European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00082.14M.0911.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Murad B***** und Mowsar Be***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie am 7. Dezember 2013 in I***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz versucht, Andreas H***** mit Gewalt sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) und unter Verwendung von Waffen Bargeld abzunötigen, indem sie diesem vorerst eine Schreckschuss- und eine Luftdruckpistole vorwiesen, ihm sodann mit beiden Waffen gegen den Kopf schlugen sowie die Schreckschusspistole in seine Richtung feuerten und die Herausgabe von Geld forderten.
Dagegen richten sich die von B***** aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a und von Be***** aus jenen der Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden; ihnen kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*****:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf neuerliche Ladung und Vernehmung des Zeugen Andreas H***** Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Denn der dahin begründete Beweisantrag, der Erstangeklagte habe in Stresssituationen Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und könne nur in stark stotternder Art und Weise sprechen, sodass den Fragen, wie die während des Überfalls „getätigten Sätze gefallen“ seien und „insbesondere ob der Täter diese Sätze unter einem oder in abgehackter Art und Weise vorgetragen hat“, erhebliche Bedeutung zukomme und „diesbezüglich noch keine Beweisergebnisse vorliegen bzw. eine Befragung des Tatzeugen H***** nicht stattgefunden“ habe (ON 114 S 12), legte weder dar, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer abermaligen Vernehmung des Zeugen erst nachträglich ergeben habe (RIS‑Justiz RS0098117), noch weshalb dieser von seinen bisherigen Aussagen (vgl ON 82 S 7 ff iVm ON 6 S 191 ff, ON 7 S 27 ff und S 13 ff) abweichen sollte, sodass der Antrag auch auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (neuerlich RIS‑Justiz RS0098117 [T1, T3, T4], RS0117928 [T6] Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f).
Der Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht übergehe, dass auf jener Bierflasche, in der sich Zigarettenkippen mit DNA‑Spuren der Angeklagten befanden, keine Fingerabdrücke gefunden wurden, sodass es unwahrscheinlich sei, „dass diese Flasche von den Angeklagten ausgefasst bzw. in weiterer Folge auch in die Hand genommen“ wurde, ist schon vom Ansatz her verfehlt, weil daktyloskopische Spuren an der Glasflasche zwar gesichert wurden, jedoch (bloß) für eine weitere Untersuchung nicht brauchbar waren (vgl ON 6 S 105, 153, 167, 175).
Der weitere Einwand, die Tatzeugen hätten die Angeklagten nicht eindeutig identifiziert, sodass das Erstgericht die „nicht in eine eindeutige Richtung der Täterschaft der Angeklagten zeigenden Beweisergebnisse auch entsprechend und detaillierter würdigen“ hätte müssen, orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 5 ff; vgl RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394) und legt im Übrigen nicht dar, welche erheblichen Verfahrensergebnisse das Schöffengericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung konkret unberücksichtigt gelassen habe.
Soweit die Rüge (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 9 lit a) behauptet, das Erstgericht hätte aufgrund der Angaben des Zeugen Franz M***** „feststellen“ müssen, dass sich die beiden Angeklagten am 6. Dezember 2013 am späten Nachmittag/frühen Abend (ab 16:00 Uhr) im vom späteren Überfall betroffenen Spiellokal aufgehalten hatten und hier am ersten Spielautomaten gestanden sind bzw. gespielt haben“, wird ein ‑ auf ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bezogener ‑ Feststellungsmangel nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0118580; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 420 und 600 ff), sondern bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft (RIS‑Justiz RS0099599).
Auch mit der Erwägung, die in einer Bierflasche neben dem Spielautomaten aufgefundenen Zigarettenkippen mit DNA‑Spuren der Angeklagten könnten „durchaus“ vom Nachmittag des 6. Dezember 2013 stammen „und von wem auch immer in diese Bierflasche hineingegeben worden“ sein, stellt der Beschwerdeführer den Urteilsannahmen ‑ außerhalb der Anfechtungskategorien der Z 5 ‑ bloß seine eigene Auffassung entgegen und greift damit abermals unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts an (RIS‑Justiz RS0099455 [T15, T16, T18]).
Mit dem Verweis auf das bisher erstattete Vorbringen und dem Hinweis auf Unsicherheiten der Zeugen Jovan F*****, Melita S*****, Andreas H***** und Franz M***** bei der Identifizierung der Täter, ohne dabei an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen Maß zu nehmen, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS‑Justiz RS0118780).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Be*****:
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bewirkte die Abweisung des Antrags auf Ladung und Vernehmung der Zeugen Johann P***** und Roger T***** zum Beweis, „dass die in ON 6 Beilage 1 angeführte Munition nicht sicher dem Tatort zugeordnet werden kann“ (ON 114 S 14), keine Beeinträchtigung von Verteidigungsinteressen, ließ der Beweisantrag doch weder erkennen, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erbringen sollte, noch inwieweit dieses ‑ mit Blick auf den Vorwurf der Verwendung sowohl einer Schreckschuss‑ als auch einer Luftdruckpistole ‑ für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sei, wobei beides auch nicht offensichtlich war (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327). Die zur Fundierung des Antrags nachgetragenen Rechtsmittelausführungen, wonach die vom Beschwerdeführer genannten Spuren keinem der Angeklagten zugeordnet werden hätten können und bei diesen auch keine Waffen gefunden worden seien, sind unbeachtlich, weil die Antragsberechtigung stets auf die bei der Antragstellung genannten Gründe bezogen zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0099117, RS0099618).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit der aktenwidrigen Behauptung (vgl ON 6 S 59, 153 und 165), keine der auf den Zigarettenkippen befindliche DNA‑Spur sei dem Zweitangeklagten zuzuordnen, dem Verweis auf die unterschiedlichen Marken jener Zigaretten, welche die Angeklagten einerseits dem Zeugen F***** angeboten haben sollen und sich andererseits in der sichergestellten Bierflasche befanden, und mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten der Zeugen F*****, H***** und S***** bei der Identifizierung der Täter, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Bleibt anzumerken, dass das Schöffengericht verfehlt ‑ überdies ohne die hiefür (insbesondere mit Blick auf § 39 Abs 2 StGB) erforderlichen Feststellungen zu treffen ‑ hinsichtlich des Angeklagten Be***** von einer erweiterten Strafbefugnis nach § 39 StGB ausgegangen ist (US 12), obwohl der Angeklagte die Anlasstat vor Vollendung des 19. Lebensjahrs begangen hat (siehe § 39 Abs 1 erster Satz StGB). Da der nicht geltend gemachten Nichtigkeit des Strafausspruchs (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; RIS‑Justiz RS0125294; Flora in WK² StGB § 39 Rz 44; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 668c und Rz 671) im Rahmen der Entscheidung über die Berufungen Rechnung getragen werden kann (RIS‑Justiz RS0122140, RS0119220; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 29), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO.
Die irrige Annahme des Erstgerichts, beim Angeklagten B***** sei die Strafbemessungsvorschrift des § 39 StGB zwingend anzuwenden, bewirkt zwar keine Nichtigkeit, der Ermessensfehler wird jedoch ebenfalls vom Berufungsgericht zu beachten sein (vgl RIS‑Justiz RS0091333 [T10], RS0091368; Flora in WK² StGB § 39 Rz 44; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 728).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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