ‑ wie Metallbearbeitung und -verarbeitung, Montage und das Verständnis für technische Zusammenhänge ‑ verwertet werden können.

Die Frage, ob bestimmte Tätigkeiten als berufsschutzerhaltend angesehen werden können, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl 10 ObS 160/12w, SSV‑NF 26/83 = RIS‑Justiz RS0084497 [T26] mwN). Die Ansicht der Vorinstanzen, dass aufgrund der Verwandtschaft zwischen dem erlernten Beruf und dem Verweisungsberuf der Berufsschutz mit Ausübung der ‑ ebenfalls qualifizierten ‑ Verweisungstätigkeit nicht verloren geht, ist durchaus vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof im Einzelfall.

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte