OGH 12Os57/14w

OGH12Os57/14w25.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hüseyin K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 und 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 114 Hv 3/13s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00057.14W.0925.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Der Angeklagte Hüseyin K***** wurde mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Mai 2013, GZ 114 Hv 3/13s-319, unter Einbeziehung des bereits im ersten Rechtsgang (vgl zu diesem 14 Os 169/11a) rechtskräftig abgeurteilten Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1, 12 zweiter Fall StGB sowie der ebenso bereits rechtskräftigen Schuldsprüche wegen der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB, der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB unter Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 17. April 2007, AZ 10 U 100/04p, nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 1. Oktober 2013, GZ 14 Os 126/13f-4, zurückgewiesen und die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet (§ 285i StPO). Darin wurde festgehalten, dass das Erstgericht den in unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer gelegenen Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB zum Ausgleich der dadurch bewirkten Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) angenommen und eine dadurch bewirkte Strafreduktion explizit in Rechnung gestellt hatte, dabei aber (bloß) eine rechnerische Spezifizierung derselben unterblieben war (BS 4). Das ziehe aber keine Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs nach sich.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2013, AZ 18 Bs 361/13i (ON 329 des Hv‑Aktes), wurde der gegen das genannte Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht erhobenen Berufung des Angeklagten Hüseyin K***** teilweise Folge gegeben und die Zusatzfreiheitsstrafe auf 33 Monate herabgesetzt. Dem in der „gegenständlich“ unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer gelegenen Konventionsverstoß (Art 6 Abs 1 MRK) wurde solcherart ‑ durch das Berufungsgericht ‑ durch eine Reduktion der Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten Rechnung getragen (US 7 f).

Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht richtet sich der auf die Behauptung einer fortdauernden Verletzung im Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK gestützte Antrag des Verurteilten Hüseyin K***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS‑Justiz RS0122228).

Rechtliche Beurteilung

Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu:

Wird eine ‑ vorliegend ‑ in unangemessener Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 EMRK) anerkannt und ausdrücklich, messbar und im Licht der Judikatur der Straßburger Instanzen ausreichend ausgeglichen, so fehlt es dem Verurteilten an der auch für Erneuerungsanträge gemäß § 363a StPO per analogiam geltenden Zulässigkeitsvoraussetzung der fortdauernden Opfereigenschaft im Sinn des Art 34 EMRK (RIS‑Justiz RS0125374). Der Ausgleich einer Grundrechtsverletzung wird (bereits) dann als ausreichend angesehen, wenn er nicht offensichtlich unangemessen ist (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 18 mit Judikaturnachweisen).

Dem lediglich mit dem pauschalen Einwand nicht entsprechender Gewichtung „ungewöhnlich“ langer Verfahrensdauer nicht am zuvor bezeichneten Prüfungsmaßstab orientierten Antragsvorbringen zuwider fehlt es an dieser fortdauernden Opfereigenschaft:

Der für die Beurteilung einer konventionskonformen Verfahrensdauer (Art 6 Abs 1 MRK; § 34 Abs 2 StGB) maßgebliche Zeitraum beginnt mit dem In-Kenntnis-Setzen des Verdächtigen von der Tatsache, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird, vorliegend somit mit der Kundmachung des Beschlusses auf Einleitung der Voruntersuchung gegenüber dem Beschuldigten Hüseyin K***** am 13. November 2007 (ON 47/Band III), und endet mit dem Eintritt der Rechtskraft des verurteilenden Erkenntnisses, hier mit dem Zeitpunkt des Urteils des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2013 (RIS-Justiz RS0124901). In Anbetracht einerseits der somit maßgeblichen rund sechsjährigen Verfahrensdauer, andererseits aber der beträchtlichen Verfahrensdimension erweist sich der vom Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht durch Sanktionsreduktion effektuierte Ausgleich der Grundrechtsverletzung als nicht offensichtlich unangemessen, sodass die Opfereigenschaft des Verurteilten Hüseyin K***** im Sinn des Art 34 MRK weggefallen ist.

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung war der Erneuerungsantrag daher zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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