European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00006.15W.0320.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist die Revision des Klägers nicht verspätet. Maßgeblicher Zustellzeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Entscheidungen gemäß § 89d Abs 2 GOG ist der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, sohin im konkreten Fall der Zustellung des Berufungsurteils an den Kläger der 6. 11. 2014. Die am 4. 12. 2014 elektronisch eingebrachte Revision ist daher rechtzeitig (§ 505 Abs 2 ZPO).
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob ein Klagebegehren auf die Feststellung eines einzelnen Grenzpunktes und einer senkrecht darauf verlaufenden Linie gerichtet sein bzw daran ein rechtliches Interesse bestehen könne. Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil dem Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung im Einzelfall unterlaufen sei. Dem gegenüber bestritt die Revisionsgegnerin ausdrücklich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage.
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Die Zulässigkeit der Feststellungsklage beruht auf den Grundsätzen des Rechtsschutzbedürfnisses und der Prozessökonomie (RIS‑Justiz RS0039021 [T20, T21]). Ihr daraus abzuleitender Zweck ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht (RIS‑Justiz RS0037422; vgl RS0039080). Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für den Feststellungsanspruch (RIS‑Justiz RS0039177). Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses oder Rechtes ist, wenn dieses nicht offensichtlich oder erwiesen ist, vom Kläger zu behaupten und (erforderlichenfalls) zu beweisen (RIS‑Justiz RS0039239; RS0038969 [T4]). Das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung iSd § 228 ZPO richtet sich letztlich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, denen ‑ vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0039177 [T1]; zuletzt 6 Ob 210/14k).
Das rechtliche Interesse an dem noch in der Klage erhobenen Begehren auf Feststellung eines bestimmten Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken der Streitteile, gebildet durch eine gerade Linie zwischen zwei Punkten, begründete der Kläger damit, dass auf diese Weise klar gestellt werde, dass der Dachvorsprung seines Hauses entgegen der Behauptung (damals noch) der beiden Beklagten nicht auf deren Grundstück hineinrage, was andernfalls dazu führen könnte, dass er den Dachvorsprung entfernen müsste. In der mündlichen Verhandlung vom 6. 4. 2011 „präzisierte“ der Kläger sein Begehren dahin, dass „gegenüber den Beklagten als Eigentümer der Parzelle ... festgestellt werden möge, dass die Grundgrenze zu der ihm gehörenden Parzelle ... durch eine gerade Linie gebildet werde, die ausgehend vom Punkt B der Skizze Beilage ./D (Mauervorsprung nördlich) senkrecht bis zum Dach in einem Abstand von 17 cm zur zurückversetzten Mauer der Liegenschaft des Klägers verlaufe“ (ON 23 Seite 2).
In dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss vom 21. 1. 2013 wies das Berufungsgericht bereits darauf hin, dass das Klagebegehren nicht ausreichend bestimmt sei, weil es die Grenze durch eine „gerade Linie“ definiere, die „senkrecht bis zum Dach in einem Abstand von 17 cm zur zurückversetzten Mauer“ verlaufe, wobei der Begriff „senkrecht“ für „lotrecht“ bzw. „rechtwinkelig auf den Erdmittelpunkt“ gerichtet stehe. Da Grenzen jedoch am Boden gezogen würden, ergebe sich die genaue Lage der festzustellenden Grenze aus diesem Klagebegehren nicht (ON 64 Seite 7).
Daraufhin „modifizierte“ der Kläger sein Begehren in der mündlichen Verhandlung vom 5. 6. 2013 nochmals, und zwar diesmal dahin, dass „gegenüber dem Beklagten als Eigentümer der Parzelle ... festgestellt werde, dass die Grundgrenze zu der dem Kläger gehörigen Parzelle ... in lotrechter Hinsicht im Bereich der Straßenfront der Baulichkeiten zum Stadtgraben hin von Punkt 1 des Lageplanes des Dipl. Ing. H***** D***** vom 3. 1. 2012 zu GZ SV ***** senkrecht nach oben verlaufe“ (ON 70 Seite 2). Nach seinem Klagebegehren gehe es also nur darum, ob die Grenze zwischen den Streitparteien im Punkt 1 bestehe, dies lotrecht bzw senkrecht nach oben. Die Grenze in gerader Linie nach Osten verlaufend, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens und sei es auch nie gewesen (ON 70 Seite 5). Auch nach dem Einwand der Beklagten, dass der Kläger in seinem Begehren versuche, die Grundgrenze entgegen § 2 der Vermessungsverordnung punktförmig durch lotrechte Bezeichnungen zu definieren, brachte der Kläger erneut vor, dass nicht die Feststellung einer Grenze auf Erdniveau zwischen einzelnen Grenzpunkten begehrt werde, sondern lediglich die Feststellung, dass ein bestimmter Punkt einen Grenzpunkt darstelle und von dort lotrecht nach oben die Grenze verlaufe (ON 79 Seite 2).
Der Kläger will mit der finalen Fassung seiner „modifizierten“ Klage nicht (mehr) sein (ersessenes) Eigentumsrecht an einem bestimmten Grundstücksteil bzw einen konkreten Grenzverlauf zwischen den Grundstücken der Streitteile festgestellt haben, sondern lediglich, dass ein bestimmter Punkt ein Grenzpunkt zwischen diesen Grundstücken sei, von welchem ‑ so die Revision ‑ „die Grenze im Sinne des Aufeinandertreffens der Lufträume oberhalb der jeweiligen Grundstücke nach oben verlaufe“. Ein rechtliches Interesse an gerade dieser Feststellung ist aber weder klar ersichtlich noch hat der Kläger dazu ein geeignetes Vorbringen erstattet. Sein Vorbringen zum rechtlichen Interesse der Feststellungsklage bezog sich auf das ursprüngliche, noch auf die Feststellung eines bestimmten Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken der Streitteile erhobene Feststellungsbegehren (vgl dazu 1 Ob 628/95; RIS‑Justiz RS0011001). Mit der nunmehr begehrten reduzierten Feststellung eines einzigen Punkts als Grenzpunkt würde kein bestimmter strittiger Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken klärend festgestellt werden. Zwischen den Streitteilen wäre auch nach Stattgabe dieses Feststellungsbegehrens weiter strittig, ob der (nicht nur in einem einzigen Punkt bestehende) Dachvorsprung des Hauses des Klägers in den Luftraum des Grundstücks des Beklagten hineinragt. Dass grundsätzlich auch der Luftraum über einem Grundstück der Herrschaft des Liegenschaftseigentümers untersteht (9 Ob 32/02z mwN; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 297 Rz 14 ua), entspricht der Konzeption des ABGB (§ 297 ABGB; Eccher/Riss in KBB4 § 297 Rz 4 mwN). Es handelt sich dabei um eine ohnehin geregelte objektive Rechtslage, die nicht im Sinne des § 228 ZPO feststellungsfähig ist (Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4 § 228 Rz 5 mwN). Wenn das Berufungsgericht daher das Klagebegehren mangels rechtlichem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung abwies, so ist diese Entscheidung im Einzelfall nicht unvertretbar. Ihre Beurteilung begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung ausdrücklich hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979). Die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Streitgenossenzuschlags liegen nicht vor (§ 15 RATG).
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