OGH 9ObA100/14t

OGH9ObA100/14t29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 15.488,86 EUR sA (Revisionsinteresse: 13.634,03 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2014, GZ 7 Ra 15/14a-26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00100.14T.1029.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung übergeben zu haben, sodass die von ihm geltend gemachten Ansprüche auf Überstunden und Diäten gemäß Art XII des Kollektivvertrags für Arbeiter im Güterbeförderungsgewerbe verfallen seien.

Die Bestimmung, die den Beginn des Laufes der Verfallfrist an die Ausfolgung der ordnungsgemäßen Lohnabrechnung knüpft, verfolgt den Zweck, dass dem Dienstnehmer durch die Ausfolgung einer Abrechnung Klarheit darüber verschafft werden soll, welche Leistungen der Dienstgeber berücksichtigt hat (RIS‑Justiz RS0064548). Eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung liegt daher vor, wenn aus ihr der Auszahlungsbetrag und dessen Zweckwidmung sowie die vorgenommenen Abzüge einwandfrei erkennbar sind (RIS‑Justiz RS0029299).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Lohnabrechnungen im Zusammenhang damit gesehen, dass dem Kläger von März 2010 bis April 2011 neben einer Auszahlung auf das Gehaltskonto von monatlich 1.000 EUR netto zusätzlich ungewidmete Barbeträge auf die Hand bezahlt wurden, die stets höher als die jeweiligen Differenzbeträge zu den in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Beträgen waren. Ob damit vom Kläger geleistete Überstunden mit einem 50%igen Zuschlag, mit einem 100%igen Zuschlag, Tag- und/oder Nächtigungsgelder oder auch ganz andere Positionen (Auslagen, Verwaltungsstrafen oä) bezahlt werden sollten, blieb ungewiss. Wenn das Berufungsgericht meinte, dass dem Kläger damit nicht erkennbar war, welche der von ihm verzeichneten Leistungen von der Beklagten abgegolten waren und welche strittig blieben, so ist dies nach den Umständen des Falls vertretbar, weil die Vorgangsweise der Beklagten den mit einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung angestrebten Zweck hier gerade nicht erreichte (vgl 8 Ob 66/09b). Eine korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung liegt insoweit nicht vor.

2. Die Beklagte meint weiter, dass der Kläger durch die Vorlage seiner Arbeitszeitaufzeichnungen und der Tachografenscheiben seine Überstunden und Diäten nicht hinreichend geltend gemacht habe.

Hinsichtlich der Diäten wurde dies vom Berufungsgericht ohnehin angenommen. Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung unter „Geltendmachung“ von Überstundenentgelt zwar kein förmliches Einmahnen zu verstehen, wohl aber ein dem Erklärungsempfänger zumindest erkennbares ernstliches Fordern einer Leistung im Sinn einer wenigstens aus den Umständen zu erschließenden Willenserklärung. Dabei kommt es primär nicht auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger aus der Erklärung gewinnen durfte (RIS‑Justiz RS0051576 [T5]). Zudem wurde bereits klargestellt, dass der Zielsetzung einer Verfallsbestimmung auch durch die Geltendmachung von Ansprüchen schon vor deren Fälligkeit entsprochen wird. Verfügt der Arbeitgeber über monatliche Stundenaufzeichnungen, so kann er diese (und die daraus abgeleiteten Ansprüche) auf ihre Richtigkeit hin überprüfen (8 ObA 29/12s). Zwar stellt die Übergabe von Tachografenscheiben alleine keine schriftliche Geltendmachung von Überstunden dar (RIS-Justiz RS0127598). Hier hat der Kläger aber auch seine Arbeitszeitaufzeichnungen übergeben, die er in den von der Beklagten aufgelegten Formularen vorgenommen hatte und die die Beklagte insbesondere auch für die Lohnabrechnungen heranzog. Ihr Vorbringen, dass nicht allein die Formularblätter Grundlage für die Lohnabrechnung waren und dass sich daraus im Übrigen der Umfang der geleisteten Überstunden lediglich in dem in den Lohnabrechnungen ersichtlichen Ausmaß ergeben hätte, entspricht nicht dem festgestellten Sachverhalt. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kläger seine Ansprüche auf Entlohnung der Überstunden fristwahrend geltend gemacht hat, ist danach nicht weiter zu beanstanden.

3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Stichworte