OGH 7Ob132/14h

OGH7Ob132/14h10.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Familienrechtssache der gefährdeten Partei A***** T*****, vertreten durch ihre Mutter M***** T*****, gegen den Vater und Gegner der gefährdeten Partei D***** K*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382e EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Mai 2014, GZ 42 R 182/14x‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00132.14H.0910.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 2 iVm 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs setzt die Erlassung der hier beantragten einstweiligen Verfügung die Bescheinigung eines konkreten Verhaltens des Antragsgegners voraus, das Gewaltanwendung im weiteren Sinn beinhaltet. Die Bescheinigung eines bloßen Verdachts , der Antragsgegner verhalte sich gewalttätig ‑ die Ausübung der hier in Rede stehenden sexuellen Gewalt ist von diesem Begriff selbstverständlich umfasst ‑ reicht für die Annahme, das Verhalten des Antragsgegners mache das weitere Zusammenleben oder Zusammentreffen unzumutbar, nicht (RIS-Justiz RS0124434; 3 Ob 198/08a).

Von dieser Rechtsprechung ausgehend macht der Antragsgegner zur Zulässigkeit seines außerordentlichen Revisionsrekurses geltend, das Erstgericht habe nur einen solchen Verdacht als bescheinigt erachtet. Vom Rekursgericht seien die Ausführungen des Erstgerichts daher zu Unrecht dahingehend ausgelegt worden, dass „mehr“ als ein Verdacht, also auch der sexuelle Missbrauch seiner vierjährigen Tochter durch den Vater bescheinigt sei.

Dem ist zu erwidern, dass die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen jeweils einzelfallbezogen ist und regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage bildet (RIS-Justiz RS0118891; 7 Ob 70/13i; 7 Ob 77/13v). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (7 Ob 114/10f). Eine solche liegt hier jedoch nicht vor.

Angesichts der vom Erstgericht ausdrücklich als bescheinigt angenommenen Tatsachen und der in seiner Beweiswürdigung genannten Gründe, weshalb der Sachverhalt als bescheinigt angesehen wurde, begegnet die Beurteilung des Rekursgerichts, das Erstgericht sei von mehr als [nur] einer Verdachtslage auf sexuellen Missbrauch ausgegangen (habe also ein Verhalten des Vaters als bescheinigt erachtet, das die erlassene einstweilige Verfügung rechtfertige) jedenfalls vertretbar: Hat das Erstgericht doch auch in der Rechtsbeurteilung klargestellt, derzeit könne der sexuelle Missbrauch [zwar noch] nicht als „ bewiesen “ angenommen, aber auch nicht „ ausgeschlossen “ werden.

Das Rechtsmittel rügt auch „Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ und zielt damit auf die Feststellung ab, dass ein sexueller Missbrauch der Tochter durch den Antragsgegner nicht erfolgt sei, was aber gerade nicht dem von den Vorinstanzen als bescheinigt zugrunde gelegten Sachverhalt entspricht. Da der Vater hier nicht von der Sachverhaltsgrundlage der Tatsacheninstanzen ausgeht, und die ‑ nicht überprüfbare ‑ Beweiswürdigung bekämpft, ist darauf nicht weiter einzugehen (7 Ob 14/12b):

Ist doch der Oberste Gerichtshof (auch) im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz, nicht jedoch Tatsacheninstanz, also an den von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt gebunden, weshalb ihm die Überprüfung der Beweiswürdigung entzogen ist (RIS‑Justiz RS0002192 [T17; T27]; 7 Ob 127/13x mwN; vgl auch RS0112242, RS0043371 und RS0012391 [wonach die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht auch im Sicherungsverfahren insoweit ausgeschlossen ist, als dieser den Sachverhalt ‑ wie hier ‑ auf Grund vor ihm abgelegter Zeugenaussagen oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat]). Demgemäß kann sich der Antragsgegner auch nicht darauf berufen, dass die Antragstellerin in Bezug auf das Geschehen nicht aussagefähig („aussagetüchtig“) sei; ebensowenig auf etwaige andere Ursachen für die Rötung im Genitalbereich der Minderjährigen.

Da eine erhebliche Rechtsfrage nicht geltend gemacht wird, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen, was keiner weiteren Begründung bedarf (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO).

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