Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde die Angeklagte Mona G***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie am 7. Mai 2013 in K***** ihren Mitschüler Raphael H***** dadurch, dass sie ihm ein Messer mit circa 10 cm langer Klinge in den Bauch stieß, vorsätzlich zu töten versucht.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8, 10a, 11 lit b und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4), die Fotoaufnahmen einer Journalistin in der Hauptverhandlung als Verletzung des § 228 Abs 4 StPO reklamiert, steht nur ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 228 Abs 1 StPO), nicht jedoch ein Verstoß gegen das Verbot von Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen (§ 228 Abs 4 StPO) unter Nichtigkeitssanktion.
Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert, dass aus der Zusatzfrage nicht ersichtlich sei, „aus welchem Grund sich die Angeklagte in einer Notwehrsituation befunden“ habe. Dieses Vorbringen lässt offen, weshalb es bei der Abfassung von echten Zusatzfragen (§ 313 StPO) nicht genüge, jene im Gesetz angeführten Gründe anzugeben, welche den in Betracht kommenden Straflosigkeitsgrund in concreto zu begründen vermögen [„… nach dem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund … zu stellen“] und es einer weitergehenden Konkretisierung des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch über diese Zusatzfragen zugrunde zu legenden Sachverhalts bedürfe (RIS‑Justiz RS0117501; Schindler, WK‑StPO § 313 Rz 23; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 619, § 345 Rz 46).
Der Beantwortung der weiteren Fragenrüge ist voranzustellen, dass deren gesetzmäßige Ausführung die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragestellung und des sie indizierenden Tatsachensubstrats in der Hauptverhandlung samt Angabe der Fundstellen in den Akten verlangt (RIS‑Justiz RS0119418, RS0119417, RS0117447, RS0100860; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23). Diesen Kriterien entspricht das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht, die ohne Aktenbezug die Aufnahme einer „Tauglichkeitsprüfung sowie die Bestimmung der Ausführungsnähe nach § 15 Abs 2 StGB“ in die Schuldfrage fordert, ohne auszuführen, weshalb dies bei einem erfolgten Bauchstich indiziert sei.
Entgegen dem weiteren Vorbringen bleibt unerfindlich, weshalb zur Individualisierung der Tat, mit der die faktische Eindeutigkeit und Unverwechselbarkeit der Tatsachengrundlagen des Schuldspruchs zur Verhinderung der wiederholten Verurteilung wegen derselben Tat erzielt werden soll (Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 10; Schindler, WK‑StPO § 312 Rz 24), das „In‑den‑Schwitzkasten‑Nehmen“ der Angeklagten, die Dauer dieses Zustands und dessen mögliche Folgen sowie die Möglichkeit der gezielten Stichführung aus der Gefahrensituation und Position des „Schwitzkastens“ beschrieben hätten werden müssen.
Soweit sich das Vorbringen auf die Zusatzfrage nach Notwehr bezieht, wird auf die obigen Erläuterungen zu den Inhaltserfordernissen einer solchen Frage verwiesen.
Um den Geschworenen die Subsumtion des ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts zu ermöglichen und die Überprüfung dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren zu gewährleisten, sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt‑)Frage durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten zu konkretisieren (RIS‑Justiz RS0119082; Schindler, WK‑StPO § 312 Rz 24). Einer erschöpfenden Beschreibung des gesamten Geschehens in allen Einzelheiten bedarf es nicht; aus dem Wahrspruch müssen vielmehr lediglich schuldbezogene Elemente, die als erwiesen angenommen oder verneint worden sind, hervorkommen (RIS‑Justiz RS0100780 [T6], RS0100686). Weshalb es daher ‑ wie von der Beschwerdeführerin gefordert ‑ der Darstellung eines „vollständigen historischen Geschehens“ bedurft hätte, führt die Rüge nicht aus. Im Übrigen handelt es sich bei den in der Beschwerde genannten Begriffen nicht um wertausfüllungsbedürftige Begriffe (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 27 ff), die zur Beurteilung des Tatbestands des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB erforderlich sind.
Das Begehren nach einer weiteren Konkretisierung zur Beurteilung, „ob eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung (§ 15 Abs 2 StGB)“ vorliegt, ist angesichts des zugefügten Bauchstichs unverständlich und hält nicht an dem diese Tathandlung konstatierenden Wahrspruch fest (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 613, 581).
Bereits mangels eines die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags nach §§ 15 Abs 1, 76 StGB indizierenden konkreten Tatsachenvorbringens und der Nennung der bezughabenden Fundstellen in den Akten (RIS‑Justiz RS0119418, RS0119417, RS0117447, RS0100860) ist das Vorbringen der sich weder mit einer vorsätzlichen Tötung noch mit einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung verantwortenden Beschwerdeführerin (vgl ON 2 S 15 ff [insbes S 23], ON 6 S 5, ON 49 S 5 ff [insbes S 5]) unbeachtlich.
Gleiches gilt für das eine Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB vermissende Vorbringen, zumal auch Einlassungen fehlen, die auf eine freiwillige Tataufgabe hinweisen.
Die Instruktionsrüge (Z 8) bezeichnet die Rechtsbelehrung zur subjektiven Tatseite als unzutreffend. Sie gesteht zwar zu, dass die Begriffe „vorsätzlich“ und „fahrlässig“ erläutert wurden, bemängelt jedoch hinsichtlich der konkreten Fragestellung das Fehlen eines Hinweises auf die subjektive Tatseite der Angeklagten und verweist darauf, dass nach der Judikatur eine Belehrung über die subintelligierte Vorsatzform erforderlich sei. Damit übergeht sie die Ausführungen der Rechtsbelehrung, wonach, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur vorsätzliches Handeln strafbar ist (Rechtsbelehrung S 6) und für das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB bedingter Vorsatz erforderlich ist (Rechtsbelehrung S 9).
Mit dem Hinweis darauf, dass die Notwendigkeit der Gegenwehr nach objektiven Gesichtspunkten ex ante, also aus der dem Angegriffenen möglichen Perspektive, zu beurteilen ist, geht die Rechtsbelehrung dem Beschwerdevorbringen zuwider auch auf den für die Beurteilung der Notwehrsituation entscheidenden Zeitpunkt ein (Rechtsbelehrung S 16).
Soweit die Beschwerdeführerin Ausführungen zur Frage vermisst, wann von der Herbeiführung der Notwehrlage gesprochen werden kann, ist sie auf die Instruktion zu verweisen, wonach kein Notwehrrecht besteht, wenn die Herbeiführung einer Notlage gerade in der Absicht erfolgte, einen anderen kraft Notwehrrechts tätlich zu attackieren (Rechtsbelehrung S 16).
Dem weiteren Vorbringen zur Instruktionsrüge ist zu erwidern, dass die schriftliche Rechtsbelehrung nur eine Darlegung von Rechtsbegriffen zu enthalten hat (Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 10), ohne dabei auf unterschiedliche Rechtsmeinungen in Schrifttum und Lehre einzugehen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 60). Das Zurückführen der Tatbestandsmerkmale auf den zu beurteilenden konkreten Sachverhalt ist Aufgabe der nach § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden Besprechung (Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 16). Fallbezogene Ausführungen zur Bewaffnung der Beschwerdeführerin und zum konkreten Tatablauf waren somit der Besprechung gemäß § 323 Abs 2 StPO vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109476).
Da es sich bei dem Begriff „Im‑Schwitzkasten‑Befinden“ nicht um einen Rechtsbegriff handelt, wurde dieser zutreffend nicht in der Rechtsbelehrung erörtert.
Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO als Tatsachenrüge zielt darauf ab, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen gemäß § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO (iVm § 302 Abs 1 StPO) gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS‑Justiz RS0118780 [insbes T16]). Eine derartig qualifizierte Fehlentscheidung wird durch die Hinweise auf die Verantwortung der Beschwerdeführerin, die Aussagen der Zeugen und die Ausführungen der Sachverständigen Dr. Regina Ga***** sowie mit der Behauptung, dass sich die Beschwerdeführerin nur der notwendigen Verteidigung und des schonendsten und einzigen Mittels zur Abwehr eines Angriffs bedient habe, nicht dargetan.
Entgegen der Rechtsrüge (Z 11 lit b) erfasst dieser Nichtigkeitsgrund allein prozessuale Verfolgungshindernisse; ein materiell‑rechtlicher Aufhebungsgrund kann damit nicht geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0100197, RS0101411, RS0101421).
Mit dem Vorbringen der Rechtsrüge und der Subsumtionsrüge (Z 12) ist die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, dass die Erörterung aller aus den Verfahrensergebnissen resultierenden Rechtsfragen durch die Vorschriften über die Fragestellung (§§ 312 bis 316 StPO) sichergestellt ist (RIS‑Justiz RS0099909; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 614). Die zu § 281 Abs 1 Z 9 und 10 StPO entwickelte Judikatur zu Feststellungsmängeln ist daher auf Rügen gemäß § 345 Abs 1 Z 11 und 12 StPO nicht übertragbar. Indem sich die Beschwerdeführerin mit ihren materiell‑rechtlichen Rügen somit prozessordnungswidrig (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 613, 581) nicht an dem durch den Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Sachverhalt orientiert, sondern Feststellungen zu einer behaupteten Notwehrsituation bzw einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung vermisst, verfehlt sie das Anfechtungsziel dieser Rügen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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