OGH 1Ob139/14v

OGH1Ob139/14v18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** P*****, vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltpartnerschaft OG, Wien, gegen die beklagte Partei Autohaus B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz‑Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg M.C.J., Rechtsanwälte in Wien, wegen 32.076 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien, vom 18. Juni 2014, GZ 1 R 70/14t‑44, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 31. Jänner 2014, GZ 3 Cg 170/12k‑39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger kaufte von der Beklagten am 20. 3. 2012 um 50.400 EUR einen zur Verwendung als Taxi bestimmten Lancia Thema 3,0 L CRD Platinum mit 175 KW/240 PS. Zur Behebung unterschiedlicher von ihm behaupteter Mängel stellte er das Fahrzeug immer wieder zur Beklagten zurück. Soweit Mängel tatsächlich vorlagen, (Defekte am Tempomat in Form eines automatischen Ausschaltens, am Navigationsgerät bei der Spracherkennung und das Loslösen des Turboschlauchs) wurden diese bis 6. 7. 2012 mit Ausnahme des im Folgenden dargestellten Mangels behoben, dessen Einstufung als geringfügig (und die Wandlung nicht rechtfertigend) durch die Vorinstanzen noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist: das Aufblinken der Leuchte des „Totwinkel‑Assistenten“ am Armaturenbrett alle 300 bis 400 Kilometer verbunden mit einem zweimaligen kurzen Piepton und einem Aufleuchten des entsprechenden Signallichts am linken Außenspiegel, wodurch die Funktion des „Totwinkelsystems“ nicht beeinträchtigt war. Es blinkte bei gegebener Situation, so wie es das System vorsieht, am Außenspiegel eine gelbe Lampe, welche signalisierte, dass ein Fahrzeug im toten Winkel ist.

Nach mehreren Behebungsversuchen, bei denen die Beklagte die Ursache dieser Fehlermeldung nicht finden konnte, ließ der Kläger das Fahrzeug, das damals einen Kilometerstand von zumindest 22.904 Kilometer aufwies, am 17. 7. 2012 bei der Beklagten mit der Anweisung, diese solle das Problem mit dem Totwinkel‑Assistenten beheben, zurück, erklärte aber dann am 24. 7. 2012, den Kaufvertrag wandeln zu wollen.

Der Fehler beim Totwinkel‑Assistenten wurde durch Austausch der Batterie Ende Juli behoben. Dies wurde dem Kläger telefonisch Ende Juli oder Anfang August 2012 mitgeteilt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die vom Berufungsgericht bestätigte Abweisung seines Leistungsbegehrens richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die keine Rechtsfragen von der nach § 502 Abs 1 ZPO erforderlichen Bedeutung anspricht:

1.1. Nach § 932 Abs 2 ABGB idF des Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetzes (GewRÄG, BGBl I 2001/48) kann der Übernehmer wegen eines Mangels von den in § 932 Abs 1 ABGB genannten Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch der Sache, angemessene Minderung des Entgelts oder Aufhebung des Vertrags) zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer nach § 932 Abs 4 ABGB das Recht auf Preisminderung oder, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. Diese Gesetzeslage setzt das Stufensystem des Art 3 Abs 3 und 5 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25. 5. 1999 um (5 Ob 191/05g; 4 Ob 80/12m; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB 4 § 932 ABGB Rz 2; vgl auch Reischauer, Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137 [143 f]).

1.2. Vorangestellt sei, dass die Rechtsprechung bei der Gewichtung von Fehlern unerhebliche und geringfügige Mängel unterscheidet, die nicht gleichzusetzen sind (1 Ob 14/05y = SZ 2005/82 = EvBl 2005/181 [ Rabl ]).

1.3. Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB (vgl zu den Kriterien für die Einstufung als geringfügiger Mangel unter ausführlicher Darstellung der Literatur zum neuen Gewährleistungsrecht 1 Ob 14/05y mwN) vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen (RIS-Justiz RS0119978). Die Einstufung der Erheblichkeit bzw Geringfügigkeit eines Mangels wirft in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (6 Ob 26/11h; 2 Ob 205/10a; RIS-Justiz RS0119978 [T7]).

2.1. Die Beurteilung des Mangels als geringfügig wäre daher vom Obersten Gerichtshof nur dann zu korrigieren, wenn sie auffallend unrichtig wäre, was hier nicht der Fall ist:

2.2. So lässt die Darstellung des Revisionswerbers, mehrere geringfügige Mängel könnten in der Summe erheblich sein, außer Acht, dass für den Kläger, als er am 24. 7. 2012 erklären ließ, Wandlung geltend zu machen, überhaupt nur noch ein Mangel vorlag, der danach Ende Juli 2012 behoben wurde, und bei der Beurteilung einer allfälligen Geringfügigkeit eines Mangels auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der subsidiäre Gewährleistungsanspruch entsteht (1 Ob 199/07g; LG St. Pölten RSP0000083; Hödl in Schwimann , ABGB‑TaKomm² § 932 Rz 25 mwN). Der Vorhalt eines sogenannten Montags‑ oder Zitronenauto ist auf Basis des festgestellten Sachverhalts nicht schlüssig. Die weiteren vom Kläger relevierten Mängel, wie sonstige elektronische Defekte, akustische Warnhinweise, Leistungsverlust oder ansteigender Verbrauch, Defekte am Kommunikationsmodul der Beifahrertür oder im Bereich der Kommunikation mit dem Fahrertürmodul samt USB‑Kommunikation, konnten gerade nicht festgestellt werden.

2.3. Auch seine Argumentation, kein Fahrgast akzeptiere das „ständige Auftreten“ der elektronischen Defekte bzw akustischen Warnhinweise, ist angesichts eines Aufleuchtens ca alle 300 bis 400 Kilometer und eines zweimaligen kurzen Pieptons nicht nachvollziehbar und geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Damit ist die Revision zu dieser Thematik nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0043312).

2.4. Bei seiner Ansicht, die Erheblichkeit des Mangels ergebe sich aus der Tatsache, dass sich seine Ursache bis zum Vertragsrücktritt nicht habe klären lassen, beachtet der Revisionswerber nicht, dass der Behebbarkeit und dem Behebungsaufwand nur im Rahmen der Interessenabwägung Bedeutung zukommen (RIS‑Justiz RS0119978 [T8, T9]). Im vorliegenden Fall hatte er selbst noch am 17. 7. 2012 der Beklagten das Fahrzeug zur ‑ dann auch erfolgten ‑ Behebung des Mangels übergeben. Dieser stand eine angemessene Frist (zu dieser vgl RIS‑Justiz RS0120245) zur Reparatur zu. Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Fall der Wandlung den um eine Nutzungsentschädigung geringfügig reduzierten Neukaufpreis und diverse Aufwendungen zu ersetzen hätte, während sie gerade bei einer intensiven Nutzung als Taxi am Gebrauchtwagenmarkt wohl nur einen weit aus geringeren Verkaufspreis erzielen könnte. Dem Beklagten wurde ohnehin ein Ersatz für 17 Stehtage zugesprochen. Das Fahrzeug war schon Ende Juli mängelfrei (für die Überschreitung einer angemessenen Reparaturfrist wäre im Übrigen der Kläger beweispflichtig, sodass Zweifel zu seinen Lasten gingen [vgl 5 Ob 191/05g; 1 Ob 199/07g]). Die Einstufung der bei Erklärung der Wandlung für den Kläger allein noch relevanten Fehlfunktion in Form der ca alle 300 bis 400 Kilometer aufgetretenen Phantomalarme des Totwinkel‑Assistenten, die die Funktion des Systems nicht beeinträchtigten, als geringfügig, ist bei einem ansonsten intakten und ordnungsgemäßen PKW auch unter Berücksichtigung des deklarierten Erwerbszwecks (8 Ob 63/05f) zur Nutzung als Taxi jedenfalls vertretbar.

3. Damit muss auf die Frage, ob der Kläger, wäre der Mangel nicht geringfügig überhaupt berechtigt gewesen wäre, ohne Ablauf einer angemessenen Nachfrist auf den sekundären Gewährleistungsbehelf „umzusteigen“, nachdem er zuvor die Verkäuferin noch zur Behebung aufgefordert und diese dazu das Fahrzeug auch angenommen hatte (vgl 6 Ob 217/07s; 4 Ob 80/12m; Hödl in Schwimann , ABGB Takomm² § 932 Rz 17), nicht mehr eingegangen werden.

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