OGH 12Os3/15f

OGH12Os3/15f5.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. August 2014, GZ 8 Hv 35/14g‑20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Rath zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00003.15F.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2./ und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:

Rudolf S***** wird vom Vorwurf, er habe am 17. März 2014 in P***** Katharina B***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Armbanduhr, weggenommen, gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach dem unberührten Schuldspruch weiterhin zur Last liegende Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB wird er nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf S***** ‑ abweichend von der auf das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gerichteten Anklage (ON 3) ‑ der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1./) und des Diebstahls nach § 127 StGB (2./) schuldig erkannt und dafür zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen á 30 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Danach hat er am 17. März 2014 in P***** seine/r Schwester Katharina B*****

1./ durch Versetzen mehrerer Schläge mit der flachen Hand vorsätzlich am Körper in Form einer Blutunterlaufung im Bereich der rechten Schulter, einer Kratzspur im Bereich der linken Wange und einer leichten Hautabschürfung im Bereich der linken Ellenbeuge verletzt;

2./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Armbanduhr, weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel.

Die Tatrichter gingen in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) davon aus, dass die Gewaltanwendung gegen Katharina B***** und die nachfolgende Wegnahme ihrer am Handgelenk getragenen Uhr von keinem Raubvorsatz des Angeklagten getragen waren. Diese Annahme stützten sie im Wesentlichen auf die Einlassung des Angeklagten (der seiner Schwester lediglich einen „Hund antun“ habe wollen) und auch darauf, dass eine „massive“ bzw „konzentrierte“ Gewaltanwendung durch „Drücken auf den Brustkorbbereich, verbunden mit einer Fixierung des Tatopfers“, nicht erfolgt sei (US 5, 6).

Der gegen die letzterwähnte Urteilsannahme mit dem Hinweis auf die Ausführungen der Sachverständigen (ON 19 S 17 f: nachzuvollziehen wäre lediglich ein „kurzfristiges Knien“ auf dem Brustkorb des Tatopfers) erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) trifft nicht zu. Denn dieser Nichtigkeitsgrund liegt nur bei unrichtiger Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln vor; aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden insoweit als Anfechtungsbasis aus (RIS‑Justiz RS0099431). Vielmehr bekämpft die Beschwerdeführerin mit eigenständigen Beweiswert-erwägungen, wonach Feststellungen betreffend die Ausübung „massiven Drucks“ auf das Tatopfer für eine anklagekonforme Verurteilung nicht erforderlich gewesen wären, bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ist das Erstgericht nicht verpflichtet, sich mit dem vollständigen Inhalt von Zeugenaussagen und von sonstigen Beweisen auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0106642). Daran geht die Beschwerde vorbei, die mit Hinweis auf Details der ‑ ohnedies gewürdigten ‑ Angaben des Tatopfers „Anhaltspunkte“ für ein gewaltsames Vorgehen des Angeklagten (auch noch) im Zeitpunkt der Sachwegnahme ortet.

Der Einwand, die Annahme von bloßem Körperverletzungsvorsatz und die Verneinung von Raubvorsatz hinsichtlich der anschließenden Sachwegnahme sei bei Vorliegen nur einer Auseinandersetzung „willkürlich und widerspreche jeglicher Lebenserfahrung“, richtet sich erneut unzulässig gegen die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Kritik an fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen) Konstatierung, wonach der Angeklagte ‑ nicht nur keine Gewalt, sondern auch ‑ keine „entsprechenden“ Drohungen „ausübte“ (US 7), kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil es unter dem Aspekt erfolgreicher Urteilsanfechtung nicht hinreicht, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der die andere rechtliche Beurteilung ermöglichenden (Negativ‑)Feststellungen aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (hier: Z 10 des § 281 Abs 1 StPO) geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0127315; RS0118580 [T17]).

Diesen Erfordernissen entspricht die ‑ ein „Aufziehen“ mit der Faust vor der Sachwegnahme ins Spiel bringende ‑ Beschwerde nicht, weil sie nicht einmal behauptet, dass der Einsatz einer „entsprechenden“ Drohung in einem (vorliegend auch keineswegs offensichtlichen) Kausalzusammenhang mit einer dadurch bewirkten Sachwegnahme (und nicht einer Abnötigung) durch den Angeklagten stehen soll (vgl Kienapfel/Schmoller BT II § 142 Rz 45 ff).

Wie der Vollständigkeit halber bemerkt sei, übergeht die Staatsanwaltschaft insoweit auch die (einer Sachwegnahme durch Drohung entgegen stehenden) Verfahrensergebnisse, wonach die Zeugin Katharina B***** den Angeklagten nach dem Versetzen von Schlägen und neuerlichem „Aufziehen“ der Faust angebettelt habe, dass er aufhören solle, was er dann tatsächlich auch gemacht habe. Erst „in weiterer Folge“ habe er ihr die Uhr vom Handgelenk gezogen (ON 10 S 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwalt-schaft war daher ‑ entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ zu verwerfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von nicht geltend gemachter Nichtigkeit (Z 9 lit c) zum Nachteil des Angeklagten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Bei Begehung eines Diebstahls (mit Ausnahme der in §§ 129 Z 4, 131 StGB genannten Fälle) zum Nachteil der (hier:) Schwester des Angeklagten greift ‑ worauf die Generalprokuratur zutreffend verweist ‑ die Privilegierung des § 166 Abs 1 StGB. Der Angeklagte wäre insoweit nur auf Verlangen der Katharina B***** zu verfolgen gewesen (§ 166 Abs 3 StGB).

Aufgrund des Fehlens der nach dem Gesetz erforderlichen Anklage war somit ‑ wie im Spruch ersichtlich ‑ mit Urteilskassation und in Betreff des Schuldspruchs 2./ mit Freispruch vorzugehen.

Bei der dadurch erforderlichen Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof sechs einschlägige Vorstrafen als erschwerend und keinen Umstand als mildernd.

Mit Blick auf diese Strafzumessungsgründe sah sich der Oberste Gerichtshof zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Monat veranlasst. Dabei war zu berücksichtigen, dass bis auf eine Ausnahme sämtliche Vorstrafen bereits länger als zehn Jahre zurück liegen.

Die (abermalige) Verhängung einer Geldstrafe kam jedoch nicht mehr in Betracht, weil diese Sanktionsform - wie die bisherigen Vorverurteilungen zeigen ‑ nicht genügte, der (sich erneut manifestierenden) Aggressions- und Gewaltbereitschaft des Angeklagten entgegen zu wirken.

Angesichts dieser Strafzumessungsfaktoren war auch die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe spezialpräventiv nicht mehr angezeigt.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

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