OGH 5Ob11/15a

OGH5Ob11/15a24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers P*****, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin M*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, und die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse *****, 1. C*****, 2. A*****, 3. Mag. M*****, 4. M*****, 5. F*****, 6. W*****, 7. R*****, 8. I*****, 9. Dr. A*****, 10. C*****, 11. Dr. M*****, 12. S*****, 13. M*****, 14. Mag. V*****, 15. G*****, 16. Mag. J*****, 17. Mag. M*****, 18. D*****, 19. C*****, 20. L*****, 21. H*****, wegen § 52 Abs 1 Z 8 iVm § 21 Abs 3 WEGüber den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Oktober 2014, GZ 39 R 248/14f‑28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00011.15A.0324.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine solche Frage zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers nicht auf:

1. Ob ausreichende Gründe vorliegen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit- und Wohnungseigentümers aufzulösen, lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (RIS‑Justiz RS0111893). Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten des Verwalters als grobe Vernachlässigung seiner Pflicht zu werten ist, eröffnet dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum. Solange die Vorinstanzen ihre Entscheidung innerhalb dieses Beurteilungsspielraums treffen, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0042763).

2. Das Individualrecht auf Auflösung des Verwaltungsvertrags kann nur dann erfolgreich ausgeübt werden, wenn nach dem Verhalten des Verwalters begründete Bedenken gegen seine Treue- und Interessenwahrungspflicht bestehen. Es muss sich dabei um Gründe handeln, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung so gewichtig sind, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer nicht mehr gesichert ist (RIS‑Justiz RS0083249). Es bedarf einer gravierenden, die Vertrauensbasis zerstörenden Pflichtverletzung (RIS‑Justiz RS0083249 [T4]). Eine gegen diese Grundsätze verstoßende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die im Interesse der Rechtseinheit und Rechtssicherheit durch den Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf.

2.1 Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass die Antragsgegnerin durch vorbereitende und organisatorische Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Neufestsetzung von Nutzwerten zwar ihre Kompetenzen überschritten habe. Dieses Verhalten stelle jedoch ‑ entgegen der Ansicht des Erstgerichts ‑ keine so schwerwiegende Verletzung der Treue- und Interessenswahrungspflicht dar, dass sie deren Abberufung rechtfertige. Die Antragsgegnerin habe in Verkennung einer für Nichtjuristen nicht sofort durchschaubaren Rechtslage und in dem objektiv nachvollziehbaren Glauben gehandelt, in dieser Angelegenheit im Interesse der Mit‑ und Wohnungseigentümer einzuschreiten und als Verwalter auch einschreiten zu dürfen. Das Bestreben der Antragsgegnerin, den vermeintlichen Anspruch der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer auf Mitwirkung und Zustimmung auch des Antragstellers durch Beauftragung eines Rechtsanwalts und Androhung gerichtlicher Schritte durchzusetzen, sei nur eine weitere Folge dieser Verkennung der Rechtslage und des Kompetenzbereichs. Die Antragsgegnerin habe ihr Fehlverhalten im Verfahren auch zugestanden, sodass zukünftige Verfehlungen mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen seien.

2.2 Nach Auffassung des Revisionsrekurswerbers könne eine allfällige Unkenntnis der Rechtslage die Antragsgegnerin als konzessionierte Immobilienverwalterin nicht entlasten. Dem ist entgegen zu halten, dass nach der für die Beurteilung des Gewichts eines Pflichtverstoßes maßgeblichen allgemeinen Verkehrsauffassung die Verkennung der Rechtslage durch den Verwalter umso weniger eine die Vertrauensbasis zerstörende Pflichtverletzung bildet, je komplexer deren Beurteilung ist. Im vorliegenden Fall ist die Rechtslage in diesem Sinne durchaus komplex und deren Verkennung der Antragsgegnerin daher subjektiv nicht besonders vorwerfbar. Die von der Antragsgegnerin organisierte Neufestsetzung von Nutzwerten stellt zwar nach richtiger Ansicht keine Verwaltungshandlung sondern ‑ als substanzielle tatsächliche und rechtliche Änderungen der Gemeinschafts‑ oder Anteilsrechte ‑ einen Akt der Verfügung iSd § 828 ABGB dar (vgl RIS‑Justiz RS0109188 [insbesondere T17]; RS0117159; RS0120725). Dem Verwalter stehen solche die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft überschreitende Verfügungsakte nicht zu (5 Ob 20/01d). Dieser hat vielmehr nur in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung aus eigenem Antrieb tätig zu werden. Eine allgemeine Definition der ihn dabei treffenden Interessenswahrungspflicht nach § 20 Abs 1 WEG lässt sich aufgrund der Vielzahl der denkbaren Lebenssachverhalte allerdings nicht geben. Die Interessenswahrungspflicht kann sich oftmals nur aus den Umständen des Einzelfalls ergeben (RIS‑Justiz RS0117890). Fraglich ‑ weil dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen - ist insbesondere, inwieweit die Vorbereitung von Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung oder Verfügungs-maßnahmen vom Geschäftsbesorgungsauftrag des Verwalters gedeckt sein können, zumal in der Praxis ein starkes Bedürfnis der Wohnungseigentümer nach organisatorischer und rechtlicher Betreuung besteht (vgl E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 20 WEG Rz 16). In der Lehre vertritt etwa E. M. Hausmann (aaO) die Auffassung, der Verwalter könne im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens und der gemeinschaftsbezogenen Interessen der Wohnungseigentümer auch hier vorbereitend und organisatorisch tätig werden; eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung hiezu bestehe freilich ‑ schon in Anbetracht möglicher vorab absehbarer Interessenkonflikte innerhalb der Gemeinschaft ‑ nicht. E. M. Hausmann stützt sich dabei auf die Entscheidung 5 Ob 204/12d (RIS‑Justiz RS0128678), wonach eine nicht durch einen Eigentümerbeschluss gedeckte Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zwar an sich nicht pflichtgemäß sei und demnach nicht dem durch Gesetz festgelegten Auftrag einer ordentlichen Verwaltung entspreche (vgl RIS‑Justiz RS0013747 [T7]). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die technische Machbarkeit und den finanziellen Aufwand einer der außerordentlichen Verwaltung zuzuordnenden Baumaßnahme als solche sei aber (als Teil einer sachgerechten Vorbereitung der Beschlussfassung der Eigentümerversammlung) nicht als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zu qualifizieren, wenn die Einholung eines solchen Gutachtens nach naheliegenden Kriterien einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwaltung gerechtfertigt erscheine. Ein maßgebliches Kriterium hierfür sei ein präsentes und dokumentiertes Interesse eines beachtlichen Teils der Wohnungseigentümer an der betreffenden Maßnahme. Die Auffassung, dass diese Grundsätze ganz allgemein auch für Verfügungsmaßnahmen der Wohnungseigentümer vorbereitende und organisierende Tätigkeiten des Verwalters sinngemäß gelten und im vorliegenden Fall analoge Kriterien vorliegen, die der Antragsgegnerin die Tätigkeit als zweckmäßig und wirtschaftlich und damit als gerechtfertigt erscheinen lassen konnten, ist zumindest vertretbar.

2.3 Auch mit seiner Wertung, die Kompetenzüberschreitung sei als eine einzige fortgesetzte Pflichtverletzung anzusehen und den einzelnen Handlungsschritten, insbesondere der Beauftragung eines Rechtsanwalts und der Androhung gerichtlicher Schritte, sei daher in einer Gesamtschau weniger Gewicht beizumessen, verlässt das Rekursgericht den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers wiegt die vom Rekursgericht konstatierte Pflichtverletzung insbesondere nicht etwa deshalb besonders schwer, weil der Antragsteller die Antragsgegnerin durch seinen ausgewiesenen Rechtsfreund mehrfach auf ihr Fehlverhalten hingewiesen habe, sie dieses dennoch aufrecht gehalten und ihr Fehlverhalten auch noch im Verfahren erster Instanz massiv bestritten habe. In seiner Darstellung der angeblichen Uneinsichtigkeit der Antragsgegnerin übersieht der Revisionsrekurswerber nämlich, dass er der Antragsgegnerin primär (nur) zum Vorwurf gemacht hat, entgegen § 20 Abs 1 WEG nicht die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungs-eigentümer, sondern ausschließlich nur die Interessen einzelner Wohnungseigentümer gewahrt zu haben. Erstmals in der Verhandlung vom 25. April 2014 brachte der Antragsteller vor, dass sich die Befugnis des Verwalters nicht auf Anteilsübertragungen beziehe, sodass neben der Verletzung der Verpflichtung zur Interessenswahrnehmung auch eine Befugnisüberschreitung vorliege. Der Umstand, dass die (in dieser Verhandlung ohne den Antragsgegnervertreter einschreitende) Geschäftsführerin der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer nachfolgenden Einvernahme als Partei diesen Umstand als Fehlverhalten zugestand, rechtfertigt daher die positive Zukunftsprognose des Rekursgerichts sehr wohl. Daran ist auch festzuhalten, wenn man die vom Revisionsrekurswerber vermissten Feststellungen zur vorgerichtlichen Korrespondenz in die Beurteilung miteinbezieht.

3. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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