OGH 14Os91/14k

OGH14Os91/14k28.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz B***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 16. April 2014, GZ 17 Hv 175/13f‑24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00091.14K.1028.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz B***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, indem er

(1) im Sommer 2012 den unbekleideten Genitalbereich und die unbekleideten Brüste der am 8. Juli 2002 geborenen Katja K***** mit seiner Hand betastete und

(2) am 23. August 2013 die Scheide der am 20. März 2001 geborenen Teresa A***** mit seiner Hand betastete und kurzzeitig mit einem Finger penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grunde der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die ‑ mit der Begründung fehlender Aussagebereitschaft der Zeugin erfolgte (ON 23 S 12; vgl zur Unmaßgeblichkeit der Richtigkeit der Begründung: RIS-Justiz RS0121628; Ratz, WK‑StPO Rz 318) ‑ Abweisung des am 16. April 2014 in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung der Martina O***** Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Dieser Antrag war zum Beweis dafür gestellt worden, dass „die Aussage(n) von Katja K***** und Teresa A***** nicht den Tatsachen entsprechen und dass die Zeugin Martina O***** bei ihrer Einvernahme durch die erhebende Polizistin gleichsam dazu verhalten worden ist, die Angaben der Zeuginnen Katja K***** und Teresa A***** zu bestätigen“. Ergänzend führte der Verteidiger aus, dass sich die Genannte ‑ entgegen ihrer Erklärung anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren, in einer Hauptverhandlung nicht mehr aussagen und von ihrem „Aussagebefreiungsrecht gemäß § 156 Abs 1 Z 2 StPO“ Gebrauch machen zu wollen (ON 6 S 9 f) ‑ dem Angeklagten gegenüber nunmehr bereit erklärt habe, erneut vor Gericht auszusagen (ON 23 S 11 f).

Der Inhalt der Protokolle über die Befragung der genannten Zeugin durch die Kriminalpolizei (ON 2 S 23) und über ihre kontradiktorische Vernehmung (ON 6) wurde ‑ mit Einverständnis der Parteien ‑ vom Vorsitzenden des Schöffengerichts zusammenfassend vorgetragen (§ 252 Abs 2a StPO, hinsichtlich des zweiten Protokolls der Sache nach iVm § 252 Abs 1 Z 2a StPO), die Bild- und Tonaufnahmen über die kontradiktorische Vernehmung wurden vorgeführt (ON 23 S 9 und 13).

Mit Blick darauf ließ der Antrag durch den bloßen Hinweis auf die nunmehr vorliegende Aussagebereitschaft nicht erkennen, auf welcher Wahrnehmungsgrundlage Martina O***** in der Lage sein sollte, verlässliche Auskünfte zu der dem Schuldspruch 1 zugrunde liegenden Tat und damit zur Unrichtigkeit der Aussage der Zeugin Katja K***** zu geben, zumal die im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegenden Beweisergebnisse dafür keinen Anhaltspunkt ergaben, Martina O***** selbst vielmehr ‑ insoweit vom Beschwerdeführer (ON 19 S 5, ON 23 S 10) und Katja K***** (ON 8 S 7 f) bestätigt ‑ im Ermittlungsverfahren angegeben hatte, dass sie zum Tatzeitpunkt am Flur wartete, während der Beschwerdeführer und das Tatopfer sich alleine im Zimmer befanden (ON 6 S 7).

Den Schuldspruch 2 betreffend hat die Zeugin bereits bei ihrer kontradiktorischen Befragung ausdrücklich klargestellt, dass ihre ‑ den Beschwerdeführer belastende ‑ Aussage vor der Kriminalpolizei (ON 2 S 23 f) nicht den Tatsachen entsprach und sie in Wahrheit nicht beobachten konnte, dass er mit den Händen unter das Kleid der Teresa A***** griff (ON 6 S 9).

Inwiefern durch eine neuerliche Befragung der Zeugin eine darüber hinausgehende (nicht bereits bei deren kontradiktorischer Vernehmung mögliche) Aufklärung in Bezug auf die Verlässlichkeit der Aussage der Tatopfer zu erwarten war, ließ sich dem Antrag nicht entnehmen. Dieser enthielt somit keine ‑ die (mit Blick auf die vorangegangene Vorführung von Ton‑ und Bildaufnahmen bloß) ergänzende Vernehmung ‑ rechtfertigende Begründung (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 362), zielte daher auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0107040 [insbesondere T6], 14 Os 27/14y) und verfiel im Ergebnis zu Recht der Abweisung.

Die erst im Rechtsmittel nachgetragenen Erwägungen zur Antragsfundierung sowie die zugleich vorgelegten Schreiben der Eheleute B***** und der Martina O***** (Beilagen A und B) haben mit Blick auf das aus dem Wesen des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass nach § 156 Abs 1 Z 2 StPO durch eine kontradiktorische Vernehmung nur Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht erlangen können, die durch die dem Beschuldigten (Angeklagten) zur Last gelegte Straftat (bei mündigen Personen: in ihrer Geschlechtssphäre) verletzt worden sein könnten (vgl dazu auch Kirchbacher, WK-StPO § 165 Rz 17). Dies traf auf Martina O***** hinsichtlich der von der Anklage umfassten Taten nicht zu, worauf der Beschwerdeführer allerdings erstmals in der Nichtigkeitsbeschwerde ‑ und damit unbeachtlich ‑ zutreffend verweist (vgl dazu RIS‑Justiz RS0113906; Kirchbacher, WK‑StPO § 159 Rz 28; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 362, 364).

Zur Vorgangsweise des Vorsitzenden des Schöffengerichts, die nunmehrige Aussagebereitschaft der ‑ nach seiner Ansicht entschlagungsberechtigten ‑ Zeugin während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung telefonisch und nicht (allenfalls auf schonende Weise nach § 250 Abs 3 StPO) in der Hauptverhandlung unter Beteiligung der Parteien abzuklären (ON 23 S 10), vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0121344.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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