OGH 6Ob186/14t

OGH6Ob186/14t19.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei W***** H*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterhalts, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 6. Juni 2014, GZ 23 R 120/14s‑145, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 17. Jänner 2014, GZ 3 C 31/11p‑141, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00186.14T.1119.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO)‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

1.  Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag des beklagten, gemäß § 66 EheG unterhaltspflichtigen Mannes abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es sei aufgrund einer erst nach der Berufungsentscheidung publizierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs fraglich, ob auch „Schwarzeinnahmen“ als Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Zukunft herangezogen werden können.

Das Berufungsgericht legte seiner Unterhaltsentscheidung, die sich sowohl auf vergangene Zeiträume als auch auf laufende Perioden (diese konkret ab 1. 12. 2013) bezieht, Feststellungen des Erstgerichts zugrunde, wonach der Mann jedenfalls seit Anfang 2011 Einkommen aus Schwarzarbeit in Höhe von monatlich 1.500 EUR erwirtschaftete und diese Einnahmen auch „weiterhin gegeben sind“ (Seiten 7 und 13 des Ersturteils). Diesen Betrag rechnete das Berufungsgericht monatlich jeweils zur Gänze der übrigen Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzu; die Lebensverhältnisse des Mannes würden entscheidend durch die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel bestimmt, sodass hier zu Lasten des Mannes der Umstand zu berücksichtigen sei, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge aus der Schwarzarbeit gerade nicht abgeführt beziehungsweise berichtigt werden. Von dieser Hinzurechnung der Einnahmen aus Schwarzarbeit zur Gänze ging das Berufungsgericht sowohl für vergangene als auch für laufende Unterhaltsperioden aus.

Rechtliche Beurteilung

1.1.  Es entspricht seit langem herrschender Auffassung, dass auch Einkommen, das auf gesetzwidrige Weise (wie insbesondere aus Schwarzarbeit) erzielt wird, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist (7 Ob 26/02b; 7 Ob 16/14z; vgl bereits zuvor zweitinstanzliche Rechtsprechung, etwa LGZ Wien EFSlg 35.460 [1980], 74.371 [1994] und LG Salzburg EFSlg 91.835 [2000]; aus der Literatur etwa Pichler in Fenyves/Welser , Klang³ [2000] § 140 ABGB Rz 15; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ [2008] § 140 ABGB Rz 143; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 94 ABGB Rz 40). Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach klargestellt, dass derartige Einkünfte nur insoweit zu berücksichtigen sind, als nicht eine entsprechende (tatsächliche) Rückzahlungsverpflichtung besteht (1 Ob 88/05f; 1 Ob 61/06m; 7 Ob 16/14z), worunter im Zusammenhang mit Einnahmen aus Schwarzarbeit, also gegenüber den Abgabenbehörden nicht deklarierten Einnahmen, Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge zu verstehen sind.

1.2.  In der Entscheidung 7 Ob 16/14z, mit der das Berufungsgericht die Abänderung seines Zulassungsausspruchs begründete, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass es bei Beurteilung der (tatsächlichen) Rückzahlungsverpflichtung dem Gericht, das über die Unterhaltsfestsetzung zu entscheiden hat, überlassen ist, entweder den Ausgang eines Straf‑ oder sonstigen Verfahrens gegen denjenigen, der das strafbare Verhalten setzte, abzuwarten oder eine selbständige Beurteilung vorzunehmen; jedenfalls sind aber vom Unterhaltspflichtigen konkrete Behauptungen über seine Verpflichtung zur Rückzahlung solcher Geldbeträge aufzustellen und unter Beweis zu stellen.

Dass diese Behauptungspflichten im hier zu beurteilenden Kontext nicht zu gelten hätten, wie der Mann in seiner Revision meint, ist nicht ersichtlich. Auch die konkrete Festsetzung von Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträgen hängt (wie ja im Übrigen die Berechnungsbeispiele in der Revision zeigen) von verschiedenen Einflussfaktoren ab, die das Gericht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Dass „für ein Schwarzgeld, welches resultiert aus einer gewerblichen Tätigkeit, wohl die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Einkommensteuer und Beiträgen zur Sozialversicherung [ besteht ]“ (Seite 7 der Revision), ändert nichts daran, dass der Bezieher der Schwarzeinnahmen im Unterhaltsverfahren konkret darlegen muss, dass und welche Abgaben und Beiträge er bereits bezahlt hat oder noch bezahlen muss. Auch in der Entscheidung 7 Ob 16/14z wurde betont, dass die Rückzahlungsverpflichtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen muss.

1.3.  Der Mann hat weder im Verfahren erster Instanz noch in Berufung und Revision behauptet, Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge aus seinen Schwarzeinnahmen (nach)gezahlt zu haben. Er meint in der Revision lediglich, er hätte darauf hingewiesen, dass „zumindest [ vom ] künftigen Schwarzgeld Beiträge [ zu ] leisten“ sein werden, ebenso „für in der Vergangenheit vereinnahmtes oder einbehaltenes Schwarzgeld“, hätten die Vorinstanzen im Hinblick auf § 182a ZPO diese rechtliche Problematik mit ihm erörtert. Konkret sei „eine Rechenoperation in der Form anzustellen, dass zu addieren ist einerseits das bisher deklarierte Bruttoeinkommen zuzüglich einem weiteren Einkommen von 1.500 EUR; aus der Summe beider Beträge [ seien ] der Beitrag zur Sozialversicherung und die Einkommensteuer zu ermitteln“. In der Berufung hatte der Mann ausgeführt, das Erstgericht hätte berücksichtigen müssen, welche Einkommensteuer- und welche „sozialversicherungsrechtliche Belastung“ auf den Betrag von 1.500 EUR entfällt.

Soweit der Mann mit diesen Ausführungen versucht, eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinn eines Erörterungsmangels aufzuzeigen, ist ihm dies im Hinblick darauf verwehrt, dass er diesen (angeblichen) Mangel nicht bereits im Berufungsverfahren rügte. Einen allfälligen Mangel des Berufungsverfahrens wiederum hat er nicht gesetzmäßig ausgeführt, legt er doch in der Revision nicht dar, welche Beträge konkret von den Schwarzeinnahmen abzuziehen und damit aus der angenommenen Bemessungsgrundlage auszuscheiden gewesen wären.

1.4.  Der Mann vertritt in der Revision weiters die Auffassung, durch Einbeziehung der Schwarzeinnahmen in (ungekürzter) Höhe von monatlich 1.500 EUR in den laufenden Unterhalt würde er gleichsam gezwungen, auch in Hinkunft Schwarzarbeit zu leisten und Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen. Er übersieht mit dieser Argumentation aber zum einen, dass bei selbstständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen die Bemessungsgrundlage aus den letzten (drei) Wirtschaftsjahren abgeleitet wird (vgl die Rechtsprechungsnachweise bei Gitschthaler , Unterhaltsrecht [2008] Rz 85‑87), für welchen Zeitraum der Mann tatsächlich keine Abgaben leistete. Zum anderen wäre es für die unterhaltsberechtigte Frau unzumutbar, sich zunächst mit den gekürzten Einnahmen zu bescheiden, um später eine rückwirkende Unterhaltserhöhung zu erstreiten, wenn feststehen sollte, dass der Mann weiterhin tatsächlich keine Abgaben leistet; dies abgesehen davon, dass der Frau diesbezüglich jegliche Informationen fehlen würden und ihr auch eine diesbezügliche Informationsbeschaffung (etwa bei den Abgabenbehörden) kaum möglich wäre.

Jedenfalls dann, wenn ‑ wie hier ‑ der Unterhaltspflichtige über längere Zeit Schwarzeinnahmen erzielte, nach den Feststellungen der Vorinstanzen auch weiterhin solche erzielen wird und nicht einmal behauptet, die offenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für die Vergangenheit nachbezahlt zu haben, hegt der Oberste Gerichtshof keine Bedenken gegen die weitere Einbeziehung der gesamten und ungekürzten Einnahmen auch in den laufenden Unterhalt. Dem Unterhaltspflichtigen steht ja die rechtliche Möglichkeit offen, nach Abfuhr der entsprechenden Einkünfte an die zuständigen Behörden eine (auch rückwirkende) Unterhaltsherabsetzung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Nettoeinkünfte zu verlangen (vgl insbesondere 4 Ob 319/98k).

1.5.  Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage wurde somit von ihm in durchaus vertretbarer Weise gelöst, wobei die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Überlegungen maßgeblich vom konkreten Einzelfall beeinflusst wurden.

2.  Es gelingt aber auch dem Mann nicht, in seiner Revision eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Er führt nämlich unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 87/05w lediglich aus, der unterhaltsberechtigte Ehegatte habe nachzuweisen, dass er sich seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit nicht verschaffen könne; nach der Entscheidung 8 Ob 210/02v wiederum sei der Unterhaltsberechtigte behauptungs- und beweispflichtig dafür, dass er nicht in der Lage wäre, ein höheres Einkommen zu erzielen als vom Erstgericht festgestellt. Die Frau habe im vorliegenden Verfahren hingegen lediglich behauptet und unter Beweis gestellt, was sie tatsächlich verdient hat.

2.1.  Abgesehen davon, dass den beiden genannten Entscheidungen Unterhaltsberechtigte zugrunde lagen, die über kein eigenes Einkommen verfügten und bei denen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anspannung verneint wurde, wofür sie tatsächlich die Behauptungs‑ und Beweislast traf, während hier Einkünfte der Frau festgestellt und diese der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt wurden, steht fest, dass die Frau „im Klagszeitraum“ ein höheres Einkommen als jenes, welches sie tatsächlich erwirtschaftete, nicht „ins Verdienen hätte bringen können“ (Seite 9 des Ersturteils); diese Feststellung erachtete das Berufungsgericht als nicht beanstandenswert (Seite 28 des Berufungsurteils). Auf Fragen der Beweislastverteilung kommt es in diesem Zusammenhang somit nicht an.

2.2.  Der Mann meint in der Revision, die Frau habe nach § 66 EheG für ihren Unterhalt selbst aufzukommen; dies ist auch grundsätzlich richtig. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0110630) und dem klaren, unmissverständlichen Wortlaut des § 66 EheG ist der Unterhaltsanspruch des schuldlos geschiedenen Ehegatten gegenüber eigenen Einkünften und eigenem Vermögen subsidiär; darüber hinaus ist dieser Ehegatte im Umfang der Zumutbarkeit zur Erwerbstätigkeit verpflichtet (6 Ob 587/93 SZ 66/114; 6 Ob 219/98v; 8 Ob 210/02v). Ob, wie der Mann daraus schließt, die Frau deshalb entweder so viel verdienen muss, wie dies ihrer 40%-Quote (abzüglich Eigeneinkünften) entspricht, oder darzulegen hat, weshalb sie dieses Einkommen nicht erzielen kann, ansonsten vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anspannung auszugehen wäre, kann angesichts der genannten Feststellungen der Vorinstanzen dahin gestellt bleiben.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Frau hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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