European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00021.15Z.0409.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der „Revisionsrekursbeantwortung“ (richtig: Rekursbeantwortung) wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt 8.500 EUR sA Schadenersatz für fünf Bilder, die sie im Lokal der Beklagten ausgestellt hatte und die dort abhanden gekommen waren. Zwischen ihr und der Beklagten sei ein „Verwahrungsvertrag“ zustande gekommen. Die für die Beklagte handelnde Person habe zumindest über Anscheinsvollmacht verfügt. Die Beklagte hafte für den Verlust der Bilder.
Die Beklagte bestreitet Grund und Höhe des Anspruchs. Es habe keine Vereinbarung zwischen den Parteien gegeben, der Klägerin sei nur aus Gefälligkeit das Ausstellen von Bildern ermöglicht worden. Dabei sei ihr von Anfang an mitgeteilt worden, dass keine Haftung übernommen werde. Die für die Beklagte handelnde Person sei nicht vertretungsbefugt gewesen, der Geschäftsführer der Beklagten habe den Abschluss eines Vertrags nicht genehmigt. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, wie sich der eingeklagte Betrag errechne.
Das Erstgericht beschloss in der vorbereitenden Tagsatzung, die Verhandlung auf die Frage der „Passivlegitimation“ einzuschränken. In der fortgesetzten Verhandlung wurde die Klägerin als Partei vernommen, wobei sie auch Angaben zum Wert der angeblich verschwundenen Bilder machte. Dabei verwies sie auf eine von ihr vorgelegte Preisliste. Nach Einvernahme des Geschäftsführers der Beklagten und der für diese handelnde Person schloss das Gericht die Verhandlung „hinsichtlich des Grundes des Anspruchs“ und gab bekannt, dass die Entscheidung schriftlich ergehen werde.
Trotz der Beschränkung auf den Grund des Anspruchs gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die für die Beklagte handelnde Person habe gegenüber der Klägerin den Eindruck erweckt, für Vereinbarungen mit Künstlern vertretungsbefugt zu sein, weswegen das Geschäft der Beklagten zuzurechnen sei. Es sei ein Leihvertrag zustande gekommen. Dem Entlehner obliege bei Verlust der Sache der Beweis der Schuldlosigkeit, diesen habe die Beklagte nicht angetreten. Zum Wert der Bilder sei den Angaben der Klägerin zu folgen, zumal die Beklagte diese nur unqualifiziert bestritten habe. Überdies seien die von der Klägerin angegebenen Preise „im Verhältnis zur Größe der Bilder angemessen“.
In der Berufung machte die Beklagte geltend, dass das Verfahren auf die „Passivlegitimation“ eingeschränkt gewesen sei. Über den Grund und die Höhe des Anspruchs sei daher nicht verhandelt worden. Die dennoch ergangene Entscheidung sei nichtig nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO; jedenfalls liege aber ein Verfahrensmangel vor, weil der Beklagten die Möglichkeit genommen worden sei, den behaupteten Wert der verschwundenen Bilder zu erörtern und dazu Fragen zu stellen. Die Beweislast für den Wert der Bilder treffe die Klägerin. Hätte das Gericht erörtert, dass es mangels qualifizierter Bestreitung von den Angaben der Klägerin ausgehe, hätte die Beklagte ein weiteres, in der Berufung konkret angeführtes Vorbringen erstattet. Rechtlich sei das Urteil verfehlt, weil den Feststellungen keine Grundlage für eine Anscheinsvollmacht entnommen werden könne.
Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil als nichtig auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu.
Der Beklagten sei es nach der Einschränkung der Verhandlung verwehrt gewesen, ein Vorbringen zu anderen Themen zu erstatten und insofern Fragen an Beweispersonen zu stellen. Dies verwirkliche den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Ein schlüssiges Zugeständnis in Bezug auf den Wert der Bilder liege nicht vor, weil die Beklagte darüber nicht habe Bescheid wissen müssen. Es habe daher ausgereicht, auf die Beweislast der Klägerin zu verweisen. Zumindest sei aber die Rüge der Berufung berechtigt, dass das Erstgericht die Annahme eines schlüssigen Zugeständnisses hätte erörtern müssen. Die Beklagte habe in der Berufung aufgezeigt, was sie in diesem Fall vorgebracht hätte; insofern hätte ein Beweisverfahren durchgeführt werden müssen. Die Qualifikation des (möglicherweise geschlossenen) Vertrags als Leihvertrag sei unbedenklich. Das Erstgericht habe aber keine ausreichenden Feststellungen zur Frage getroffen, ob die für die Beklagte handelnde Person tatsächlich über eine Anscheinsvollmacht verfügt habe. Dafür wären Handlungen des Geschäftsführers der Beklagten erforderlich gewesen, die einen Rückschluss auf die Erteilung von Vollmacht zuließen. Weiters fehlten Feststellungen zu einem Sorgfaltsverstoß der Beklagten und zum Wert der Bilder.
Der Rekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO auch dann verwirklicht sei, wenn die Partei zwar in der Verhandlung vertreten sei, diese aber auf bestimmte Streitpunkte beschränkt gewesen sei und in der Folge ein Urteil ergehe, das auch außerhalb dieser Beschränkung liegende Elemente berücksichtige.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein als „Revisionsrekurs“ bezeichneter Rekurs der Klägerin, mit dem sie eine Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO sei nur bei einem gänzlichen Ausschluss von der Verhandlung verwirklicht; das sei hier nicht der Fall gewesen. Zudem habe die Erstrichterin der Klägerin auch Fragen zum Wert der Bilder gestellt, ohne dass die Beklagte dies nach § 196 ZPO gerügt habe.
Die Beklagte beantragt, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Sie verweist auf die Richtigkeit des Aufhebungsbeschlusses; zudem habe ohnehin ein Verfahrensmangel vorgelegen, der ebenfalls zur Aufhebung führen musste.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht zulässig.
Die Klägerin bekämpft einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts. Bei ihrem Rechtsmittel handelt es sich daher um einen Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO, der (abgesehen vom formalen Erfordernis der Zulassung; RIS‑Justiz RS0043880) nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist. Eine solche stellt sich aber nur dann, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Frage abhängt. Die maßgebende ‑ dh vom Berufungsgericht oder vom Rechtsmittelwerber als erheblich bezeichnete ‑ Rechtsfrage muss daher präjudiziell für die Entscheidung sein ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 Rz 60 und § 519 Rz 106, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0088931); fehlende Relevanz schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (4 Ob 101/13a). An die Beurteilung der Erheblichkeit durch das Berufungsgericht ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht neben der Nichtigkeit auch einen primären Verfahrensmangel (Unterbleiben der Erörterung eines angeblichen Zugeständnisses zum Wert der Bilder) und mehrere sekundäre Feststellungsmängel (Anscheinsvollmacht, Sorgfaltsverstoß, Wert der Bilder) angenommen. Dazu äußert sich die Klägerin im Rechtsmittel nicht. Schon diese Mängel mussten aber zur Aufhebung des Ersturteils führen; eine Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht hätte angesichts der zum Großteil bereits vorliegenden Beweisergebnisse zu einem erheblichen Mehraufwand an Kosten geführt (§ 496 Abs 3 ZPO). Damit hat die Frage, ob die Vorgangsweise des Erstgerichts eine Nichtigkeit oder (mangels gänzlichen Ausschlusses von der Verhandlung) doch nur einen ‑ in der Berufung ohnehin gerügten ‑ Verfahrensmangel begründete, bloß theoretische Bedeutung.
Aus diesem Grund ist der Rekurs der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen. Da die Beklagte auf diese Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat, hat sie keinen Anspruch auf die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)