OGH 12Os157/14a

OGH12Os157/14a5.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christoph S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 28. Juli 2014, GZ 26 Hv 40/13g‑175, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00157.14A.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Christoph S***** und Dr. Wolfgang B***** von der Anklage, es haben

I./ Christoph S***** vom 29. März 2010 bis 1. April 2010 in B***** mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten, nämlich die S***** Tankstellen GmbH, durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der M***** GmbH & Co KG, der L***** GmbH und der O***** GmbH durch Verschweigen der Tatsache, dass er als Geschäftsführer der S***** Tankstellen GmbH am 1. April 2010 Konkursantrag stellen wird, also durch Täuschung über Tatsachen, zur Überlassung von Treibstoffen in nachangeführten Werten, somit zu Handlungen verleitet, die die genannten Unternehmen in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen schädigten, und zwar

a./ die M***** GmbH & Co KG im Betrag von 245.999,67 Euro,

b./ die L***** GmbH im Betrag von 729.068,65 Euro,

c./ die O***** GmbH im Betrag von 95.138 Euro;

II./ Dr. Wolfgang B***** im Zeitraum vom 25. Februar 2010 bis 1. April 2010 in F*****, R***** und anderen Orten zu den in Punkt I./ angeführten Taten des Christoph S***** dadurch beigetragen, dass er im Auftrag des Christoph S***** das Konzept einer „kontrollierten Insolvenz“ für die S***** Tankstellen GmbH entwarf und umsetzte, das das Verschweigen des geplanten Konkursantrags per 1. April 2010 gegenüber den Lieferanten vorsah, welche dadurch zur Überlassung der in Punkt I./ angeführten Treibstoffe verleitet wurden, im Wissen, dass diese Lieferungen in Folge des gestellten Konkursantrags nicht mehr bezahlt und zu Konkursforderungen werden,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (verfehlt auch von der rechtlichen Kategorie; vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge erblickt einen zur Feststellung des Wissens beider Angeklagter um den Zahlungsausfall der Lieferanten bzw die Einstellung der Lieferung durch diese im Falle einer Insolvenzeröffnung (US 8, 16) stehenden Widerspruch (Z 5 dritter Fall) in der Konstatierung, wonach sich die Angeklagten damit „nicht abfanden, dass die Treibstofflieferungen an die S***** Tankstellen GmbH nicht mehr bezahlt werden und dass dadurch die Lieferanten einen Schaden erleiden werden“ (US 16).

Ob zwei ‑ im Rahmen der Feststellungen getroffene ‑ Aussagen zueinander im Widerspruch stehen, also nach Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen unvereinbar sind, ist anhand der Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit und in ihrem Sinnzusammenhang zu beurteilen. Kann mit Blick auf die gesamten Urteilsgründe eine als Widerspruch gerügte Divergenz klarstellend aufgelöst werden, ist der Nichtigkeitsgrund nicht gegeben (RIS‑Justiz RS0099636, RS0117402 T17, RS0119089 T6; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 440). Eine solche Klarstellung liegt im gegenständlichen Fall vor, denn die Tatrichter haben den Schädigungsvorsatz der Angeklagten unmissverständlich schon deshalb verneint, weil sie ihrer Verantwortung folgend (mängelfrei begründet) davon ausgingen, dass die Einbringung eines Insolvenzantrags nur für den Fall in Erwägung gezogen wurde, dass weder das Geld des Investors eintrifft noch ein Banknachlass gewährt wird (US 21 f, 24, 28 f).

Bei ihrem weiteren Vorwurf fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) der getroffenen Negativfeststellung zum Bereicherungsvorsatz beider Angeklagter (US 16) übersieht die Rechtsmittelwerberin, dass auch diese Urteilskonstatierung darin Deckung findet, dass das Erstgericht der Einlassung der Angeklagten folgte, die schlussendlich schadenskausale und damit auch für die mögliche Annahme einer von ihrem zumindest bedingten Vorsatz umfassten unrechtmäßigen Bereicherung essentielle Insolvenzanmeldung lediglich für den Fall des Eintritts der oben angeführten Bedingungen vorgesehen zu haben, was eingehend (US 21 ff) und im Wesentlichen damit begründet wurde, dass sie erst am 1. April 2010 davon erfuhren, wonach von Seiten der V***** Vorarlberg ein Forderungsverzicht nicht gewährt wird (US 28).

Mit ihrem Vorbringen, infolge des anlässlich der Mängelrüge dargestellten vorgeblich unlösbaren Widerspruchs zum Schädigungsvorsatz ermangle es insoweit an Feststellungen zur subjektiven Tatseite, verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mangels Festhaltens an den ‑ wie dargestellt ‑ unmissverständlichen Konstatierungen des Erstgerichts den gerade darin gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Gründet das Gericht einen Freispruch auf die Verneinung einzelner Tatbestandselemente (in diesem Fall des Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatzes), ohne eine (positive) Aussage zu sämtlichen Tatbestandsmerkmalen zu treffen, setzt der Erfolg einer gegen den Freispruch erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde überdies voraus, dass nicht nur in Ansehung aller der Subsumtion entgegenstehenden Urteilsannahmen Begründungsmängel aufgezeigt werden, sondern in Bezug auf all jene Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält (vorliegend insbesondere zu einem zum Zeitpunkt der Bestellungen bestehenden Täuschungsvorsatz), unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4) Feststellungsmängel (Z 9 lit a) geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0127315, RS0118580 [T17]). Auch diesen Anforderungen entspricht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Stichworte