OGH 13Os18/15v

OGH13Os18/15v15.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Gerhard S***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen des Angeklagten Dipl.‑Ing. A***** und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 10. November 2014, GZ 10 Hv 33/13v‑113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00018.15V.0415.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Dipl.‑Ing. A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard S***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und § 13 FinStrG aF (A/I/1, A/II/1 und A/II/3), nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (A/I/2 und A/II/4) sowie nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (A/II/2), Dipl.‑Ing. A***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (B/1), nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (B/2) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG aF (B/3) schuldig erkannt.

Danach hat, soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung, Dipl.‑Ing. A***** als faktischer Geschäftsführer der H***** GmbH im einverständlichen Zusammenwirken (§ 11 erster Fall FinStrG) mit Gerhard S***** vorsätzlich gewerbsmäßig

1) für die Monate August 2006 bis Juni 2007 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuer um insgesamt 35.942,33 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten,

2) für die Monate September 2006 bis Dezember 2006 unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ und Wahrheitspflichten Verkürzungen an Kapitalertragsteuer um insgesamt 13.583,33 Euro bewirkt und

3) für die Monate September 2006 bis Dezember 2006 unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen an Lohnsteuer um insgesamt 5.403,81 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung erhoben der Angeklagte Dipl.‑Ing. A***** und die Finanzstrafbehörde Nichtigkeitsbeschwerde.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde :

Die Finanzstrafbehörde meldete die Beschwerde am 13. November 2014 ‑ also rechtzeitig (§ 284 Abs 1 StPO) ‑ an (ON 177 S 1), führte sie aber innerhalb der vierwöchigen Frist des § 285 Abs 1 erster Satz StPO nicht aus. Da die Finanzstrafbehörde auch bei der Anmeldung die Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnete (siehe ON 117), war ihre Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.‑Ing. A*****:

Die aus Z 4, 5, (richtig) 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung mehrerer Beweisanträge (ON 112 S 13 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt:

Der Antrag auf Vernehmung der Carmen R***** als Zeugin zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer „den ihm zur Last gelegten Tatbestand in keinster Weise erfüllt“ und er „mit Personalangelegenheiten, insbesondere Begründung oder Auflösung von Arbeits‑/Dienstverhältnissen, Lohnzahlungen oder beispielsweise der Erstellung von Steuererklärungen und damit korrespondierenden Zahlungen nichts zu tun“ gehabt habe (ON 112 S 13 iVm ON 106 S 9), ließ nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS‑Justiz RS0118444).

Das darüber hinausgehende Antragsvorbringen bezog sich nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände.

Erkundungsbeweisführung wurde auch mit dem Antrag auf Vernehmung des Finanzbeamten Erich G***** als Zeugen (ON 112 S 13 iVm ON 106 S 9) angestrebt. Dieser Beweisantrag zielte ersichtlich auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Manfred K***** (vgl US 14), legte aber nicht dar, warum anzunehmen sei, dass Manfred K***** gegenüber Erich G***** andere Aussagen getätigt habe als gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten und dem erkennenden Gericht.

Der Antrag auf Vernehmung des Valton B***** als Zeugen (ON 112 S 13 iVm ON 106 S 9 f) stellte keinen Konnex zu schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Umständen her (siehe aber § 55 Abs 2 Z 1 und 2 StPO).

Weshalb die Konfrontation der Zeugen Miroslav M*****, Anke O***** und Manfred K***** mit von der Verteidigung vorgelegten Urkunden hätte erweisen sollen, dass diese Zeugen „vor Gericht die Unwahrheit gesagt“ hätten, legte der auf deren neuerliche Vernehmung gerichtete Antrag (ON 112 S 13 iVm ON 106 S 10) nicht dar, aus welchem Grund auch er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte.

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Indem die Mängelrüge (Z 5) die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer im Tatzeitraum faktischer Geschäftsführer der H***** GmbH gewesen ist (US 11), als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) bezeichnet, ohne auf die diesbezügliche Beweiswürdigung (US 14) einzugehen, verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (12 Os 36/04 ÖJZ‑LSK 2005/34; RIS‑Justiz RS0119370).

Soweit die Beschwerde aus den Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitet als die Tatrichter, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen deren Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Die den Beschwerdeführer entlastenden Angaben der Zeugen Anke O***** und Mag. Bernhard E***** erörterte (Z 5 zweiter Fall) das Erstgericht sehr wohl (US 15).

Inwieweit die von der Verteidigung vorgelegten, von Mag. E***** verfassten Urkunden eine darüber hinausgehende Erörterungspflicht begründet haben sollen, legt die Beschwerde nicht dar.

Entsprechendes gilt für den Hinweis auf die Aussagen des Zeugen Miroslav M*****, der nicht erkennen lässt, inwiefern diese den Feststellungen über entscheidende Tatsachen entgegenstehen sollen.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (12 Os 120/04 ÖJZ‑LSK 2005/97; RIS‑Justiz RS0119583). Mit dem Hinweis auf Verfahrensergebnisse, die in abstracto auch für den Beschwerdeführer günstige Schlussfolgerungen zulassen, gelingt es der Beschwerde nicht, derartige ‑ also in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes „erhebliche“ ‑ Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, warum die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12 f) die vorgenommene Subsumtion nicht tragen sollen, und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (12 Os 52/02 SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Mit dem Einwand, das Erstgericht treffe zum Schuldspruch wegen Verkürzungen an Kapitalertragsteuer (B/2) keine hinreichenden Feststellungen zur Annahme verdeckter Gewinnausschüttung, hält die Beschwerde nicht am Urteilssachverhalt fest und entfernt sich damit vom Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Ausgehend davon, dass das Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) herangezogen werden kann (RIS‑Justiz RS0116587), bringt die angefochtene Entscheidung insoweit nämlich mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die H***** GmbH (auch) in den Monaten September 2006 bis Dezember 2006 Gewinne (verdeckt) an Gerhard S***** ausschüttete und dadurch die Pflicht des Beschwerdeführers zur Anmeldung und Abfuhr der diesbezüglichen Kapitalertragsteuer auslöste (US 12 iVm US 3 f).

Mit der Behauptung, das Erstgericht treffe keine Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf die Verkürzung an Lohnsteuer (B/3), entfernt sich die Beschwerde einmal mehr vom Urteilssachverhalt (US 12 f).

Auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.‑Ing. A***** war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Das Erstgericht stellte entgegen § 53 Abs 4 zweiter Satz FinStrG nicht fest, dass mit der Verurteilung des Angeklagten Dipl.‑Ing. A***** nicht die Folgen einer gerichtlichen Verurteilung, sondern nur die einer Ahndung durch die Finanzstrafbehörde verbunden sind. Dieser Umstand begründet zwar keine Nichtigkeit, anlässlich der Endverfügung wird aber § 53 Abs 4 zweiter Satz FinStrG zu berücksichtigen sein (RIS‑Justiz RS0086886).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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