OGH 10ObS151/14z

OGH10ObS151/14z24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Sonja Fragner, Rechtsanwältin in Krems an der Donau, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 2014, GZ 10 Rs 75/14v‑21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. März 2014, GZ 40 Cgs 102/13w‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00151.14Z.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Begründung

Die Klägerin war unter anderem in der Zeit von 1. 11. 1996 bis 31. 3. 2013 als Pflegehelferin in der orthopädischen Abteilung eines Landesklinikums tätig.

Sie arbeitete laut Dienstvertrag 30 Stunden pro Woche und leistete keine Nachtdienste. Die Dienste erfolgten in unregelmäßigen Zeitfolgen nach einem Dienstplan in Zwölf‑Stunden‑ bzw Elf‑Stunden‑Schichten. Daneben wurden bei Bedarf Kurzdienste im Ausmaß von 4 Stunden geleistet. Alle zwei bis drei Monate erfolgte zusätzlich eine Besprechung im Ausmaß von zwei bis drei Stunden.

In keinem Kalendermonat leistete die Klägerin an mehr als 13 Arbeitstagen Dienste. Es konnte nicht festgestellt werden, dass von ihr Tätigkeiten in der Hospiz- oder Palliativmedizin ausgeübt wurden oder es sich bei dem überwiegenden Teil der Patienten regelmäßig um Personen gehandelt hätte, deren monatlicher Pflegebedarf 180 Stunden überschritten hätte bzw bei denen ein besonderer oder außergewöhnlicher Pflegeaufwand gegeben gewesen wäre.

Mit Bescheid vom 3. 5. 2013 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt fest, dass die am 10. 8. 1960 geborene Klägerin nach den österreichischen Rechtsvorschriften 380 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit und 64 Ersatzmonate erworben hat. Die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. 11. 1996 bis 31. 3. 2013 wurde abgelehnt.

Das Erstgericht wies die auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. 11. 1996 bis 31. 3. 2013 gerichtete Klage ab.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, dass keine Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vorliege, da die Klägerin nicht mit der Pflege Schwerstkranker in der Hospiz‑ oder Palliativmedizin oder der Langzeitpflege schwer pflegebedürftiger Personen befasst gewesen sei. Da sie weiters in den strittigen Zeiträumen in jedem Kalendermonat in einer Dauer von weniger als 15 Tagen Tätigkeiten unter körperlich besonders belastenden Bedingungen (§ 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV) erbracht habe, lägen auch keine Schwerarbeitsmonate im Sinne dieser Bestimmung vor (§ 4 SchwerarbeitsV iVm § 231 Z 1 lit a ASVG).

Das Berufungsgericht bestätigte diese Rechtsansicht. Das Abstellen auf eine bestimmte Mindestanzahl an Arbeitstagen mit Schwerarbeit pro Monat sei ein sachlich gerechtfertigtes Kriterium, verringere sich doch mit der Möglichkeit von Erholungsphasen zwischen den einzelnen Tagen der Schwerarbeit auch die Gesamtbelastung der Arbeit. Auf einen bestimmten Arbeitsenergieumsatz bezogen auf eine bestimmte tägliche Arbeitszeit komme es daher nicht an. Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erfordere nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine längerfristige Pflege von Patienten mit außergewöhnlichem Pflegebedarf.

Die Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass die Beurteilung des Vorliegens von Schwerarbeit im Sinn der SchwerarbeitsV bei 12‑Stunden‑Diensten im Pflegebereich in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS‑Justiz RS0112921; RS0112769). Dieser hat aber zwischenzeitig (nach Ergehen der Berufungsentscheidung) in der Entscheidung 10 ObS 2/15i vom 24. 2. 2015 zu den auch im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Rechtsfragen eingehend Stellung genommen:

1. Nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV gelten alle Tätigkeiten, die zur berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz‑ oder Palliativmedizin, als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (10 ObS 149/12b, SSV-NF 26/86), erfüllt nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit von Menschen mit besonderem Behandlungs‑ oder Pflegebedarf den Tatbestand, mag sie auch psychisch belastend sein. Neben der hospiz‑ oder palliativmedizinischen Pflege von Schwerstkranken erfasst die Bestimmung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG (Menschen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt und längerfristig [zumindest sechs Monate ‑ s § 4 Abs 1 BPGG] andauert, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist). Diese Tatbestandsvoraussetzungen hat die Revisionswerberin nicht erwiesen.

2. a) Der Ansicht, dass bei klarem und eindeutigem Überschreiten der Kaloriengrenze auch bei 8‑Stunden-Diensten und Vorliegen von mehr als 120 Monatsarbeitsstunden von einem Schwerarbeitsmonat auszugehen sei, obwohl das Erfordernis nach § 4 SchwerarbeitsV, dass zumindest an 15 Tagen im Kalendermonat Schwerarbeit geleistet werde, nicht erfüllt ist, kann nicht gefolgt werden. Wäre diese richtig, wären gegenüber Pflegerinnen in der Lage der Klägerin zB Pflegerinnen schlechter gestellt, die Schwerarbeit nicht nach § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV, sondern nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrags nur an 14 Tagen - insbesondere in 12‑Stunden‑Diensten - im Kalendermonat erbringen können. Hiefür gäbe es keine sachlich gerechtfertigte Begründung.

b) Aus der Anlage zur Schwerarbeitsverordnung, in der die Grundsätze der Feststellung körperlicher Schwerarbeit festgelegt werden, geht hervor, dass sich der Arbeitsenergieumsatz aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag ergibt. Es ist daher die Berücksichtigung des Energieumsatzes des ganzen Arbeitstags vorgesehen. Zwar wurde in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV bei der Festlegung der Energieumsatzgrenze der Bezug auf acht Stunden pro Arbeitstag als gesetzliche Normalarbeitszeit gewählt. Wenn jedoch tatsächlich längere Arbeitszeiten vorliegen, sind diese bei der Berechnung des Energieumsatzes entsprechend zu berücksichtigen. Im gleichen Maße wie eine „Einkürzung“ einer tatsächlich längeren Arbeitszeit auf einen 8‑Stunden‑Arbeitstag ausgeschlossen ist, ist aber auch eine „Ausdehnung“ im Sinn einer Übertragung von täglichen Arbeitszeiten auf andere Arbeitstage auszuschließen. Eine (fiktive) Verteilung der über dem Mindestmaß liegenden an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilokalorien (§ 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV) auf Tage, an denen Schwerarbeit nicht erbracht (insbesondere gar nicht gearbeitet) wird, verbietet sich daher ebenso wie eine stundenweise Aufteilung der an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilojoule. Dass § 4 SchwerarbeitsV nicht unsachlich ist, haben die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt.

Ob Schwerarbeit vorliegt, ist eine Rechts‑, nicht eine einem Sachverständigengutachten zugängliche Tatfrage.

3. Weitergehende Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO werden von der Klägerin nicht aufgezeigt, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit liegen nach dem Inhalt des Aktes nicht vor.

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