European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00223.14V.0217.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der zweitklagenden Partei wird mangels der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die erst‑ und zweitklagende Partei sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.567,25 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 427,87 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die erstklagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.762,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 233,34 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger ist Alleingeschäftsführer der Zweit‑ und der Drittklägerin, zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die an der gleichen Adresse ihren Sitz haben und im Elektronik‑Solarbereich tätig sind. Der Erstkläger ist überdies Alleingesellschafter der Drittklägerin, bis 19. Juli 2013 war eine weitere Person zu 35 % an der Drittklägerin beteiligt. Der Erstkläger ist überdies wirtschaftlicher Eigentümer der Zweitklägerin.
Der Beklagte ist Medieninhaber des ORF Rundfunkprogramms. Am 16. Juli 2013 strahlte er die von den Klägern beanstandete Sendung „Report“ aus, die seit 17. Juli 2013 auch online abrufbar war. In dieser Sendung wurde unter dem Titel „FPÖ Kärnten ‑ neue Vorwürfe“ von neuen Korruptionsvorwürfen gegen die Kärntner FPÖ gesprochen, es war von illegaler Parteifinanzierung, überhöhten Rechnungen oder Scheinrechnungen die Rede. Kärntner Regierungsbüros oder dem Land Kärnten zuzurechnende Einrichtungen, die freiheitlich geführt worden seien, hätten Aufträge erteilt, die dazugehörigen Rechnungen seien aus Steuergeld bezahlt worden. Die Rechnungen seien jedoch überhöht gewesen und ein Teil dieser Rechnungsbeträge sei zurück an die FPÖ Kärnten geflossen. Bei einer Kärntner Firma sei der namentlich genannte frühere Gesellschafter der Drittbeklagten zu 35 % beteiligt und in die Sache involviert gewesen. Erkennbar wurde, dass sich das Kamerateam auf die Suche nach dieser Person gemacht hat und am Sitz des Unternehmens, dessen Gesellschafter dieser Mann war oder ist, geöffnet wurde und von einer zwar „verpixelt“, aber doch erkennbar dargestellten Person (dem Erstkläger) die Auskunft erteilt wird, der Gesuchte sei nicht im Haus. Erwähnt wird, dass der Anwesende Geschäftsführer ist, dass er die Geschäftsbeziehung zu dem Gesuchten und in die verdächtigen Machenschaften verwickelten beendet und von den Geschäftsbeziehungen und den verdächtigen Absprachen nichts gewusst habe. Der Erstkläger ist in dieser Einstellung als „Unbekannter (privat)“ bezeichnet. Aufgenommen wurde sein Gesicht und der Oberkörper, als Person ist er wegen der nur geringfügigen Verpixelung erkennbar. Der weitere Beitrag beschäftigt sich nicht mehr mit dem Erstkläger, sondern nimmt auf das laufende Verfahren vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft Bezug und beschäftigt sich mit den Angaben und Vermutungen verschiedener Personen zu Hintergrund und Umfang der Geld(rück)flüsse.
Weder die Zweit‑ noch die Drittklägerin werden in dem Beitrag namentlich genannt, es wird bloß von einer „Lampenfirma in L***** im Bezirk S*****“ gesprochen. Die Firmenlogos oder Schilder werden großteils verpixelt wiedergegeben, sodass sie für Außenstehende nicht zu erkennen sind. Zwar scheint für einen kurzen Moment das Logo der Zweitklägerin auch unverpixelt am linken Bildrand auf, was aber nur bei gezielter Suche nach mehrfachem Betrachten der Wiedergabe erkennbar ist. Beim Betrachten der Sendung mit der üblichen durchschnittlichen Aufmerksamkeit wird der Betrachter durch das sonstige Bildgeschehen abgelenkt. Das Logo der Zweitklägerin ist daher nicht bewusst wahrzunehmen.
Die Kläger begehrten, dem Beklagten zu verbieten, a) Laufbilder und/oder Abbildungen des Erstklägers in der Art und Weise der Laufbilder/Abbildungen der Sendung „Report“ vom 16. Juli 2013 oder vergleichbare im Zusammenhang mit einem angeblichen Korruptionsskandal und/oder angeblicher illegaler Parteifinanzierung und/oder angeblichen überhöhten Rechnungen und/oder angeblichen Scheinrechnungen zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten; b) das Firmengebäude der Kläger wie auch die Nennung des Firmenstandorts der Kläger sowie das Logo der Zweitklägerin jeweils in der Art und Weise der Laufbilder/Abbildungen der Sendung „Report“ vom 16. Juli 2013 oder vergleichbare zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, und zwar jeweils im Zusammenhang mit einem angeblichen Korruptionsskandal und/oder angeblicher illegaler Parteifinanzierung und/oder angeblichen überhöhten Rechnungen und/oder angeblichen Scheinrechnungen. Der Erstkläger begehrte darüber hinaus die Feststellung, dass die Beklagte ihm für sämtliche aus der Veröffentlichung via Rundfunk wie auch via Website der Sendung „Report“ vom 16. Juli 2013 entstehenden Schäden hafte und darüber hinaus 4.300 EUR sA Schadenersatz.
Es sei zwar richtig, dass Scheinrechnungen an die Drittklägerin ergangen oder von ihr ausgestellt worden seien. Der Erstkläger sei in diese Vorgänge aber nicht involviert oder darüber informiert gewesen, er sei vielmehr von seinem ehemaligen Mitgesellschafter hintergangen worden. Die Zweit‑ und die Drittklägerin würden zwar in dem Report‑Beitrag nicht namentlich erwähnt, gesprochen werde aber von einer „Lampenfirma in L***** im Bezirk S*****“ und in diesem Zusammenhang davon, dass von dieser „und anderen Firmen“ ein näher genannter Mann Scheinrechnungen bekommen hätte. Das Firmengebäude sei mehrfach bildlich dargestellt worden. Auch das Logo der Zweitklägerin im Eingangsbereich sei trotz teilweiser Verpixelung erkennbar geblieben. Dieses Logo und das Firmengebäude seien weithin bekannt. Der Erstkläger sei gegen seinen Willen in der Sendung gezeigt worden. Er sei deutlich erkennbar gewesen und tatsächlich von vielen Personen erkannt und auf den negativen Sendungsinhalt angesprochen worden.
Der Beklagte wendete ein, der Kläger sei nicht namentlich genannt und nur verpixelt dargestellt worden. Ein Bezug zur Zweitklägerin werde überhaupt nicht hergestellt, diese sei daher nicht betroffen. Überdies habe der Beklagte lediglich wahrheitsgemäß berichtet. Auch der Erstkläger sei nicht betroffen, der Beitrag habe keinen kreditschädigenden oder ehrenrührigen Begleittext enthalten. Im Übrigen berief sich der Beklagte auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit und die Rolle der Medien als public watchdog. Eine Interessenabwägung habe jedenfalls zugunsten des Mediums zu erfolgen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Berechtigte Interessen der Kläger iSd § 78 UrhG seien nicht verletzt worden. Der beanstandete Beitrag gebe keinen Anlass zu Missdeutungen, wirke weder entwürdigend noch herabsetzend und beeinträchtige auch sonst das Fortkommen der Kläger nicht. Der Bericht habe vielmehr einen im Kern wahren Sachverhalt dargelegt.
Das Berufungsgericht gab dem vom Erstkläger erhobenen Unterlassungsbegehren statt, stellte die Haftung des Beklagten für dem Erstkläger zukünftig aus der Veröffentlichung via Rundfunk und Website der Sendung „Report“ vom 16. Juli 2013 entstehende Schäden fest und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 4.300 EUR sA an den Kläger; das von der Zweitklägerin erhobene, die Nennung des Firmenstandorts der Kläger sowie das Logo der Zweitklägerin betreffende, Unterlassungsbegehren wies das Berufungsgericht ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands für jeden Kläger 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zulässig sei.
Allein dadurch, dass der Erstkläger als Geschäftsführer eines Kärntner Unternehmens bildlich in einem Beitrag gezeigt werde, der Korruption, Parteifinanzierung und Scheinrechnungen in Kärnten behandle, werde ein Zusammenhang hergestellt. Zumindest bei einem Teil des Fernsehpublikums könne dabei durchaus der Verdacht entstehen, der Erstkläger habe mit den erhobenen Vorwürfen doch irgendetwas zu tun, auch wenn er selbst das Gegenteil behaupte. Der durchschnittliche Fernsehkonsument verfolge derartige Sendungen oft nicht sehr aufmerksam, der Fernseher laufe nur nebenbei, mitunter sogar ohne Ton, sodass die Wiedergabe des Bildes des Klägers, noch dazu in abwehrender und der Aufnahme ausdrücklich widersprechender Haltung, bei einem nicht unerheblichen Teil des Publikums durchaus Anlass zur Missdeutung geben könne, der Erstkläger sei doch in irgendeiner Form involviert. Er habe daher ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Bild nicht im Zusammenhang mit ‑ negativ besetzten ‑ Vorkommnissen gezeigt werde, mit denen er persönlich überhaupt nichts zu tun habe. Die gebotene Interessenabwägung schlage zugunsten des Erstklägers aus, weil der Beklagte überhaupt kein schützenswertes Interesse ins Treffen führen könne, das Bild eines Unbeteiligten im Zusammenhang mit dem Thema des Sendungsbeitrags zu zeigen. Allein seine Funktion als Geschäftsführer der ‑ tatsächlich involvierten ‑ Drittklägerin rechtfertige die Bildnisveröffentlichung nicht. Der Unterlassungsanspruch des Erstklägers sei daher berechtigt, darüber hinaus habe er nach § 87 Abs 1 und 2 UrhG Anspruch auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens. § 78 UrhG beziehe sich nur auf Bildnisse natürlicher Personen, der Unterlassungsanspruch des Erstklägers beschränke sich daher auf seine eigene Abbildung und erstrecke sich nicht auf das Firmengebäude und das Logo der Zweitklägerin; auch deren Firmenstandort sei nicht geschützt. Ein verletzender oder kreditschädigender Inhalt sei dem Sendungsbeitrag in Bezug auf die Zweitklägerin nicht zu entnehmen; es komme daher gar nicht darauf an, ob ihr Firmenlogo und/oder Firmenschild erkennbar gezeigt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Zweitklägerin, mit der sie sich gegen die Abweisung ihrer Unterlassungsansprüche wendet, ist nicht zulässig.
Die Revision des Beklagten, mit der er die Wiederherstellung der erstgerichtlichen gänzlichen Klageabweisung anstrebt, ist zulässig und berechtigt.
I. Zur Revision der Zweitklägerin:
Die Zweitklägerin vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Weder liegen die geltend gemachten Verfahrensfehler (Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens) vor, noch wurden Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen. Eine Gehörverletzung iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO ist nicht erkennbar. Eine Beweiswiederholung war für die näher detaillierte Wiedergabe des Erscheinungsbilds eines Augenscheinsgegenstands (Video‑CD) nicht erforderlich. Überdies fehlt die Relevanz, zumal die Abänderung der erstgerichtlichen Feststellungen zugunsten des Prozessstandpunkts der Zweitklägerin erfolgte.
Die Zweitklägerin kommt als solche in dem beanstandeten Beitrag nicht vor. Sie wird nicht genannt, die angebliche Erkennbarkeit ihres Türschilds oder des Firmengebäudes reicht hierfür nicht aus. Nach dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt wird über den Erstkläger, der Alleingeschäftsführer der Zweitklägerin ist, nichts Negatives verbreitet, was auf den Ruf der Zweitklägerin zurückwirken könnte.
Die Revision der Zweitklägerin war daher zurückzuweisen.
II. Zur Revision der Beklagten:
§ 78 UrhG soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit schützen, also insbesondere auch dagegen, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (RIS‑Justiz RS0078161). Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt wurden, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es handelt sich dabei um die Lösung einer Rechtsfrage, die aufgrund des gegebenen Sachverhalts, nämlich der Veröffentlichung des Bildes im Zusammenhang mit dem beigefügten Text, zu beantworten ist (RIS‑Justiz RS0043508, RS0078077, RS0078088). Eine Verletzung berechtigter Interessen kann dann vorliegen, wenn ein Bild in einem derartigen Zusammenhang veröffentlicht wird, dass damit dem Abgebildeten eine politische Auffassung unterstellt wird, die er in Wahrheit nicht teilt oder sogar ausdrücklich ablehnt und bekämpft (RIS‑Justiz RS0077941). Es genügt, dass der Abgebildete durch den Begleittext mit Vorgängen in Verbindung gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat (RIS‑Justiz RS0078161 [T1], RS0077903). Beurteilungsmaßstab ist stets der Bedeutungsinhalt, den die angesprochenen Verkehrskreise bei ungezwungener Auslegung erhalten durften (vgl RIS‑Justiz RS0031815).
Die fragliche Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Klägers ist daher nicht nur nach dem Bild allein zu beurteilen, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in welchen das Bild gestellt wurde, ist mit einzubeziehen; insbesondere ist der Begleittext zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0078077; ausdrücklich auch für Fernsehbeiträge: Zeiler, Persönlichkeitsschutz, 40; Handler, Schutz von Persönlichkeitsrechten, 405). Der Begleittext/Kommentar ist also jedenfalls von Belang.
Daraus ist aber nichts abzuleiten, was den Erstkläger im Sinn der referierten Grundsätze der Rechtsprechung beeinträchtigen könnte. Für den hier maßgeblichen durchschnittlich aufmerksamen Zuschauer einer politischen Informationssendung kann nicht nur der bloß flüchtige Bildeindruck ohne Text herangezogen werden. Der bloß flüchtige alleinige Bildkonsument wird außerdem den vom Erstkläger behaupteten, für ihn negativen Zusammenhang zwischen den gegenständlichen Korruptionsvorwürfen und seiner Person überhaupt nicht herstellen. Verfolgt man hingegen den Begleittext auch nur mit mäßiger Aufmerksamkeit, so ist klar erkennbar, dass sich die Vorwürfe gegen die Drittklägerin oder ihren (seinerzeitigen) Geschäftsführer richten, nicht jedoch gegen den Erstkläger. Das Berufungsgericht betonte in diesem Zusammenhang zutreffend, dass der gesprochene Begleittext vom angesprochenen Fernsehpublikum nicht dahin verstanden wird, dass gegen den Erstkläger im Zusammenhang mit dem Inhalt des Sendungsbeitrags irgendwelche Vorwürfe erhoben würden, oder ein Verdacht besteht.
Mangels Verletzung berechtigter Interessen des Erstklägers durch seine bildliche Darstellung in der von ihm beanstandeten Sendung des Beklagten müssen die von ihm auf § 78 UrhG gestützten Ansprüche scheitern. Das klageabweisende Ersturteil ist daher wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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