European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00002.15I.0224.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 23. 5. 2013 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt fest, dass die am 27. 1. 1959 geborene Klägerin nach den österreichischen Rechtsvorschriften 427 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit und 38 Ersatzmonate erworben hat, wovon die Zeit von 1. 7. 1994 bis 31. 8. 1998 und von 1. 9. 1999 bis 31. 10. 2000 als Schwerarbeitsmonate anerkannt wurden. Die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1. 9. 1998 bis 31. 8. 1999 und von 1. 11. 2000 bis 31. 3. 2013 wurde abgelehnt.
Das Erstgericht stellte die von der Klägerin erworbenen Versicherungsmonate der Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit in den Zeiträumen von 1. 7. 1994 bis 31. 8. 1998 und von 1. 9. 1999 bis 31. 10. 2000 ‑ rechtskräftig ‑ als Schwerarbeitszeiten im Sinne des § 607 Abs 14 ASVG in Verbindung mit der Schwerarbeitsverordnung fest, während es das Begehren auf Feststellung der in den Zeiträumen von 1. 9. 1998 bis 31. 8. 1999 und von 1. 11. 2000 bis 31. 3. 2013 erworbenen Versicherungszeiten der Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit als Schwerarbeitszeiten abwies.
Das Erstgericht traf in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch relevanten Zeiträume von 1. 9. 1998 bis 31. 8. 1999 und von 1. 11. 2000 bis 31. 3. 2013 folgende Feststellungen:
Die Klägerin war im gesamten Zeitraum als Pflegehelferin in der chirurgischen Abteilung eines Landesklinikums tätig.
Nach ihrem Dienstvertrag war sie zur Leistung von 30 Wochenstunden im Zeitraum von 1. 9. 1998 bis 31. 10. 2000, von 20 Wochenstunden im Zeitraum von 1. 11. 2000 bis 31. 10. 2004 und von 30 Wochenstunden ab 1. 11. 2004 verpflichtet.
Aus dem vom Dienstgeber vorgegebenen Dienstplan ergab sich, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten sie zu arbeiten hatte. Sie wurde im Allgemeinen zur Verrichtung von Tagdiensten herangezogen, die unter Einhaltung einer Pause von einer halben Stunde immer von 6:45 Uhr bis 18:45 Uhr desselben Tages dauerten. In geringerem Ausmaß wurde sie auch zu Nachtdiensten herangezogen, die jeweils von 18:45 Uhr bis 6:45 Uhr des folgenden Tages geleistet wurden. Im November 2010 verrichtete sie drei, im März 2011 fünf und im Juni 2011 drei Nachtdienste. Mehr als fünfmal im Monat leistete sie jedoch nie Dienste in den Nachtstunden (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr).
Für die Leistung eines Nachtdienstes wurden ihr zwei Stunden gutgeschrieben, sodass sie in diesem Ausmaß tatsächlich weniger Arbeitszeit verrichten musste.
Im Allgemeinen war sie in einem Kalendermonat für zwischen neun und elf Tagdienste oder Nachtdienste eingeteilt. An den anderen Tagen arbeitete die Klägerin nicht. An mehr als 13 Arbeitstagen leistete sie in keinem Kalendermonat derartige Dienste. Sie war in jedem Monat weniger als 15 Tage tätig. Die hospiz‑ oder palliativmedizinische Pflege schwerstkranker Patienten fiel nicht in ihren Aufgabenbereich. Fallweise kam es vor, dass auch ältere und bereits demente Patienten im Zusammenhang mit durchzuführenden Eingriffen, etwa nach Schenkelhalsfrakturen, auf der chirurgischen Station des Krankenhauses aufgenommen und von der Klägerin betreut wurden. Eine Langzeitpflege der Patienten war nicht durchzuführen. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich regelmäßig um Personen handelte, deren monatlicher Pflegebedarf 180 Stunden überschritten hätte oder bei denen ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand gegeben gewesen wäre.
Bei einem von der Klägerin verrichteten Dienst in der Dauer von zwölf Stunden ergibt sich ein Energieverbrauch von 10.092 Arbeitskilojoule (bei 11,5 Stunden: 9.672 Arbeitskilojoule). Umgelegt auf eine achtstündige Arbeitszeit ergibt dies einen Verbrauch von 6.728 Arbeitskilojoule und auf eine sechsstündige Arbeitszeit einen Verbrauch von 5.046 Arbeitskilojoule.
Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht zugrunde, dass die Klägerin in den strittigen Zeiträumen in jedem Kalendermonat in einer Dauer von weniger als 15 Tagen Tätigkeiten unter körperlich besonders belastenden Bedingungen (§ 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV) erbracht habe, sodass Schwerarbeitsmonate nicht vorliegen (§ 4 SchwerarbeitsV iVm § 231 Z 1 lit a ASVG).
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und bestätigte dessen Rechtsansicht. Das Abstellen auf eine bestimmte Mindestanzahl an Arbeitstagen mit Schwerarbeit pro Monat sei ein sachlich gerechtfertigtes Kriterium, verringere sich doch mit der Möglichkeit von Erholungsphasen zwischen den einzelnen Tagen der Schwerarbeit auch die Gesamtbelastung der Arbeit. Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erfordere nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine längerfristige Pflege von Patienten mit außergewöhnlichem Pflegebedarf.
Die Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass die Beurteilung des Vorliegens von Schwerarbeit im Sinn der SchwerarbeitsV bei 12‑Stunden‑Diensten im Pflegebereich in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgabe. Hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Schwerarbeit im Sinne des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erbracht. Nach dieser Bestimmung gelten alle Tätigkeiten, die zur berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs‑ oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz‑ oder Palliativmedizin, als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (10 ObS 149/12b, SSV‑NF 26/86), erfüllt nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit von Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf den Tatbestand, mag sie auch psychisch belastend sein. Neben der hospiz‑ oder palliativmedizinischen Pflege von Schwerstkranken erfasst die Bestimmung die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 BPGG (Menschen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt und längerfristig [zumindest sechs Monate ‑ s § 4 Abs 1 BPGG] andauert, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist). Diese Tatbestandsvoraussetzungen hat die Revisionswerberin nicht erwiesen.
2. Die Revisionswerberin meint, das Erfordernis nach § 4 SchwerarbeitsV, zumindest an 15 Tagen im Kalendermonat Schwerarbeit zu verrichten, sei bei 12‑Stunden‑Diensten besonders im Pflegebereich unsachlich und daher diskriminierend, könnten doch Pflegerinnen und Pfleger eine Verkürzung ihrer Dienste nicht erreichen. Es erscheine sachlich nicht gerechtfertigt, dass bei klarem und eindeutigem Überschreiten der Kaloriengrenze auch bei 8‑Stunden‑Diensten und Vorliegen von mehr als 120 Monatsarbeitsstunden keine Schwerarbeit (gemeint: kein Schwerarbeitsmonat) gegeben sein soll.
Dem ist zu erwidern:
a) Wäre die Ansicht der Revisionswerberin richtig, wären gegenüber Pflegerinnen in der Lage der Klägerin zB Pflegerinnen schlechter gestellt, die Schwerarbeit nicht nach § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV, sondern nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrags nur an 14 Tagen ‑ insbesondere in 12‑Stunden‑Diensten ‑ im Kalendermonat erbringen können. Hiefür gäbe es keine sachlich gerechtfertigte Begründung.
b) Aus der Anlage zur Schwerarbeitsverordnung, in der die Grundsätze der Feststellung körperlicher Schwerarbeit festgelegt werden, geht hervor, dass sich der Arbeitsenergieumsatz aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag ergibt. Es ist daher die Berücksichtigung des Energieumsatzes des ganzen Arbeitstages vorgesehen. Zwar wurde in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV bei der Festlegung der Energieumsatzgrenze der Bezug auf acht Stunden pro Arbeitstag als gesetzliche Normalarbeitszeit gewählt. Wenn jedoch tatsächlich längere Arbeitszeiten vorliegen, sind diese bei der Berechnung des Energieumsatzes entsprechend zu berücksichtigen. Die verhältnismäßige „Einkürzung“ einer tatsächlich längeren täglichen Arbeitszeit auf einen achtstündigen Arbeitstag ‑ und damit die Streichung von Zeiten mit beruflicher, körperlicher Belastung ‑ war nicht intendiert (10 ObS 95/14i mwN). Im gleichen Maße wie eine „Einkürzung“ einer tatsächlich längeren Arbeitszeit auf einen 8‑Stunden‑Arbeitstag ausgeschlossen ist, ist aber auch eine „Ausdehnung“ im Sinne einer Übertragung von täglichen Arbeitszeiten auf andere Arbeitstage auszuschließen. Eine (fiktive) Verteilung der über dem Mindestmaß liegenden an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilokalorien (§ 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV) auf Tage, an denen Schwerarbeit nicht erbracht (insbesondere gar nicht gearbeitet) wird, verbietet sich daher ebenso wie die der Revisionswerberin vorschwebende stundenweise Aufteilung der an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilojoule. Dass § 4 SchwerarbeitsV nicht unsachlich ist, haben die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit liegen nach dem Inhalt des Akts nicht vor.
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