OGH 10Ob2/15i

OGH10Ob2/15i24.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Schramm, Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 13. November 2014, GZ 19 R 58/14m‑17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 7. August 2014, GZ 7 C 1493/13y‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00002.15I.0224.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist seit 1. August 2010 Mieterin eines 48 m² großen Geschäftslokals, das im Erdgeschoß eines im Eigentum der Klägerin stehenden Hauses gelegen ist; sie betreibt dort einen Friseursalon. Nach dem Mietvertrag vom 1. August 2010 wurde das Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Laut Punkt 2.2. kann das Mietverhältnis von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines jeden Kalenderhalbjahres gerichtlich aufgekündigt werden. Von Vermieterseite wurde auf das Kündigungsrecht auf die Dauer von drei Jahren verzichtet.

Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtswirksamkeit der gerichtlichen Aufkündigung vom 29. Oktober 2013. Da sich auf der Liegenschaft nur zwei selbständig vermietbare Objekte befänden, seien die Kündigungsschutzbestimmungen der §§ 30 ff MRG auf das Bestandverhältnis nicht anwendbar (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG), weshalb die Aufkündigung auch ohne Vorliegen wichtiger Gründe rechtswirksam sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf.

1. Ob ein „Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten“ (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG) vorliegt, entscheidet im Sinn der ständigen Rechtsprechung letztlich die Verkehrsauffassung (RIS-Justiz RS0079853). Neben den höchstens zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten dürfen keinerlei weitere, einer selbständigen Vermietbarkeit zugängliche Räume bestehen. Eine Ausnahme von dieser Regel wird für Räume gemacht, die - obwohl sie abgesondert vermietbar wären - üblicherweise zu einem Ein- oder Zweifamilienhaus (oder zu einer Geschäftsräumlichkeit) gehören (RIS-Justiz RS0112564 [T13]).

2. Als selbständige Wohnung im Sinne des § 1 Abs 2 Z 5 MRG ist ein nach der Verkehrsauffassung selbständiger und in sich baulich abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen, der geeignet ist, der Befriedigung eines individuellen Wohnungsbedürfnisses von Menschen zu dienen (RIS-Justiz RS0069338, zuletzt 9 Ob 43/12g). Als Wohnräume können Räume nur dann qualifiziert werden, wenn sie aufgrund ihrer bautechnischen und rechtlichen Gegebenheiten für die Verwendung zur Unterkunft und Haushaltsführung geeignet sind (vgl RIS-Justiz RS0069440 ua). Maßgebend für die Beurteilung, ob der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG vorliegt, ist der tatsächliche Zustand zum Zeitpunkt der Vermietung (RIS-Justiz RS0079363 [T1]).

3. Zu diesem Zeitpunkt waren im Nebengebäude zwei Zimmer mit Vorzimmer vorhanden, die über keinerlei Sanitäranlagen verfügten und nur über den Hof zugänglich waren. Die Beurteilung durch die Vorinstanzen, dass es sich dabei um keine selbständig vermietbaren Räume handelt und sie als Bestandteil eines Wohnungsverbandes anzusehen sind (RIS-Justiz RS0112564), ist durchaus vertretbar.

4. Mit den von der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision zitierten Entscheidungen hat sich das Berufungsgericht bereits im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt. Richtig ist, dass für die Beurteilung der Selbständigkeit von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten objektive Kriterien heranzuziehen sind und nicht Vorstellungen des Vermieters über die Nutzung. Davon ist das Berufungsgericht bei der Beurteilung, ob die weiteren Räume dem Wohnungsverband zugehören, aber nicht abgewichen, da es auf die Verkehrsauffassung abgestellt hat (siehe S 13 - 15 des Berufungsurteils).

Die außerordentliche Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

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