European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00064.15P.0422.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Die minderjährigen Antragsteller sind Enkel und eingeantwortete Miterben nach ihrem verstorbenen Großvater. Sie begehren die pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer gegen die vier anderen Miterben gerichteten Erbteilungsklage. Mit dieser Klage soll das Miteigentum der Erbengemeinschaft an sechs Liegenschaften durch Zivilteilung, hilfsweise durch die Begründung von Wohnungseigentum aufgehoben werden.
Das Erstgericht versagte die pflegschaftsbehördliche Genehmigung. Es stellte fest, dass die Erhebung der beabsichtigten Erbteilungsklage nicht zur Vermehrung des Vermögens der Kinder führen wird. Es konnte nicht feststellen, dass eine (erfolgreiche) Klage gegenüber der Beibehaltung der Miteigentumsverhältnisse für die Antragsteller vorteilhafter wäre. Mit der Klage könnten erhebliche Mehrkosten für die Antragsteller verbunden sein. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass die beabsichtigte Klagsführung nicht dem Kindeswohl entspreche. Eine Vermögensminderung sei nicht auszuschließen, während es im Erfolgsfall nur dazu kommen würde, dass die Antragsteller über die dem Wert ihrer Anteile entsprechenden Bargeldbeträge verfügen könnten.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Bei einer beabsichtigten Klagsführung sei darauf abzustellen, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klagsweg beschreiten würde. Neben der Wahrscheinlichkeit des Prozesserfolgs sei auch zu beurteilen, ob die angestrebte Zivilteilung im Interesse der Pflegebefohlenen stehe. § 223 ABGB zeige, dass Grundbesitz die dauerhafteste und sicherste Vermögensanlage sei, weshalb sie dem Minderjährigen grundsätzlich zu verbleiben habe. Die Antragsteller hätten nicht behauptet, dass die anfallenden Bewirtschaftungskosten nicht aus den Erträgnissen der Liegenschaften finanziert werden könnten. Das Argument, dass eine Begründung von Wohnungseigentum dem Wohl der Pflegebefohlenen diene, könne hier nicht herangezogen werden, weil die Begründung von Wohnungseigentum nur als Eventualbegehren beantragt worden sei. Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden könne, ob die Voraussetzungen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vorliegen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller, mit denen sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im stattgebenden Sinn, hilfsweise die Aufhebung beantragen, ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Ob die Voraussetzungen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vorliegen, kann immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0048176 [T2]; RS0097948). Auch die Frage, ob im Einzelfall eine Prozessführung im Interesse des Pflegebefohlenen liegt, ist eine Ermessensentscheidung (RIS‑Justiz RS0048207) und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0048207). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0044088), der hier allerdings nicht vorliegt.
2. Die auf die Aufhebung der Erbengemeinschaft gerichtete Erbteilungsklage ist ein Fall der Teilungsklage nach § 830 ABGB (2 Ob 41/11k mwN). Bei einer Teilungsklage ist der Eintritt der materiell‑rechtlichen Gestaltungswirkung ‑ nämlich die Aufhebung des Miteigentums ‑ an das Urteil geknüpft (RIS‑Justiz RS0113831). Mit einer erfolgreichen Teilungsklage sind somit materiell‑rechtliche Wirkungen verbunden. Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs ist hier nicht „einzig und allein“ zu prüfen, ob den Antragstellern unabhängig von ihrer Minderjährigkeit ein „unbedingter Teilungsanspruch“ nach § 830 ABGB zusteht. Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer Teilungsklage ist nämlich nicht nur davon abhängig, ob die Antragsteller ihren Teilungsanspruch nach § 830 ABGB gegen die übrigen Erben prozessual erfolgreich durchsetzen können. Vielmehr muss auch mitgeprüft werden, inwieweit sich eine erfolgreiche Klage auf die materiell‑rechtliche Stellung der Minderjährigen vorteilhaft auswirkt.
3. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit seinem Wohl entspricht. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird (vgl § 164 Abs 1 ABGB). Die angeführte Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0048176). Diese für Rechtsgeschäfte entwickelte Rechtsprechung ist wegen der materiell‑rechtlichen Urteilswirkungen von Teilungsklagen sinngemäß auch für deren Genehmigung anzuwenden.
4.1 Ebenso wie bei einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung (RIS‑Justiz RS0081747) muss das Gericht daher auch bei einer Teilungsklage prüfen, ob die angestrebte Zivilteilung (gerichtliche Versteigerung) zum offenbaren Vorteil des Minderjährigen dient, was nach dem Ermessen des Pflegschaftsgerichts unter Berücksichtigung aller Umstände ‑ auch der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse ‑ zu beurteilen ist. Grundsätzlich ist ein Grundbesitz die sicherste Anlage, die deshalb dem Minderjährigen ungeschmälert verbleiben soll (RIS‑Justiz RS0081749). Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend (vgl § 223 ABGB), wird bei Liegenschaften im Allgemeinen daher ein äußerst strenger Maßstab angelegt werden müssen, um das unbewegliche Vermögen des Mündels seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung wegen zu erhalten (RIS‑Justiz RS0081749; RS0081747). Daran haben die Vorinstanzen in vertretbarer Weise angeknüpft.
4.2 Insoweit das Rechtsmittel von Streitigkeiten unter den Miteigentümern spricht, ist darauf zu verweisen, dass derzeit noch keine Schwierigkeiten in Bezug auf die Verwaltung der Liegenschaften bestehen, die mit finanziellen Einbußen einhergehen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass ein Verkauf zu Lasten der Kinder zur Vermeidung von (allfälligen) Auseinandersetzungen abzulehnen ist, bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur.
5. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in jedenfalls vertretbarer Weise davon ausgehen, dass kein offenbarer Vorteil im Sinne des § 223 ABGB vorliegt bzw die Klagsführung auch sonst nicht objektiv im wohlverstandenen Interesse der Antragsteller liegt (RIS‑Justiz RS0108029 [T8]), bewegen sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und überschreiten auch nicht den dem Pflegschaftsgericht zur Beurteilung der Interessen der Minderjährigen eingeräumten Ermessensspielraum (RIS‑Justiz RS0048207).
6. Auch mit dem Hinweis auf das Eventualbegehren der beabsichtigten Klagsführung zeigen die Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Vertretungshandlungen dürfen in der vorgelegten Form nur genehmigt, nicht aber abgeändert werden (RIS‑Justiz RS0048113), weshalb nur auf das Hauptbegehren, nicht aber auf das (nur für den Fall des Unterliegens des Antrags auf Zivilteilung gestellte) Eventualbegehren abzustellen ist. Ungeachtet des auf Einräumung von Wohnungseigentum gerichteten Eventualbegehrens muss nämlich bei einer Genehmigung der Klage mit dem jetzigen Inhalt in Betracht gezogen werden, dass das Hauptbegehren auf Zivilteilung erfolgreich durchgesetzt wird.
7. Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt daher keine unvertretbare Fehlbeurteilung auf, weshalb er zurückzuweisen ist.
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