European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090NC00031.14D.1218.000
Spruch:
Zur Entscheidung über das vorliegende Abstammungsverfahren ist das Bezirksgericht Floridsdorf zuständig.
Der Beschluss dieses Gerichts vom 6. November 2014, GZ 16 C 45/14d‑20, wird aufgehoben.
Text
Begründung
Am 25. 8. 1998 brachte der Antragsteller gegen die am ***** 1997 geborene Antragsgegnerin beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz eine Klage mit dem Begehren auf Feststellung ein, dass sie nicht seiner am 22. 2. 1996 geschlossenen Ehe mit J***** G***** entstamme, sondern außerehelicher Geburt sei. Der Vater war und ist in Graz wohnhaft, die Tochter war bei Klagseinbringung ebenfalls in Graz wohnhaft. Am 16. 12. 1998 trat Ruhen des Verfahrens ein.
Am 28. 10. 2014 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens und brachte vor, die Minderjährige sei zwischenzeitig nach 1210 Wien übersiedelt und sei dort ständig aufhältig.
Mit Beschluss vom 30. 10. 2014, GZ 33 C 133/98b‑18, setzte das Bezirksgericht Graz‑Ost das Verfahren fort, deutete das Verfahren gemäß § 40a JN in ein Verfahren über die Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter nach § 151 ABGB um, erklärte sich zur weiteren Führung des Verfahrens für nicht zuständig und übertrug die Zuständigkeit gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Floridsdorf. Nach § 108 Abs 1 JN sei für Abstammungsverfahren das zur Führung der Pflegschaft berufene Gericht zuständig, sonst das Gericht, in dessen Sprengel das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Mit Beschluss vom 6. 11. 2014, GZ 16 C 45/14d‑20, erklärte sich das Bezirksgericht Floridsdorf zur weiteren Führung des Verfahrens für nicht zuständig. Aufgrund der Übergangsbestimmungen gemäß Art IV §§ 7 und 11 Z 9 FamErbRÄG 2004 seien in gerichtlichen Abstammungsverfahren, die zum Ablauf des 30. 6. 2004 noch anhängig seien, die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Das Verfahren hätte im streitigen Verfahren beendet werden müssen. Unabhängig davon komme eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 44 JN wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori nicht in Frage. Nachträgliche Tatbestandsänderungen seien unbeachtlich, die einmal rechtmäßig begründete Zuständigkeit bleibe bestehen. Dies gelte für streitige und außerstreitige Verfahren. Die für das Pflegschaftsverfahren geltende Ausnahmebestimmung des § 111 JN sei restriktiv handzuhaben und auf Abstammungsverfahren nicht anzuwenden.
Das Bezirksgericht Floridsdorf veranlasste die Zustellung beider Beschlüsse (ON 18, 20), diese erwuchsen in Rechtskraft (ON 23). Das Bezirksgericht Floridsdorf ersuchte um Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit.
Rechtliche Beurteilung
1. Aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses des Bezirksgerichts Graz‑Ost ON 18 ist die darin auf § 40a JN gestützte Umdeutung des Verfahrens in ein außerstreitiges Verfahren über die Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter iSd § 151 ABGB nicht weiter zu überprüfen.
2. Das Bezirksgericht Graz‑Ost stützte die Überweisung ausdrücklich auf § 44 JN, sodass zu einer Überweisung nach § 111 JN nicht Stellung zu nehmen ist. Der Überweisungsbeschluss gemäß § 44 JN ist für das überwiesene Gericht bindend, solange er nicht von höherer Instanz abgeändert wird (RIS‑Justiz RS0081664).
3. Die Anrufung des übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt voraus, dass die konkurrierenden Gerichte ‑ wie hier ‑ ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über dieselbe Rechtssache rechtskräftig abgelehnt haben (RIS‑Justiz RS0118692).
Bei der Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses, auch wenn dieser vielleicht unrichtig war, Bedacht zu nehmen, haben doch die Vorschriften über die Bindung an rechtskräftige Entscheidungen über die Zuständigkeit und an Überweisungsbeschlüsse den Zweck, Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Dabei nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls auch ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (RIS‑Justiz RS0046391). Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RIS‑Justiz RS0081664 [T1], RS0046391 [T6]).
Ungeachtet dessen, dass die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 44 JN wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori dann nicht in Frage kommt, wenn das angerufene Gericht zum Zeitpunkt der Antragstellung zuständig war, nachträgliche Tatbestandsänderungen also unbeachtlich sind, hat das Bezirksgericht Floridsdorf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Graz‑Ost missachtet, auf die auch der Oberste Gerichtshof Bedacht zu nehmen hat. Der Unzuständigkeitsbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf war danach aufzuheben (Mayr in Rechberger, ZPO4 § 47 JN Rz 4) und dieses als das zuständige Gericht zu bestimmen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)