OGH 11Os44/15b

OGH11Os44/15b8.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Jeannine L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB, AZ 1 St 27/15z der Staatsanwaltschaft Graz (AZ 21 HR 20/15b des Landesgerichts für Strafsachen Graz), über die Grundrechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. März 2015, AZ 8 Bs 57/15s (ON 18 der Ermittlungsakten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00044.15B.0408.000

 

Spruch:

Jeannine L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Graz führt zu AZ 1 St 27/15z ein Verfahren zur Unterbringung der Jeannine L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB. In diesem Verfahren wurde die Genannte über Antrag der Staatsanwaltschaft zunächst am 4. Februar 2014 (ON 6) aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr und Tatausführungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und d StPO in Untersuchungshaft genommen und deren Fortsetzung aus denselben Haftgründen in einer Haftverhandlung am 18. Februar 2015 verfügt (ON 9).

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde der Betroffenen gegen die sodann am 24. Februar 2015 vom Landesgericht für Strafsachen Graz nach Abhaltung einer Haftverhandlung angeordnete vorläufige Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO aus den genannten Haftgründen (ON 12, 13) nicht Folge.

Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts steht Jeannine L***** im dringenden Verdacht, unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht, nachgenannte Personen durch gefährliche Drohungen mit dem Tod zu Handlungen zu nötigen versucht zu haben, und zwar

1. in B***** den für die Kanzlei ihres Sachwalters Dr. Michael Z***** tätigen Rechtsanwaltsanwärter Mag. Nikolay D*****

a) am 8. Jänner 2015 zur Aufhebung der Sperre ihrer Konten durch die telefonische Äußerung, wenn er die Kontosperre nicht aufhebe, werde sie nach B***** kommen und ihn umlegen;

b) am 3. Februar 2015 zur sofortigen Geldüberweisung auf ein von ihr zuvor eingerichtetes Konto bei der B***** durch die „teils direkt“ (gegenüber D*****), „teils indirekt“ (gegenüber der Kanzleimitarbeiterin Ivona K*****) getätigten telefonischen Äußerungen „wenn Sie mir das Geld nicht auf das B*****‑ Konto überweisen, dann komme ich nach B***** und steche Sie ab“ bzw sie wolle „in der nächsten Stunde einen Betrag von 250 Euro auf ihr Konto bei der B***** überwiesen haben“ und sollte dies bis zu ihrem Telefonat mit Herrn Direktor W***** bei der B***** G***** nicht der Fall sein, würde sie „nach K***** fahren und Mag. D***** in der Kanzlei erstechen“;

2. am 3. Februar 2015 in G***** Mitarbeiter der Pensionsversicherungsanstalt zur sofortigen Pensionsauszahlung durch die wiederholte Äußerung „Ich muss wohl jemanden umbringen, damit ihr was unternehmt“ bzw „Ich bringe euch alle um“ und „Wenn ihr nichts macht, muss ich halt wen umlegen“, wobei sie ihre Gewaltbereitschaft dadurch untermauerte, dass sie wild mit ihren Händen gestikulierte, auf die Genannten zustürmte, ihre Zahnprothese und einen mit Kleidung gefüllten Plastiksack nach ihnen warf sowie einen Mistkübel umtrat,

wobei ihr diese Taten außerhalb des geschilderten, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands als Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die Grundrechtsbeschwerde der Betroffenen.

Sie kritisiert die Annahme einer nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierten (mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten) Anlasstat im Sinn des § 21 Abs 1 StGB, indem sie sämtlichen „verbalen“ Drohungen der Betroffenen unter Hinweis auf das Fehlen eines tatsächlichen Waffengebrauchs die Eignung zur Einflößung begründeter Besorgnis in Bezug auf die angekündigte Tötung abspricht.

Die (Rechtsfrage; vgl RIS‑Justiz RS0092437 [T2]) der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnis in Bezug auf das angedrohte Übel einzuflößen, ist objektiv zu beurteilen, wobei in der Person des Bedrohten gelegene besondere Umstände mitzuberücksichtigen sind (objektiv-individueller Maßstab), es aber nicht darauf ankommt, ob die Drohung in dem Bedrohten tatsächlich Besorgnis erweckt hat (RIS-Justiz RS0092753; Schwaighofer in WK 2 StGB § 105 Rz 61 ff, 54 ff und § 106 Rz 2 ff; 14 Os 42/07v).

Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts waren die verbalen Todesdrohungen der wegen paranoider Schizophrenie unter Sachwalterschaft stehenden Betroffenen im konkreten Fall (jedenfalls) zu 1/b und 2 durch weitere, besonders besorgniserregende Umstände manifestiert, nämlich durch die im Tatzeitpunkt wiederholte und mit gesteigerter Aggressivität deklarierte und zu 2 überdies auch durch gewalttätiges Verhalten unterstrichene Tötungsbereitschaft zur zielgerichteten Durchsetzung vehementer Geldforderungen.

Da das Vorliegen sämtlicher Haft‑ (oder Anhaltungs‑)voraussetzungen schon hinsichtlich eines einzigen Tatvorwurfs genügt (vgl Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 38), wurde Jeannine L***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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