OGH 10ObS147/14m

OGH10ObS147/14m16.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 3. September 2014, GZ 7 Rs 32/14a‑21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 20. Jänner 2014, GZ 58 Cgs 73/13k‑15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00147.14M.1216.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Im Revisionsverfahren ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Kläger auch durch den (einjährigen) Bezug einer befristeten Invaliditätspension vor dem Stichtag (1. 7. 2013) die Anspruchsvoraussetzung gemäß § 255 Abs 3a Z 2 ASVG erfüllte, „mindestens zwölf Monate unmittelbar vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) als arbeitslos im Sinn des § 12 AlVG gemeldet“ gewesen zu sein.

Das Berufungsgericht verneinte diese Frage und wies das auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 7. 2013 gerichtete Klagebegehren (worauf der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren auf Weitergewährung der Pensionsleistung über den 31. 5. 2013 hinaus eingeschränkt hatte) im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Überlegungen der Entscheidung 10 ObS 89/12d auch hier anwendbar seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ im Hinblick auf die zur dargelegten, vom Berufungsgericht als rechtserheblich bezeichneten Rechtsfrage schon vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig.

Danach können die faktische Arbeitslosigkeit und der ein Jahr dauernde Bezug von Krankengeld das laut § 255 Abs 3a Z 2 ASVG zwingende Erfordernis einer Arbeitslosmeldung im Sinn des § 12 AlVG nicht ersetzen; es liegt diesbezüglich auch keine Gesetzeslücke vor, die durch Analogie zu schließen wäre (RIS-Justiz RS0127974). Der erkennende Senat hat dies in der zitierten Entscheidung (10 ObS 89/12d, SSV-NF 26/48) ausführlich begründet. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung müssen in gleicher Weise im vorliegenden Fall gelten, in dem der Kläger die für ein Jahr vor dem Stichtag nötige Arbeitslosmeldung ebenfalls nicht nachweisen konnte:

1. Wenn die Revision weiterhin den Standpunkt vertritt, die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Bezugs einer Invaliditätspension würde die Härtefallregelung „geradezu auf den Kopf stellen“, wird Folgendes übersehen:

2. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 981 BlgNR 24. GP 205) soll die mit dem BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, eingeführte Härtefallregelung stark leistungseingeschränkten ungelernten ArbeitnehmerInnen und bestimmten selbständig Erwerbstätigen (nämlich Bäuerinnen und Bauern) einen Zugang zu einer Invaliditätspension oder Erwerbsunfähigkeitspension bzw zu einer entsprechenden Rehabilitation öffnen. Die Regelung des § 255 Abs 3a Z 2 ASVG verlangt, dass der Versicherte mindestens 12 Monate unmittelbar vor dem Stichtag arbeitslos iSd § 12 AlVG gemeldet war. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 ObS 89/12d, SSV‑NF 26/48, ausgeführt, dass die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosmeldung mindestens 12 Monate vor dem Stichtag bezweckt, die Zahl der potenziellen Leistungsbezieher zu begrenzen und sie auf Personen zu beschränken, die nach Verlust ihres Arbeitsplatzes trotz einjähriger Vermittlungstätigkeit des Arbeitsmarktservices keine neue Arbeitsstelle finden konnten. Ein „Übertritt“ aus einer laufenden Beschäftigung in die Pension soll hingegen für eine Anwendung der Härtefallregelung nicht ausreichen (10 ObS 89/12d, SSV‑NF 26/48). Dies gilt nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts auch für den Kläger, der ebenfalls die Anspruchsvoraussetzung der einjährigen Arbeitslosmeldung unmittelbar vor dem Stichtag nicht erfüllt, sondern im Ergebnis die Weitergewährung einer ihm bereits befristetet zuerkannten Invaliditätspension anstrebt. Auch der Kläger gehört nicht zu dem vom Gesetzgeber für eine Anwendung der Härtefallregelung vorgesehenen Personenkreis.

3. Da ‑ wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt ‑ dieses zwingende Erfordernis der einjährigen Arbeitslosmeldung unmittelbar vor dem Stichtag erfüllt sein muss, könnte nur der Bezug von Pensionsvorschuss während aufrechter Arbeitslosmeldung im Sinn des AlVG (vgl dazu: 10 ObS 89/12d, SSV-NF 26/48) der Erfüllung des Tatbestands des § 255 Abs 3a Z 2 ASVG nicht entgegenstehen (vgl bereits 10 ObS 86/12p; Resch , Die neue Härtefallregelung der geminderten Arbeitsfähigkeit, SozSi 2012, 405 [408]). In diesem Sinn hat der erkennende Senat zu 10 ObS 89/12d, SSV-NF 26/48, auch schon klar gestellt, dass es nur darauf ankommt, ob der Nachweis einer für ein Jahr erfolgten Arbeitslosmeldung erbracht wird (so auch Resch aaO, 410 und Ivansits/Weissensteiner , aaO 178):

4. Um die Anspruchsvoraussetzung § 255 Abs 3a Z 2 ASVG zu erfüllen, muss der Versicherte also iSd § 12 AlVG arbeitslos gemeldet sein. Der Gesetzeswortlaut geht damit über die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien (RV 981 BlgNR 24. GP 206) hinaus, wonach es genügen würde, wenn der Versicherte arbeitslos ist; die verba legalia stellen hingegen eindeutig darauf ab, dass einerseits der Begriff der Arbeitslosigkeit erfüllt und andererseits eine entsprechende Meldung erstattet worden sein muss (10 ObS 89/12d, SSV-NF 26/48).

5. Dass das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Pensionsleistung an den Kläger verneinte, entspricht der Rechtsprechung: Dieser hat nämlich von 30. 3. 2012 bis 10. 5. 2012 Krankengeld bezogen und war von 11. bis 31. 5. 2012 arbeitslos gemeldet. In der ‑ maßgebenden ‑ Zeit (eines Jahres vor dem Stichtag) bezog er von 1. 6. 2012 bis 31. 5. 2013 eine befristete Invaliditätspension, war ab 1. 6. 2013 wieder arbeitslos gemeldet und bezieht seit 8. 7. 2013 wieder Krankengeld.

5.1. Daher begegnet die Klagsabweisung ‑ ohne Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen nach § 255 Abs 3a Z 4 und Abs 3b ASVG ‑ keinen Bedenken.

6. Angesichts der vorliegenden Rechtsprechung ist die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

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