European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0200OS00001.15W.0508.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Dr. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtverletzung (2a) und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (1, 2a, 2b) schuldig erkannt.
Dies weil er
1) Bewirtschaftungskosten seiner Eigentums-wohnung in der Katastralgemeinde H***** nicht vollständig bei Fälligkeit am 9. November 2012 bezahlte, sodass die Eigentümergemeinschaft über einen Betrag von 1.308,04 Euro sA zu AZ 29 C 474/12w des Bezirksgerichts Innsbruck einen Zahlungsbefehl erwirken und zu AZ 25 E 161/13s des Bezirksgerichts Linz Exekution führen musste, und dadurch gegen § 3 RL‑BA verstieß;
2a) die im Jahre 2009 zugunsten seiner Mandantin B***** Int Ltd bei ihm eingelangten Fremdgeldbeträge in Höhe von 31.681,25 Euro entgegen der Bestimmung des § 17 RL‑BA nicht an seine Mandantin ausfolgte, sondern einbehielt und diese Beträge entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 1 RAO nicht mit seiner Partei verrechnete, weshalb der Disziplinarbeschuldigte mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. April 2013, AZ 16 Hv 58/12v, bestätigt durch Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 9. September 2013, AZ 10 Bs 181/13h, wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB zu einer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen 6‑monatigen Freiheitsstrafe, verurteilt wurde;
2b) den im Zuge der zu 2a) genannten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung erfolgten Zuspruch an die Privatbeteiligte B***** Int Ltd in Höhe von 43.852,75 Euro, fällig mit 9. September 2013 aufgrund der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Linz, nicht erfüllte, sodass die Privatbeteiligte zu AZ 25 E 9115/13f des Bezirksgerichts Linz‑Land Exekution führen musste (wobei in diesem Exekutionsverfahren auch die P***** GmbH als Drittschuldnerin verständigt wurde), und somit gegen § 3 RL‑BA verstieß.
Über den Disziplinarbeschuldigten wurde hiefür unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 5. September 2011, AZ D 65/10 (DV 26/11) und AZ D 2/11 (DV 27/11), vom 21. Mai 2012, AZ 71/11 (DV 2/12) und vom 30. Mai 2011, AZ D 29/10 (DV 4/11), rechtskräftig mit Erkenntnis der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission vom 25. Juni 2012, AZ 9 Bkd 8/11, die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte verhängt.
Außerdem wurde der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 38 Abs 2 DSt schuldig erkannt, die Verfahrenskosten, deren Festsetzung der Höhe nach gemäß § 41 Abs 1 DSt einem gesonderten Beschluss vorbehalten blieb, zu ersetzen.
Lediglich gegen die Schuldsprüche 2a) und 2b) richtet sich die fristgerecht erhobene (dem Obersten Gerichtshof am 22. Jänner 2015 vorgelegte) Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen „unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ sowie wegen Strafe mit den Anträgen auf Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu auf Verhängung einer geringeren Disziplinarstrafe.
Der Kammeranwalt beantragte in seiner fristgerechten Gegenausführung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Der Verzicht des Disziplinarbeschuldigten auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe bedeutet, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird (§ 49 DSt), die demnach im DSt die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO meint (RIS‑Justiz RS0128656).
Zum Schuldspruch 2a) wendet die Berufung (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) ein, die durch den Disziplinarbeschuldigten tatsächlich erfolgte Verrechnung des bei ihm zugunsten seiner Mandantschaft B***** Int Ltd eingegangenen Fremdgeldbetrags mit eigenen Honoraransprüchen gegen die Unternehmensgruppe R***** wäre „unrichtigerweise“ nicht festgestellt worden. § 19 Abs 1 RAO berechtigt den Rechtsanwalt zwar, von den für seine Partei an ihn ergangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt ist, in Abzug zu bringen, verpflichtet den Rechtsanwalt aber gleichzeitig, sich hierüber sogleich mit seiner Partei zu verrechnen (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8, § 19 RAO Rz 1). Der bloße Umstand, dass der Berufungswerber Jahre verspätet verrechnete, ist somit hier rechtlich irrelevant (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398 f).
Davon abgesehen finden sich in ES 13 und 20 ohnehin die Feststellungen, dass der Berufungswerber am 31. Mai 2012 bzw am 9. September 2013 Verrechnungen vornahm. Berücksichtigt man, dass das vom Rechtsmittelwerber an seine Mandantschaft B***** Int Ltd nicht weitergeleitete Fremdgeld bei diesem bereits im Jahre 2009 eingegangen war (ES 2, 12 f, 15, 19), steht hiezu das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis, dass „entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 1 RAO bisher nicht mit seiner Partei verrechnet“ wurde (ES 2), nicht im Widerspruch (§ 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 437). Aus dieser Zeitabfolge ergibt sich, dass der Disziplinarbeschuldigte zwar nachträglich Honorarnoten legte, es entgegen § 19 Abs 1 RAO aber verabsäumte, unverzüglich mit seinem Mandanten zu verrechnen (RIS‑Justiz RS00055151, RS0107049, RS0055109, RS0055629 [T3]). Wegen der lange verspätet erfolgten Verrechnung kam der Frage einer hinreichend detailliert aufgeschlüsselten Honorarnote vom 9. September 2013 keine Entscheidungsrelevanz zu.
Zum Schuldspruch 2b vertritt die Berufung den Standpunkt (dSn Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO), dass die nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 9. September 2013 (mit dem ua der mit Urteil des Landesgerichts Linz zu AZ 16 Hv 58/12v zugunsten der B***** Int Ltd erfolgte Privatbeteiligtenzuspruch in Höhe von 43.852,75 Euro bestätigt wurde) erfolgte Aufrechnung mit Honorarforderungen ein Erlöschen der Forderung der B***** Int Ltd gegen den Berufungswerber bewirkt habe.
Als materiell‑rechtliche Rüge verfehlt der Berufungswerber das Festhalten am gegenteilig festgestellten Sachverhalt (ES 15, 17) und entzieht sich somit meritorischer Erwiderung (RIS‑Justiz RS0099810).
Die zu AZ 25 C 8/13k des Bezirksgerichts Linz vom Berufungswerber gegen die B***** Int Ltd eingebrachte Oppositionsklage wurde (wie aufgrund der in der Berufungsverhandlung vorgenommenen Verlesungen ergänzend festzustellen war) mit Urteil vom 24. April 2014 abgewiesen und der dagegen vom Disziplinarbeschuldigten erhobenen Berufung mit Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. November 2014, AZ 35 R 30/14f, der Erfolg versagt.
Die Berufung wegen Schuld verfehlt ihr Ziel sohin ‑ wie bereits die Generalprokuratur und der Kammeranwalt geltend machten ‑ zur Gänze.
Soweit die Strafberufung argumentiert, dass der Berufungswerber für seine Veruntreuung ohnedies „bereits gerichtlich mit einer Freiheitsstrafe bestraft“ worden sei, verkennt er das Wesen der Disziplinargerichtsbarkeit: Liegen einer strafgerichtlichen Verurteilung Verhaltensweisen eines Standesangehörigen zugrunde, von denen auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht, ist es ein legitimes Interesse der Standesgemeinschaft (hier: der Rechtsanwälte), in Wahrung des sogenannten „disziplinären Überhangs“ disziplinarrechtliche Reaktionen vorzubehalten. Dies ist ein eigener ‑ eine gesonderte disziplinäre Bestrafung rechtfertigender ‑ Aspekt, der auch grundrechtlich keinen Bedenken begegnet (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht8, 851).
Der Bedachtnahme des angefochtenen Erkenntnisses (§ 16 Abs 5 DSt) auf verurteilende Entscheidungen bis (zuletzt) Mai 2012 steht Delinquenz im November 2012 (Schuldspruch 1) und September 2013 (Schuldspruch 2b) entgegen (§ 31 Abs 1 StGB; vgl etwa Fabrizy , StGB 11 § 31 Rz 10a mwN). Da sich daraus kein Nachteil für den allein berufenden Disziplinarbeschuldigten ergibt, erübrigt sich ein Aufgreifen durch das Rechtsmittelgericht.
Aus diesen (daher richtig: Vor‑)Akten ergeben sich ua zwei massive Verstöße gegen Treuhänderpflichten zurückgehend bis 2006.
Im Lichte dieses belasteten Vorlebens (dem nur ein Teilgeständnis und Schadensgutmachung zu Schuldspruch 1 mildernd entgegenstehen) ist auch der Oberste Gerichtshof ‑ entgegen den bagatellisierenden Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten in der Berufungs-verhandlung ‑ der Ansicht, dass diesem Veruntreuer von Fremdgeld die gesetzliche Höchststrafe (§ 16 Abs 1 Z 4 DSt) gebührt.
Die durch verzögerte Aktenvorlage bewirkte überlange Dauer des Rechtsmittelverfahrens war als Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) lediglich festzustellen, eine Reduktion der nicht quantifizierbaren Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte (§ 34 Abs 2 StGB; RIS‑Justiz RS0114926) jedoch nicht möglich.
Der Berufung wegen Strafe war somit der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.
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