OGH 2Ob242/14y

OGH2Ob242/14y22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton A***** P*****, vertreten durch Dr. Christian Strobl, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagten Parteien 1. A***** R*****, 2. E***** R*****, 3. A***** Versicherungs AG, *****, alle vertreten durch Dr. Karin Prutsch, Rechtsanwältin in Graz, wegen 7.215,13 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse 6.740,42 EUR sA), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 21. August 2014, GZ 5 R 117/14h‑29a, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Gleisdorf vom 9. Mai 2014, GZ 6 Cg 1359/13w‑24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00242.14Y.0122.000

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es wie folgt zu lauten hat:

„1. Die Klagsforderung besteht mit 203,56 EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht.

3. Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, der klagenden Partei 7.215,13 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. Juli 2012 zu bezahlen, wird abgewiesen.

4. Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien gegenüber der klagenden Partei für 50 % der künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 30. April 2012 auf der Gemeindestraße zwischen der L 394 und ***** R***** im Bezirk W***** haften, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei beschränkt ist mit der Haftpflichtversicherungssumme des im Unfallszeitpunkt für das Fahrzeug VW T4 Kasten mit dem amtlichen Kennzeichen ***** bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrags.

5. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass die beklagten Parteien gegenüber der klagenden Partei für weitere 50 % der künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 30. April 2012 auf der Gemeindestraße zwischen der L 394 und ***** R***** im Bezirk W***** haften, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei beschränkt sei mit der Haftpflichtversicherungssumme des im Unfallszeitpunkt für das Fahrzeug VW T4 Kasten mit dem amtlichen Kennzeichen ***** bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrags, wird abgewiesen.

6. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.320,64 EUR (darin enthalten 320,50 EUR an 20 %iger USt und 397,65 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens 436,86 EUR (darin enthalten 72,81 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.115,57 EUR (darin enthalten 74,98 EUR USt und 665,68 EUR an anteiliger Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Am 30. 4. 2012 ereignete sich in R***** im Bezirk W***** auf der Gemeindestraße zwischen der L 394 und R***** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des Rasentraktors der Marke Husquarna CDH 180 XP samt Anhänger der Marke Pongratz und der Zweitbeklagte als Lenker des von der Erstbeklagten gehaltenen Lkws VW 70 T 4 Kasten, welches Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt bei der Drittbeklagten haftpflichtversichert war, beteiligt waren. Durch den Unfall wurde der Kläger verletzt und wurden beide am Unfall beteiligten Fahrzeuge beschädigt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 20. 3. 2013 wurde der Zweitbeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung gemäß § 88 Abs 1 und 4 erster Deliktsfall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, die für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Die Unfallstelle befindet sich neben einer Kompostieranlage. Die Gemeindestraße verläuft im näheren Unfallsbereich annähernd von Süden in Richtung Norden, wobei sie vorerst über eine Kuppe führt, in eine abfallende Gerade übergeht, an die eine Linkskurve anschließt. Nach der Linkskurve führt die Gemeindestraße wieder gerade vor der Einfahrt zur Kompostieranlage vorbei Richtung Wirtschaftshof. Direkt neben der Einfahrt zur Kompostieranlage befindet sich eine Obstplantage, die im nördlichen Bereich durch einen Wildzaun und eine Tafel abgesichert ist. Bei dieser Tafel direkt beim nördlichen Beginn der Einfahrt wurde die Bezugslinie als Normale zum Fahrbahnrand der Gemeindestraße angenommen. Die Gemeindestraße ist auf Höhe der Bezugslinie 4,60 m breit und weist 20 m südlich der Bezugslinie nur mehr eine Breite von 4,30 m auf. Die Fahrbahn ist asphaltiert, wobei der Asphalt teilweise uneben und ausgebessert ist. Es sind auch Abfräsungen vorhanden. Die Fahrbahn fällt im Bereich der Bezugslinie zirka 3-4 % in Richtung Norden ab. Das größte Gefälle im Kurvenbereich liegt bei knapp 8 %. Parallel zum kurvenäußeren östlichen Fahrbahnrand verlaufen ein Schotterbankett und eine anschließende, abfallende Wiesenböschung. Kurveninnenseitig und somit westlich der Gemeindestraße befinden sich jeweils ein Schotterbankett und eine ansteigende bewaldete Böschung, die die Sicht über die Kurvensehne behindert. Die Einfahrt zur Kompostieranlage, die von Südosten im schrägen Winkel ansteigend in die Gemeindestraße mündet, befindet sich zwischen der Bezugslinie und 15 m südlich davon. Die Schnitthöhe der Straße mit der Ausfahrt bildet die Verschneidungslinie. Parallel zur Fahrbahn verläuft sowohl östlich als auch südlich der Einfahrt ein Weidezaun bzw Wildzaun. Im Unfallszeitpunkt befand sich eine 50 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkungstafel im Bereich des nördlichen Kurvenausgangs zirka 30 m südlich der Bezugslinie. 75 m südlich der Bezugslinie kann man die östliche Fahrbahnhälfte auf Höhe der Bezugslinie überblicken. Von 70 m südlich der Bezugslinie ist eine uneingeschränkte Sicht auf die gesamte Fahrbahn über die Bezugslinie hinaus in Richtung Norden möglich. Die Örtlichkeit befindet sich im Freilandgebiet. Zum Unfallszeitpunkt war der kurveninnere westliche Fahrbahnrand stärker verwachsen und war mehr Laub vorhanden, sodass die Sicht zum Unfallszeitpunkt nicht besser, sondern schlechter war als im Zeitpunkt des Ortsaugenscheins am 12. 2. 2014.

Der Kläger fuhr mit seinem Rasentraktor samt Anhänger zur Kompostieranlage. Der Zweitbeklagte fuhr mit einem VW Transporter der Typenserie T4 aus südlicher Richtung zur späteren Unfallstelle. Vor der Einfahrt in die Kompostieranlage blickte der Kläger nach hinten und vergewisserte sich, ob ein Fahrzeug käme. Er gab ein Handzeichen nach links zirka sechs bis sieben Meter nördlich der Bezugslinie. Der Kläger fuhr dann weiter nach vor und bog auf Höhe der Bezugslinie nach links in die Einfahrt zur Kompostieranlage mit einer Geschwindigkeit von 6‑7 km/h ein. Die Höchstgeschwindigkeit des Rasentraktors beträgt 8‑9 km/h, wobei der Rasentraktor über keinen Tachometer verfügt. Der Kläger bog in jenem Zeitpunkt nach links ein, als das Beklagtenfahrzeug an der Sichtgrenze aufgetaucht war. Unmittelbar nach Beginn des Einleitens des Abbiegens hätte der Kläger das entgegenkommende Beklagtenfahrzeug sehen und noch durch Zurück-nach-rechts-Reißen wieder auf den eigenen Fahrstreifen fahren und das kontaktfreie Passieren des Beklagtenfahrzeugs abwarten können. Es kann nicht festgestellt werden, ob direkt mit Beginn des Einlenkens des Klagsfahrzeugs nach links das Beklagtenfahrzeug gerade schon oder gerade noch nicht sichtbar war. Der Zweitbeklagte reagierte bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 89 km/h 3,2 sec vor der Kollision 66 m südlich der Bezugslinie mit einer Bremsung. Vor der Kollision wurde eine 38‑39 m lange Blockierspur abgezeichnet. Die 50 km/h-Beschränkungstafel befand sich im Unfallszeitpunkt 29 m südlich der Bezugslinie. Der Rasentraktor des Klägers legte vom Einbiegen bis zur Kollision eine Fahrstrecke von zirka 6‑7 m zurück. Ausgehend von einer Fahrgeschwindigkeit von 7‑8 km/h benötigte der Kläger für diese Strecke rund 3 sec an Fahrzeit.

Der Zweitbeklagte passierte mit seinem VW‑Bus die 50 km/h-Tafel mit einer Geschwindigkeit von 75 km/h 1,6 sec vor der Kollision. Er war im Unfallszeitpunkt mit 0,71 ‰ Alkohol im Blut alkoholisiert. Wenn er bei der 50 km/h‑Geschwindigkeitsbeschränkungstafel nur mit 50 km/h statt mit 75 km/h gefahren wäre, dann hätte er mit einer Betriebsbremsung mit einer wirksamen Verzögerung von unter 4 m/sec2 noch vor der Abbiegelinie des Traktors zum Stillstand kommen können. Es wäre jedoch gar nicht erforderlich gewesen, bei der Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h an der 50 km/h‑Beschränkungstafel eine Vollbremsung durchzuführen, da mit 50 km/h diese Stelle mit einer leichten Bremsung und leichtem Ausweichen nach links das kontaktfreie Vorbeifahren hinter dem bereits abgebogenen Traktoranhängergespann möglich gewesen wäre. Wenn sich ein Fahrzeug ab der 50 km/h-Beschränkung mit 50 km/h annähert, hätte sich die Kollision grundsätzlich nicht ereignen können. Der Zweitbeklagte reagierte unverzüglich auf das Erkennen des entgegenkommenden Traktors mit einer Vollbremsung. Aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit und weil sein Fahrzeug kein ABS besaß, konnte er den Unfall nicht mehr vermeiden.

Das Beklagtenfahrzeug stieß mit der rechten Frontseite gegen den Rasentraktor und mit der linken Frontseite gegen den Anhänger. Der Anstoßpunkt lag zwischen zwei und drei Meter südlich der Bezugslinie teilweise im Mündungstrichter der Zufahrt zur Kompostieranlage und teilweise noch auf der Fahrbahn. Der VW-Bus kam rund zehn Meter nördlich der Bezugslinie zum Stillstand. Er riss auch noch den Wildzaun vor der Obstplantage nieder. Die Auslaufstrecke betrug zirka 13 m. Der Kläger kam in der Ribiselbeerstange, die sich östlich der Gemeindestraße befand, zum Liegen.

Wenn der Kläger mit maximaler Geschwindigkeit des Rasentraktors entlang der Fahrbahnmitte eingereiht gefahren und abrupt nach links in Richtung des nördlichen Rands des Einmündungstrichters zur Kompostieranlage abgebogen wäre und dabei immer die Gemeindestraße Richtung Süden bis zur Sichtgrenze beobachtet hätte, hätte er ebenfalls die Straße gerade noch vor dem herannahenden Beklagtenfahrzeug queren können.

Wenn der Kläger durch die hohe Fahrgeschwindigkeit des herannahenden Beklagtenfahrzeugs überrascht wurde und deswegen weiter nach links abbog, hätte er kontaktfrei in die Kompostieranlage einfahren können, wenn der Zweitbeklagte langsamer gefahren wäre. Diesbezüglich wäre auch bei hoher Fahrgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs ein kontaktfreies Abbiegen des Klagsfahrzeugs möglich gewesen.

Die überhöhte Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs war für den Kläger nicht beim Auftauchen an der Sichtgrenze erkennbar. Das Beklagtenfahrzeug näherte sich aus dem Schatten an, was die Auffälligkeit und die Erkennungsmöglichkeiten weiter reduzierte. Beim Kläger lag keine relevante Reaktionsverspätung vor.

Der Kläger hätte den Unfall verhindern können, wenn er bei der ersten Möglichkeit des Erkennens des entgegenkommenden Beklagtenfahrzeugs an der Sichtgrenze, ohne zu überlegen und etwaige Abschätzungen zur Geschwindigkeit anzustellen, den Traktor nach rechts verrissen und wieder zurück in Richtung des rechten Fahrbahnrands gelenkt hätte. Wenn der Kläger beim Abbiegevorgang mit maximaler Geschwindigkeit des Rasentraktors entlang der Fahrbahnmitte eingereiht gefahren und dann abrupt nach links in Richtung des nördlichen Rands des Einmündungstrichters zur Kompostieranlage abgebogen wäre und dabei immer die Gemeindestraße Richtung Süden bis zur Sichtgrenze beobachtet hätte, hätte er ebenfalls die Straße gerade noch vor dem herannahenden Beklagtenfahrzeug überqueren können.

Wenn man dem Kläger eine Zeit zur Abschätzung der Fahrgeschwindigkeit des herannahenden Fahrzeugs zugesteht, hätte er letztendlich die überhöhte Fahrgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs nicht mehr rechtzeitig für eine unfallverhütende Maßnahme erkennen können.

Wenn der Kläger beim Auftauchen eines entgegenkommenden Fahrzeugs an der Sichtgrenze sofort zurück nach rechts lenken müsste, ergibt sich daraus ein Fahrfehler.

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von 7.215,13 EUR (darin enthalten 3.200 EUR Schmerzengeld und 2.300 EUR Sachschaden am Klagsfahrzeug) sA und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall, wobei die Haftung des drittbeklagten Haftpflichtversicherers auf die Höhe der Versicherungssumme beschränkt ist. Das Alleinverschulden treffe den Zweitbeklagten, der alkoholisiert gewesen sei und eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe.

Die Beklagten gestanden ein Mitverschulden des Zweitbeklagten wegen der überhöhten Geschwindigkeit von einem Drittel zu und anerkannten das Feststellungsbegehren mit einem Drittel. Sie wandten ein, die Alkoholisierung des Zweitbeklagten habe keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen gehabt. Der Kläger habe den Vorrang des Zweitbeklagten verletzt und das von ihm beabsichtigte Fahrmanöver weder angezeigt noch ordnungsgemäß gesichert. Er habe sich nicht zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet und eine unzulässig langsame Geschwindigkeit eingehalten. Den Kläger treffe ein Mitverschulden von zwei Dritteln. Durch die Akontozahlung von 3.000 EUR seien alle Ansprüche des Klägers abgegolten. An Sachschaden am Beklagtenfahrzeug und an pauschalen Unkosten wendeten die Beklagten 2.970,34 EUR als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit 203,56 EUR zu Recht, die Gegenforderung bestehe zumindest bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht. Dem entsprechend wies es das gesamte Leistungsbegehren ab. Dem Feststellungsbegehren gab es mit 50 % statt und unterließ ‑ offenbar versehentlich, da das Urteil nicht als Teilurteil bezeichnet ist und sich aus der Begründung der Entscheidungswille, das Feststellungsmehrbegehren abzuweisen, ergibt ‑ die Abweisung des Feststellungsmehrbegehrens. In rechtlicher Hinsicht lastete es dem Zweitbeklagten eine mit 50 % überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit (75 km/h statt 50 km/h) und die festgestellte Alkoholisierung an. Die Alkoholisierung habe sich zwar nicht unfallbegründend ausgewirkt, sei aber schulderschwerend. Das Mitverschulden des Klägers liege darin, dass er zu jenem Zeitpunkt nach links abgebogen sei, als das Fahrzeug des Zweitbeklagten an der Sichtgrenze aufgetaucht und daher wahrnehmbar gewesen sei. Weiters hätte er den Abbiegevorgang schneller und besser gestalten können, indem er mit maximaler Geschwindigkeit des Rasentraktors entlang der gedachten Fahrbahnmitte eingereiht gefahren und dann abrupt nach links in Richtung des nördlichen Rands des Einmündungstrichters zur Kompostieranlage abgebogen wäre und dabei immer die Gemeindestraße Richtung Süden bis zur Sichtgrenze beobachtet hätte. Eine Reaktionsverspätung falle dem Kläger nicht zur Last. Eine Verschuldensteilung von 1:1 sei sachgerecht. Der dem Kläger unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens zu ersetzende Schaden betrage 3.203,56 EUR. Davon sei die Akontozahlung von 3.000 EUR abzuziehen, woraus sich die zu Recht bestehende Klagsforderung ergebe. Dieser stünden als Gegenforderung die halben Reparaturkosten für das Beklagtenfahrzeug in Höhe von 1.000 EUR gegenüber.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, hingegen der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass es die Klagsforderung als mit 3.407,12 EUR zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend aussprach und demgemäß dem Zahlungsbegehren mit 3.407,12 EUR samt Zinsen stattgab und das Mehrbegehren von 3.808,01 EUR samt Zinsen abwies. Dem Feststellungsbegehren gab es zur Gänze statt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, das Erstgericht habe keine Feststellung treffen können, ob direkt mit Beginn des Einlenkens des Klagsfahrzeugs nach links das Beklagtenfahrzeug gerade schon oder gerade noch nicht „in der Sicht“ gewesen sei. Diesfalls hätte nicht der Kläger beweisen müssen, dass für ihn das vom Zweitbeklagten gelenkte Fahrzeug zu Beginn seines Abbiegemanövers nicht erkennbar gewesen sei, vielmehr hätten die Beklagten die Schutzgesetzverletzung, nämlich die Vorrangverletzung durch den Kläger, beweisen müssen. Die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung gehe somit zu Lasten der Beklagten. Da Voraussetzung für eine Vorrangverletzung die Wahrnehmbarkeit des bevorrangten Fahrzeugs sei, diese aber zum Zeitpunkt des Einbiegemanövers nicht festgestellt habe werden können, falle dem Kläger keine Vorrangverletzung zur Last. Nach ständiger Rechtsprechung liege auch dann kein Mitverschulden vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen werde und unter dem Eindruck dieser Gefahr eine ‑ rückschauend ‑ unrichtige Maßnahme treffe. Dem Kläger könne daher nicht angelastet werden, wenn er nicht die vom Sachverständigen aufgezeigte theoretische Möglichkeit (den Traktor nach rechts zu verreißen) in Betracht gezogen habe. Dem Kläger könne auch kein rechtswidriges Abbiegemanöver nach links vorgeworfen werden, weil er sich vor Durchführung seines Abbiegemanövers nicht zur Straßenmitte hin eingeordnet habe. Das Einordnen zur Straßenmitte vor dem Linksabbiegen habe nicht nur den Zweck, das Rechtsüberholen zu ermöglichen, sondern auch die Abbiegeabsicht zu verdeutlichen. Die Beklagten behaupteten aber gar nicht, dass der Zweitbeklagte bei einer weiter links eingeordneten Fahrlinie des Traktors diesen früher erkennen hätte können. Dem Kläger könne schließlich nicht vorgeworfen werden, nicht mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit eingebogen zu sein. Die Kollision hätte sich grundsätzlich gar nicht ereignen können, wenn der Zweitbeklagte die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50 km/h eingehalten hätte. Kausal für den Unfall sei somit nicht die Eigenart oder Bauartgeschwindigkeit des Klagsfahrzeugs, sondern die eklatant überhöhte Geschwindigkeit des Zweitbeklagten. Somit sei auch das Abbiegemanöver des Klägers nicht zu beanstanden. Den Kläger treffe daher kein Mitverschulden, den Zweitbeklagten hingegen das Alleinverschulden.

Erst über Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO ließ das Berufungsgericht nachträglich die Revision zu, weil der von den Beklagten zitierten Entscheidung 2 Ob 152/11h zu entnehmen sei, dass der Vorrangberechtigte nur das Bestehen einer Vorrangsituation, der Benachrangte hingegen den Beweis dafür zu erbringen hat, dass das herannahende bevorrangte Fahrzeug für ihn nicht wahrnehmbar gewesen sei. Damit zeigen die Antragsteller auf, dass das Berufungsgericht die Beweislastverteilung allenfalls unrichtig gelöst und somit eine korrekturbedürftige Fehlentscheidung getroffen habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsabweisung zum Leistungsbegehren und einer Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem gegenständlichen Unfall lediglich in einem Ausmaß von einem Drittel; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen der vom Berufungsgericht selbst erkannten aufzugreifenden Fehlbeurteilung zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

Die Revisionswerber bringen vor, die Beweisbarkeit für die Nichtwahrnehmung des anderen Fahrzeugs obliege dem Wartepflichtigen, also dem Kläger, sodass verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten gingen. Dem Kläger falle daher doch eine Vorrangverletzung zur Last. Überdies stehe ohnehin fest, dass der Kläger in jenem Zeitpunkt nach links eingebogen sei, in dem das Beklagtenfahrzeug an der Sichtgrenze aufgetaucht sei. Der Kläger habe sich auch nicht § 12 Abs 1 StVO entsprechend zur Mitte hin eingeordnet, welche Pflichtverletzung auch den Schutz des Gegenverkehrs bezwecke. Zu Lasten des Klägers sei weiters zu berücksichtigen, dass er beim Abbiegen nicht die mögliche Maximalgeschwindigkeit eingehalten habe. Das Vorbringen der Nichtwahrnehmbarkeit des Beklagtenfahrzeugs sei erstmals in der Berufung des Klägers erstattet worden, weshalb die dazu getroffenen Feststellungen überschießend seien.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu Folgendes erwogen:

1. Im Revisionsverfahren sind das Leistungsbegehren der Höhe nach und das Feststellungsbegehren dem Grunde nach nicht mehr strittig, sodass diese Aspekte nicht mehr zu prüfen sind.

2. Die Argumente der Revisionswerber sind im Wesentlichen zutreffend.

2.1. Wird ein Schadenersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, dann hat der Geschädigte den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für Letzteres reicht der Nachweis aus, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Der Geschädigte hat demnach den vom Schutzgesetz erfassten Tatbestand, hier also das Bestehen eines Vorrangverhältnisses, zu beweisen; das setzt die Klärung der Frage voraus, welches Fahrzeug aus welcher Straße kam und in welchem Verhältnis die betreffenden Verkehrsflächen zueinander stehen. Ob die Schutzgesetzverletzung auch rechtswidrig ist, ergibt sich erst aus dem Vorliegen eines objektiven Sorgfaltsverstoßes. Den Nachweis, dass ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, hat jedoch der Schädiger zu erbringen (RIS‑Justiz RS0112234). Die Beweislast für die Nichtwahrnehmbarkeit des anderen Fahrzeugs obliegt bei einer Vorrangsituation dem an sich Wartepflichtigen. Insoweit verbleibende Unklarheiten gehen zu seinen Lasten (2 Ob 152/11h = RIS‑Justiz RS0112234 [T19]).

Die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung, wann das Beklagtenfahrzeug in Bezug auf den Abbiegevorgang für den Kläger wahrnehmbar war, geht also zu Lasten des Klägers. Den Kläger trifft somit ein Verschulden wegen der Vorrangverletzung gemäß § 19 Abs 5 StVO.

Angesichts dieser Beweislastverteilung erübrigt sich die Prüfung, ob ‑ wie die Beklagten in der Revision behaupten ‑ betreffend die Wahrnehmbarkeit des Beklagtenfahrzeugs überschießende Feststellungen vorliegen.

2.2. Das zur Beweislast Ausgeführte gilt auch für die Ungewissheit, ob der Kläger mit seinem Traktor zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet war (vgl § 12 Abs 1 StVO; RIS-Justiz RS0073924; zum Schutzzweck vgl RS0027648). Angesichts der festgestellten (geringen) Breite der Fahrbahn (4,30 bis 4,60 m) kommt dem aber keine maßgebliche Bedeutung für die Gewichtung des beiderseitigen Verschuldens zu.

2.3. Gleiches gilt auch für die geringfügig langsamer als möglich vom Kläger gewählte Abbiegegeschwindigkeit.

2.4. Dem Zweitbeklagten fällt eine um 50 % absolut überhöhte Geschwindigkeit und ‑ verschuldenser-schwerend (RIS‑Justiz RS0027068) ‑ die Alkoholisierung zur Last.

2.5. Bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens hält der erkennende Senat wie schon das Erstgericht eine Verschuldensteilung von 1 : 1 für angemessen (vgl RIS‑Justiz RS0026775 [T13] = RS0027276 [T2]; RS0026775 [T48]). Dies führt zur Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass auch das Feststellungsmehrbegehren im Spruch abzuweisen war.

3.1. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Beide Parteien waren mit ihren Berufungen letztlich unterlegen, sodass beide Seiten gegenüber dem Gegner (bzw den Gegnern) Anspruch auf Ersatz der Kosten der jeweiligen Berufungsbeantwortung haben. Die Beträge wurden bereits saldiert.

3.2. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren gründet sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die beklagten Parteien obsiegten mit ihrer Revision mit rund 85 % (Revisionsinteresse 6.740,42 EUR; erfolgreich hinsichtlich Leistung mit 3.203,56 EUR, hinsichtlich Feststellung mit 2.500 EUR, gesamt somit mit 5.703,56 EUR) und bekommen daher 70 % für die Revision sowie 85 % der Pauschalgebühr.

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