OGH 10Ob83/14z

OGH10Ob83/14z24.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau sowie Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J*****, vertreten durch Dr. Ladislav Margula, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. C*****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Oktober 2014, GZ 3 R 217/14d-21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00083.14Z.0224.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ‑ wie sie die Revisionswerberin mit der Behauptung mangelnder Auseinandersetzung mit der Beweisrüge geltend macht - wäre nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS-Justiz RS0007484). Davon kann hier aber keine Rede sein.

1.2 Auch die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist zu verneinen:

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS-Justiz RS0043150). Diesen Anforderungen hat das Berufungsgericht entsprochen, indem es die Beweiswürdigung des Erstgerichts als fehlerfrei und schlüssig erachtete, in Ansehung der Details auf die Ausführungen des Erstgerichts verwies (1 Ob 10/03g) und darüber hinaus festhielt, es genüge nicht, in der Beweisrüge den einzelnen Feststellungen lediglich Gegenbehauptungen entgegenzusetzen. Vom Revisionsgericht ist aber nicht zu überprüfen, ob eine vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung richtig oder fehlerhaft ist (RIS-Justiz RS0043150 [T5]), weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist. Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS-Justiz RS0043371 [T24]).

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist ein überwiegendes Verschulden eines der Ehegatten nach § 60 Abs 2 EheG nur dann auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich evident hervortritt und das mindere Verschulden fast völlig in den Hintergrund tritt (RIS-Justiz RS0057057; RS0057325). Ob dies der Fall ist bzw wie die beiderseitigen Verschuldensanteile zu gewichten sind, ist eine Frage des Einzelfalls ‑ die von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen ‑ die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigt (vgl RIS-Justiz RS0118125 ua).

2.2 Ausgehend von den Feststellungen zum Gesamtverhalten der Ehegatten vermag die Revisionswerberin in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, es liege ein gleichteiliges Verschulden der Parteien vor, eine unvertretbare Fehlbeurteilung nicht aufzuzeigen:

Zwar bildet ein freundschaftlicher Umgang mit einer Person des anderen Geschlechts keine Verletzung der ehelichen Treuepflicht (RIS-Justiz RS0056600). Ein solcher Umgang kann aber dann eine Eheverfehlung begründen, wenn er den Eindruck einer ehewidrigen Beziehung erweckt, etwa wenn ein Ehegatte sie dem anderen trotz ihrer über das Übliche hinausgehenden Intensität verheimlicht (RIS-Justiz RS0056466 [T3]). Selbst offengelegte Freundschaften können Eheverfehlungen sein, wenn sie gegen den Willen des Ehegatten aufrecht bleiben und geeignet sind, die Ehegatten einander zu entfremden oder eine bestehende Entfremdung zu vertiefen (RIS-Justiz RS0056290 [T2]).

Von dieser Rechtsprechung weicht die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht ab, die Beklagte habe den Grundstein für die Zerrüttung der Ehe dadurch gesetzt, dass sie die auch nach 2002 gepflogenen Kontakte zu H***** verheimlichte und diese jeweils erst nach Vorhalt zugab. Obwohl der Kläger H***** deswegen als „Störenfried“ empfand, sei die Beklagte dem regelmäßig geäußerten Wunsch des Klägers nach Abbruch dieses Kontakts mit der Begründung nicht nachgekommen, dies sei nicht notwendig, weil in ihren Augen „das Thema nicht zu besprechen sei“. Demgegenüber habe der Kläger die endgültige Zerrüttung der Ehe im Wesentlichen dadurch herbeigeführt, dass er keinen nachhaltigen Willen zeigte, die gemeinsam angestrebte Mediation fortzusetzen, sich gegenüber der Beklagten zunehmend interesselos und abweisend verhalten habe, die gemeinsame Freizeitgestaltung abgelehnt und die Beklagte bei ihrer Ordinationseröffnung nicht finanziell unterstützt habe. Ausgehend von diesen und den weiteren umfangreichen Feststellungen ist die Ansicht, es könne kein offenkundig hervortretender gradueller Unterschied im Verschulden der Ehegatten festgestellt werden bzw es sei nicht davon auszugehen, dass das mindere Verschulden eines Ehepartners fast völlig in den Hintergrund trete, jedenfalls vertretbar.

Die außerordentliche Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte