OGH 17Os42/14a

OGH17Os42/14a21.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2015 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Engelbert K*****, MBA und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Engelbert K*****, MBA, Vera T*****, Manuela M***** und Friedrich S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 24. Februar 2014, GZ 8 Hv 72/13g‑74, und über den Antrag dieser Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00042.14A.0121.000

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird den Angeklagten Engelbert K*****, MBA, Vera T*****, Manuela M***** und Friedrich S***** im Umfang der Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerden und der Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe bewilligt.

Hingegen wird der Antrag im Umfang der Versäumung der Frist zur Anmeldung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zurückgewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden sowie die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ soweit vorliegend von Bedeutung ‑ Engelbert K*****, MBA des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A) sowie Vera T*****, Manuela M***** und Friedrich S***** jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben in R***** wissentlich mit dem Vorsatz, dadurch den Bund an seinem Recht auf Richtigkeit des Melderegisters und „dessen ordnungsgemäße Führung“ (vgl dazu 17 Os 30/13k, EvBl 2014/84, 569) zu schädigen,

(A) Engelbert K*****, MBA als Bürgermeister der Gemeinde R*****, somit als Beamter, seine Befugnis, im Namen „der für das Meldewesen im übertragenen Wirkungsbereich zuständigen Gemeinde R*****“ als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er die mit der Führung des Melderegisters betrauten Vertragsbediensteten Martina R***** und Helmut Te***** anwies, die im Urteil im Einzelnen bezeichneten Meldungen (A/1 bis 52) „vorzunehmen bzw auf die Vornahme solcher Meldungen bei den Pflichtschulen drängte und keine Überprüfungsverfahren veranlasste bzw es unterließ, als Meldebehörde erster Instanz diese Meldungen, von denen er wusste, dass es Scheinmeldungen sind, weil die angemeldeten unmündigen ungarischen Staatsangehörigen nie eine Unterkunft nahmen und auch nie beabsichtigten, eine Unterkunft an den Meldeadressen zu nehmen, zu unterbinden“;

(B) Vera T*****, Manuela M***** und Friedrich S***** zur Ausführung der strafbaren Handlung des Engelbert K*****, MBA beigetragen, indem sie in den im Urteil einzeln bezeichneten Fällen „Lehrerinnen und Lehrer ihrer Schulen aufforderten, selbst solche Scheinmeldungen durchzuführen, vorausgefüllte Meldezettel und teilweise leere Meldezettelformulare an ihren Schulen ausgaben, mit den Unterschriften der Lehrer versehen wieder zurücknahmen und dem Gemeindeamt in der Person von Martina R***** bzw Helmut Te*****“ vorlegten, die ungarisch sprechende „Andrea Zsuzsanna H***** beauftragten, die Kontakte zwischen den 'Unterkunftgebern' und den Eltern der 'scheinzumeldenden' Kinder herzustellen, obwohl sie wussten, dass solche Scheinmeldungen gesetzwidrig sind und die Meldebehörden auch gesetzwidrig bei solchen Anmeldungen handeln würden“.

Rechtliche Beurteilung

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Nach der Urteilsverkündung am 24. Februar 2014 nahmen die Angeklagten Engelbert K*****, MBA, Vera T*****, Manuela M***** und Friedrich S***** eine dreitägige Bedenkzeit in Anspruch (ON 73 S 23). Die Anmeldefrist (§§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO) endete somit am 27. Februar 2014.

Am 10. März 2014 begehrte der Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 76). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die am 27. Februar 2014 elektronisch eingegebene Rechtsmittelanmeldung aufgrund eines Totalabsturzes seines Computersystems nicht übermittelt worden sei. Die ansonsten gewissenhafte und seit mehr als 15 Jahren fehlerfrei arbeitende Kanzleiangestellte habe nach dem Computerneustart nicht überprüft, ob die Datenübermittlung erfolgreich war.

Gemäß § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist die

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem gegen die Versäumung der Frist zur

Anmeldung eines Rechtsmittels zu bewilligen, wenn nachgewiesen wird, dass es aufgrund eines unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisses unmöglich war, die Verfahrenshandlung vorzunehmen, es sei denn, dass dem Beschuldigten oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.

Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf das Vorbringen und die dazu vorgelegten Beweismittel (eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten sowie kopierter Auszug aus dem Fristenbuch [ON 90]) vor (vgl RIS‑Justiz RS0101329 [insbesondere T20], RS0101310, RS0101192). Das (auch den Kriterien des § 364 Abs 1 Z 2 und 3 StPO entsprechende) Begehren war insoweit zu bewilligen, als es sich gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung von Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe richtet.

Gegen die behauptete Versäumung der Frist zur Ergreifung der ‑ im kollegialgerichtlichen Verfahren gar nicht vorgesehenen ‑ Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (vgl §§ 280, 283 Abs 1 StPO) steht der Rechtsbehelf hingegen nicht offen, sodass der Antrag insoweit zurückzuweisen war.

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten:

Die gegen das Urteil von den Angeklagten Engelbert K*****, MBA, Vera T*****, Manuela M***** und Friedrich S***** aus Z 10a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Vorausgeschickt sei, dass die inhaltlich im Wesentlichen identen Rechtsmittel zugleich behandelt werden.

Die gesetzmäßige Ausführung einer

Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher

Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801, RS0116823). Diesen Anforderungen werden die Beschwerden schon deshalb nicht gerecht, weil sie sich ‑ unter dem Aspekt der (Diversions‑)Ausschlussbestimmung des § 198 Abs 3 StPO ‑ in der bloßen Behauptung erschöpfen, die den Angeklagten angelasteten Taten hätten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen (zu Tatfolgen im Sinn des § 198 Abs 3 StPO bei Eintragungen in amtliche Register vgl im Übrigen 17 Os 29/14i; 17 Os 35/14x).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ‑ ebenso wie die (angemeldeten, wie oben dargelegt aber unzulässigen) Berufungen wegen des Ausspruchs über die Schuld ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte