OGH 9Ob76/14p

OGH9Ob76/14p18.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, Dr. Jensik und Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner ua, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Dr. R***** G*****, vertreten durch GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 26.762,44 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse der klagenden Partei: 21.249,52 EUR sA; Revisionsinteresse der beklagten Partei: 5.331,60 EUR sA), über die außerordentlichen Revisionen der Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. September 2014, GZ 2 R 123/14t‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei wird dahin berichtigt, dass sie nunmehr „R***** eGen“ zu lauten hat.

2. Die außerordentlichen Revisionen der Streitteile werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei war infolge Änderung ihres Firmenwortlauts zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO).

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes wurde vom Berufungsgericht mit mehr als 30.000 EUR bewertet. Die Rechtsmittel der Streitteile unterliegen daher nicht der Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 2 Z 3 ZPO.

II. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten

1. Der Beklagte meint, dass die der Klägerin vom Berufungsgericht zugesprochenen Kosten von 5.331,60 EUR sA für Vertretungstätigkeiten ihres Rechtsvertreters im Zeitraum 29. 1. 2010 bis 25. 4. 2011 vorprozessuale Kosten seien, die das Schicksal des Hauptanspruchs, nämlich des abgewiesenen Feststellungsbegehrens, zu teilen hätten.

Das Berufungsgericht hat der Klägerin zugestanden, dass sie sich zunächst mit dem Beklagten als ihrem Treuhänder und für den Pfandrechtsverlust der Klägerin Verantwortlichen auseinandersetzen konnte, um sich seiner Haftung zu vergewissern, auf seine Bereinigungsvorschläge einzugehen und vorerst die von ihm unterbreiteten, letztlich ungeeigneten Sanierungsvorschläge prüfen zu lassen, bevor sie eine Löschungsklage gegen den Voreigentümer und den aus dem Pfandrechtsverlust begünstigten Nacheigentümer einbrachte. Die Klägerin hat von Beginn an vorgebracht, dass die ihr dadurch entstandenen Kosten nicht mit dem Löschungsprozess im Zusammenhang stünden. Da es im Löschungsprozess nicht um die Haftung des Beklagten ging, konnten die Kosten auch nicht vom dort verzeichneten Einheitssatz erfasst sein.

Mit der vorliegenden Klage, die die Klägerin am 24. 1. 2013 einbrachte, begehrte sie neben diesen Kosten die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden, die sie sowohl bei einem Unterliegen als auch einem Obsiegen im Löschungsprozess fürchte (ON 1 S 4). Bei Klagseinbringung hatte sie gegen den Nacheigentümer bereits obsiegt und eine Wiederherstellung des ursprünglichen Grundbuchstands erwirkt. Die Vorinstanzen konnten in dieser Konstellation kein entsprechendes Feststellungsinteresse der Klägerin sehen, weil der Grundbuchstand wiederhergestellt war und ihr auch die aus dem Löschungsprozess erwachsenen Kosten, soweit die Klägerin siegreich war, vom Beklagten ersetzt worden waren. Aus diesen Geschehnissen wird aber ersichtlich, dass die revisionsgegenständlichen Kosten im Hinblick auf das Feststellungsbegehren keine ausreichende Prozessbezogenheit aufweisen, um als akzessorische Kosten dessen Schicksal zu teilen. Das Berufungsurteil ist in diesem Punkt daher nicht weiter korrekturbedürftig.

2. Der Beklagte will auch geklärt wissen, ob das von ihm als Rechtsanwalt und Treuhänder abgegebene Haftungsanerkenntnis (das per E‑Mail und Telefax erfolgt war) dem Formerfordernis nach § 886 ABGB zu entsprechen gehabt hätte. Damit verkennt er aber die Argumentation des Berufungsgerichts. Dieses ging nicht davon aus, dass das Anerkenntnis mangels Einhaltung eines Formgebots unwirksam sei, sondern gestand der Klägerin lediglich zu, dass sie sich in der vorliegenden Konstellation auch unter Beweisaspekten nicht mit mündlichen Äußerungen, E-Mails oder einem Fax des Beklagten begnügen musste, wenn es diesem ein Leichtes gewesen wäre, ihr eine eigenhändig unterschriebene Erklärung im Original zukommen zu lassen, um dem Anschein einer Hinhaltetaktik und einem beginnenden Misstrauen der Gegenseite vorzubeugen.

3. Dass es, wie der Beklagte meint, an einem geeigneten Vorbringen der Klägerin zu den anwaltlichen Kosten mangle, das nicht durch den Verweis auf eine Beilage ersetzt werde, ist unrichtig. Entsprechende Ausführungen der Klägerin finden sich in ihren Schriftsätzen ON 6 (S 8) und ON 8 (S 3).

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten daher zurückzuweisen.

III. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin

1. Die Klägerin meint, es sei ihr nicht vorwerfbar, dass sie die (in drei Instanzen erfolglose) Löschungsklage vorsichtshalber auch gegen den Voreigentümer eingebracht habe, sodass ihr auch die entsprechenden Prozesskosten von 21.249,52 EUR als Schaden aus dem Verhalten des Beklagten zuzusprechen seien.

Ob die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens noch gerechtfertigt ist, ergibt sich aus einer umfassenden Interessenabwägung, bei der maßgeblich ist, ob die Belastungsmomente auf der Seite des Verletzten jene des Verletzers bei weitem überwiegen (RIS‑Justiz RS0022912 [T2], RS0022918 [T10]). Das Ergebnis dieser Interessenabwägung betrifft aber den Einzelfall und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (6 Ob 84/06f ua).

Dem im Grundbuch eingetragenen oder eingetragen Gewesenen steht die Löschungsklage gegen denjenigen zu, durch dessen nachfolgende, auf einem materiell unwirksamen Titel beruhende Eintragung er aus dem Grundbuch verdrängt wurde (RIS‑Justiz RS0102891; Kodek, Grundbuchsrecht, § 61 Rz 3). Das trifft hier auf den Nacheigentümer zu, der durch die zeitweilige Löschung des Pfandrechts der Klägerin bücherlich begünstigt war. Der Rechtserwerb des Voreigentümers (Wohnungsgebrauchsrecht, Ausgedinge, Belastungs- und Veräußerungsverbot) erfolgte dagegen nur anlässlich, nicht aber aufgrund der Löschung des Pfandrechts der Klägerin. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Klagsführung gegen den Voreigentümer auch ex-ante gesehen ohne realistische Erfolgsaussicht gewesen sei und daher nicht mehr dem Fehlverhalten des Beklagten zuzurechnen sei, ist danach nicht weiter korrekturbedürftig.

2. Für ihr Feststellungsinteresse verweist die Klägerin auf die möglichen Kosten des derzeit unterbrochenen Verfahrens, das der Voreigentümer gegen sie angestrengt habe, weil sie ihm die zur Rettung ihrer Pfandrechte aufgelaufenen vorprozessualen Kosten als Pfandbesteller angelastet habe.

Auch in diesem Punkt ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Verpflichtungen des Voreigentümers aus dem Pfandbestellungsvertrag nicht ohne weiteres auf Schäden aus dem Fehlverhalten des Beklagten erstreckt werden könnten, vertretbar. Dass dieses Verständnis nach dem Inhalt des Pfandbestellungsvertrags unrichtig wäre, zeigt die Klägerin nicht auf. Einer Vertragsauslegung kommt grundsätzlich auch keine über den konkreten Fall hinausreichende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0044358).

3. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Klägerin, dass das Berufungsgericht die in ihrer Berufung erhobene Mängelrüge (unterlassene Vernehmung des Voreigentümers als Zeugen) unerledigt gelassen habe. Es hätte sich gezeigt, dass der Beklagte den Voreigentümer im Löschungsprozess zur Bestreitung veranlasst habe, obwohl er aufgrund des mehrseitigen Treuhandverhältnisses auch die Interessen der Klägerin wahrzunehmen gehabt hätte.

Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Anderes gilt nur, wenn das Berufungsgericht infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften die inhaltliche Erledigung der Mängelrüge unterlassen hat, weil insofern ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vorliegt (RIS‑Justiz RS0043086, RS0043144). Mängel des Berufungsverfahrens sind nur dann von erheblicher Bedeutung, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts missachtet wurden (RIS‑Justiz RS0041365, RS0041032).

All das ist hier nicht der Fall, zumal die Übergabe der Pfandlöschungserklärung an den Beklagten mit dem Auftrag, sie nach Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten des Voreigentümers zu verwenden, dem Beklagten nicht das Recht nahm, im Löschungsprozess auf das Fehlen der Passivlegitimation des Voreigentümers hinzuweisen. Eine Missachtung der Grundsätze des Verfahrensrechts durch das Berufungsgericht ist hier nicht zu erkennen.

4. Die Klägerin meint schließlich, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit ihrem Vorbringen dazu auseinandergesetzt, dass die Ausfolgung der Löschungserklärung durch den Beklagten nicht ‑ wie vom Erstgericht festgestellt ‑ versehentlich, sondern bedingt vorsätzlich erfolgt sei. Das Berufungsgericht hat jedoch die diesbezügliche Beweisrüge der Klägerin behandelt und insbesondere auch ausgeführt, warum ihm die darin vorgetragenen Argumente für die gewünschte Feststellung nicht ausreichend erschienen (Berufungsurteil S 11). Ein Revisionsgrund ist daraus nicht ableitbar (vgl RIS‑Justiz RS0043150).

5. Insgesamt war daher auch die außerordentliche Revision der Klägerin mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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