OGH 5Ob30/15w

OGH5Ob30/15w28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. N*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. P*****, und die weiteren Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, und zwar 1. Mag. M*****, 2. Mag. S*****, 3. Y*****, 4. L*****, 5. H*****, 6. Dr. G*****, 7. Dr. M*****, vertreten durch die Neubauer & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 8. Mag. S*****, vertreten durch die Neubauer & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 9. B*****gesellschaft mbH, *****, 10. O*****, 11. H*****, 12. K*****, 13. Dr. F*****, 14. Dr. B*****, 15. E*****, 16. E*****, 17. Dr. C*****, wegen Durchsetzung der Pflichten des Verwalters (§ 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm §§ 20 Abs 3, 34 Abs 3 WEG), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. April 2014, AZ 38 R 97/14t‑57, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 30. Dezember 2013, AZ 37 MSch 11/11z‑51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00030.15W.0428.000

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird hinsichtlich der Abrechnung für das Jahr 2006 bestätigt. Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

An der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit dem Haus ***** ist Wohnungseigentum begründet. Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümerin, der Antragsgegner Verwalter dieser Liegenschaft.

Die Antragstellerin beantragt, dem Antragsgegner unter Androhung und Verhängung einer Geldstrafe im Ausmaß von zumindest 6.000 EUR aufzutragen, 1. „binnen 14 Tagen für die Kalenderjahre 2006 bis 2012 eine vollständige und richtige Abrechnung über die Aufwendungen der Liegenschaft [...], mit einer detaillierten Ausweisung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben zu legen, wobei im Einzelnen aufzugliedern sei, wofür und wem Zahlungen geleistet wurden und woher und von wem Geld eingenommen wurde, sowie entsprechende Hinweise auf die Belege anzufügen und diese Belege allesamt in einer Belegsammlung übersichtlich und geordnet aufzulegen sowie der Antragstellerin Einsichtnahme in die Belege zu gewähren,“ sowie 2. „binnen 14 Tagen die Abrechnung für die Kalenderjahre 2006 bis 2012 hinsichtlich der Liegenschaft zu ergänzen“. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass alle Abrechnungen seit dem Jahr 2002 hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit nicht den Anforderungen des § 20 Abs 3 WEG entsprechen würden. Die Abrechnungen seien insbesondere deshalb mangelhaft, weil der Aufteilungsschlüssel, der diesen Abrechnungen jeweils zugrunde gelegt worden sei, dem Wohnungseigentumsvertrag und zwei Nachträgen zum Wohnungseigentumsvertrag widerspreche und daher falsch sei.

Der Antragsgegner bestritt und wandte ein, der Anspruch der Wohnungseigentümer auf Rechnungslegung verjähre in drei Jahren ab dem Ende der Abrechnungsfrist, sodass der Antrag auf Rechnungslegung bis 2007 jedenfalls verfristet sei. Die gelegten Abrechnungen würden den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, er habe zu keinem Zeitpunkt verweigert, die für die Überprüfung der Abrechnung notwendigen Unterlagen zu übermitteln, Auskünfte zur Jahresabrechnung zu erteilen oder Kosten aufzuschlüsseln. Die als 7. Verfahrensbeteiligter und 8. Verfahrensbeteiligte bezeichneten Wohnungseigentümer brachten vor, dass der von der Antragstellerin gewünschte Berechnungsschlüssel falsch sei und einer Abrechnung nicht zu Grunde gelegt werden könne.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es traf (lediglich) Feststellungen im Zusammenhang mit der Übermittlung von Abrechnungsunterlagen und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass der Antrag für das Jahr 2006 gemäß § 34 Abs 1 letzter Satz WEG bereits verjährt sei. Der Antragsgegner habe die von der Antragstellerin in ihrem Antrag bemängelten Unterlagen für das Jahr 2009 bereits vor Antragstellung an diese übermittelt, der Antragsgegner habe auch Einsicht in die Belege gewährt. Dass weitere Unterlagen fehlten, habe nicht festgestellt werden können. Der von der Antragstellerin bemängelte Aufteilungsschlüssel sei keine Vorfrage für eine zu legende, ordentliche und richtige Abrechnung.

Das Rekursgericht gab dem ‑ auf die Rekursgründe der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten ‑ Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Die Antragstellerin begehre mit ihrem Antrag nicht die Feststellung der Zulässigkeit eines vereinbarten Aufteilungsschlüssels nach § 52 Abs 1 Z 9 WEG, sondern die Legung einer vollständigen und richtigen Abrechnung über die Aufwendungen der Liegenschaft. Dieser Antrag nach § 52 Abs 1 Z 6 iVm §§ 20, 34 WEG umfasse die Prüfung der Zulässigkeit eines vereinbarten Aufteilungsschlüssels nur in den von der Rechtsprechung vorgegebenen engen Grenzen. Ein an sich strittiger Aufteilungsschlüssel könne in diesem Verfahren keiner gesonderten Überprüfung zugeführt werden. Auf Grundlage der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen erscheine die Behauptung einer unrichtigen Verteilung der Liegenschaftsaufwendungen, abweichend von dem für die Liegenschaft „unstrittig geltenden“ Aufteilungsschlüssel, auch nicht nachvollziehbar.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ‑ als „Zulassungsvorstellung verbunden mit ordentlichen Revisionsrekurs“ bezeichnete, von den Vorinstanzen aber zutreffend (vgl RIS‑Justiz RS0123405, RS0110049 [T13, T20]) als solcher behandelte - außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie stellt den Antrag, den Sachbeschluss des Rekursgerichts ‑ nach Durchführung einer Revisionsverhandlung ‑ im Sinn einer Stattgebung des Antrags abzuändern. Hilfsweise stellt sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.

Der Antragsgegner beantragt in der vom Obersten Gerichtshof

freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Zum Antrag auf Durchführung einer Revisionsverhandlung:

Eine mündliche Verhandlung findet im Revisionsrekursverfahren nach dem Außerstreitgesetz nicht statt, weil der Oberste Gerichtshof auch hier nur über Rechtsfragen zu entscheiden hat und daher Beweisaufnahmen oder ‑ergänzungen nicht in Betracht kommen (RIS‑Justiz RS0043689 insbesondere [T4, T5]).

 

Zum Revis ionsrekurs:

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und teilweise berechtigt, weil dem Rekursgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

1.  Der Verwalter hat den Wohnungseigentümern nach den Regelungen des §   34   WEG eine ordentliche und richtige Abrechnung zu legen (§   20 Abs   3 WEG). Die Durchsetzung dieser Abrechnungspflicht des Verwalters ist in das wohnrechtliche Außerstreitverfahren verwiesen (§§   20 Abs   3, 34 Abs   3 iVm § 52 Abs   1 Z   6 WEG).

2.  Der Abrechnungsanspruch des Wohnungs-eigentümers verjährt in drei Jahren. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit der Fälligkeit der Abrechnung, also sechs Monate nach Ablauf der Abrechnungsperiode (§ 34 Abs 1 letzter Satz WEG). Gegenstand des am 31. Mai 2011 eingebrachten Antrags (und des Revisionsrekursverfahrens) ist nach wie vor auch die Abrechnung für das Jahr 2006. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt und die Antragstellerin sowohl in ihrem Rekurs als auch in ihrem Revisionsrekurs inhaltlich unbekämpft gelassen hat, ist der auf das Jahr 2006 bezogene Abrechnungsanspruch verjährt. Insoweit war der angefochtene Sachbeschluss des Rekursgerichts daher jedenfalls zu bestätigen.

3.  Zu den formellen und inhaltlichen Anforderungen, die an die Abrechnung zu stellen sind, liegt umfangreiche höchstgerichtliche Judikatur vor (RIS‑Justiz RS0117889, RS0119057, RS0019408). Die Abrechnung muss nicht nur ein rechnerisch richtiges, vollständiges und plausibles Zahlenwerk darstellen, sondern in seinen einzelnen Positionen auch den gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen des Rechtsverhältnisses zwischen Wohnungseigentümer und Verwalter entsprechen. Ergebnis der Abrechnung muss das tatsächlich Geschuldete sein (RIS‑Justiz RS0117889, RS0119057).

4.1  Die Antragstellerin hat im Verfahren vor dem Erstgericht als (inhaltliche) Unrichtigkeit der gelegten Abrechnungen geltend gemacht, dass der diesen jeweils zugrunde gelegte Aufteilungsschlüssel den Vereinbarungen im Wohnungseigentumsvertrag und den Nachträgen dazu widerspreche und daher falsch sei. Das Erstgericht vertrat unter Berufung auf zweitinstanzliche Rechtsprechung (LG ZRS Wien, 40   R   73/13a) die Auffassung, dass der Verteilungsschlüssel für die für das ganze Haus zu legende Jahresabrechnung ohne Bedeutung sei. Die gemäß § 34 Abs 4 WEG für jeden Miteigentümer individuell vorzunehmende Vorschreibung eines Fehlbetrags oder Gutschrift eines Überschussbetrags sei nicht (mehr) Gegenstand der Jahresabrechnung. Das Rekursgericht hat sich dieser Rechtsansicht zumindest im Ergebnis angeschlossen.

4.2  Der erkennende Senat hat zur Relevanz des Aufteilungsschlüssels im Verfahren zur Durchsetzung der Abrechnungspflicht allerdings bereits in seiner Entscheidung 5 Ob 11/14z klargestellt, dass die Abrechnung im Hinblick auf den Zweck der Abrechnungspflicht (vgl RIS‑Justiz RS0070610) derart gestaltet sein muss, dass der Wohnungseigentümer ihr auch entnehmen kann, ob die gesetzlichen Aufteilungsgrundsätze des §   32 Abs   1 WEG und/oder allfällige davon abweichende Vereinbarungen nach §   32 Abs   2 WEG beachtet wurden. Da in dem dort zu beurteilenden Fall die nach richtiger rechtlicher Beurteilung maßgeblichen Abrechnungsgrundsätze nicht oder falsch angewendet wurden, legte der erkennende Senat in seinem die Entscheidung der Vorinstanzen abändernden Spruch die richtigen Aufteilungsschlüssel und Abrechnungseinheiten auch bindend fest.

4.3  Dass die Richtigkeit der Abrechnung insbesondere voraussetzt, dass das „Abrechnungsergebnis“ entsprechend den für die Liegenschaft (und/oder für abweichende Abrechnungseinheiten) geltenden Verteilungsschlüsseln richtig verteilt ist, entspricht auch der einhelligen Auffassung im

Schrifttum ( Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II 22 § 34 WEG Rz 7; E.M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 § 34 Rz 20; Thunhart , Die Überprüfung der Jahresabrechnung auf ihre Richtigkeit (§ 34 Abs 3 WEG, wobl 2012, 45).

5.  Die Beurteilung der Richtigkeit der den jeweiligen Jahresabrechnungen zugrunde gelegten Verteilungsgrundsätze ist hier auf Basis der bestehenden Sachverhaltsgrundlage noch nicht möglich. Das Erstgericht hat ‑ ausgehend von seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht ‑ zu der von der Antragstellerin behaupteten Vereinbarung nach § 32 Abs 2 WEG und deren Umsetzung durch den Antragsgegner keine Feststellungen getroffen. Dies zwingt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückweisung der Rechtssache in die erste Instanz (§ 70 Abs 3 AußStrG).

6.  Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Vor Fällung der endgültigen Sachentscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand kann eine Kostenentscheidung nach Billigkeit nicht erfolgen (RIS‑Justiz RS0123011]).

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