OGH 10ObS83/14z

OGH10ObS83/14z26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, und der auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin N***** Wirtschaftstreuhand & Steuerberatungs GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Posch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist‑Straße 1, wegen Alterspension und Rückforderung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2014, GZ 11 Rs 43/14v‑13, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Februar 2014, GZ 18 Cgs 152/13f‑9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00083.14Z.0826.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 18. 6. 2013 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 18. 8. 2006 auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit der Begründung ab, dass der Kläger als geschäftsführender Gesellschafter der H***** GmbH Einkünfte erzielt habe, die die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG übersteigen. Unter einem wurde der ‑ durch vorläufige Leistungen entstandene ‑ Überbezug an Pension in Höhe von 135.396,15 EUR zurückgefordert.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage beantragt der Kläger die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag 1. 12. 2006; weiters begehrt er die Feststellung, dass die im Bescheid angeordnete Rückzahlungspflicht nicht zu Recht bestehe, in eventu, dass die beklagte Partei schuldig sei, die Rückforderung eines Überbezugs zu unterlassen. Er habe ab dem Stichtag keine selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbseinkünfte, die über der jeweiligen monatlichen Geringfügigkeitsgrenze liegen, erzielt. Das Ansetzen des Gewinns als fiktives Erwerbseinkommen sei unzulässig.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit dem Vorbringen, der Kläger habe eine Mitteilung darüber unterlassen, dass er Einkommen aus der H***** GmbH erziele bzw er Anspruch auf nicht entnommene Gewinne habe. Diese Gewinne seien aus den Einkommenssteuerbescheiden nicht ersichtlich gewesen.

Mit Schriftsatz vom 10. 12. 2013 verkündete der Kläger der N***** Wirtschaftstreuhand & Steuerberatungs GmbH (im Folgenden nur: „Wirtschftstreuhand & Steuerberatung GmbH “) den Streit. Er habe diese beauftragt, sein Einkommen laufend zu beobachten und mit allfälligem Einkommen aus Gesellschaften, an denen er beteiligt gewesen sei, abzustimmen. So habe er sicherstellen wollen, dass sein Erwerbseinkommen das gemäß § 5 Abs 2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteige. Da die Gesellschaft diesem Auftrag schuldhaft nicht nachgekommen sei, sei sie ihm im Regressweg zur Schadenersatzleistung verpflichtet.

Mit Schriftsatz vom 2. 1. 2014 erklärte die Wirtschaftstreuhand & Steuerberatungs GmbH ihren Beitritt als Nebenintervenientin auf Klagsseite und führte aus, sie habe ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers im vorliegendem Rechtsstreit, weil dieser für den Fall des Prozessverlusts bereits Regressansprüche angekündigt habe. Es werde allerdings ausdrücklich bestritten, dass der Kläger sie zu irgendeinem Zeitpunkt beauftragt habe, sein Einkommen im Hinblick auf pensionsrechtliche Fragen laufend zu beobachten, um sicherzustellen, dass das jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nach § 5 Abs 2 ASVG nicht überstiegen werde. Da sie der Kläger niemals beauftragt habe, pensionsrechtliche Fragen zu klären, habe sie auch keine Warn- oder Hinweispflicht getroffen. Es sei niemals ihre Aufgabe gewesen zu überprüfen, ob Gewinne der H***** GmbH für den Pensionsbezug des Klägers relevant seien oder nicht. Ein Schadenersatzanspruch wäre im Übrigen gemäß den dem Vertragsverhältnis zu Grunde liegenden Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhandberufe (AAB 2011) verfallen.

Mit Schriftsatz vom 15. 1. 2014 beantragte die beklagte Partei die Zurückweisung in eventu die Abweisung des Beitritts.

Das Erstgericht ließ die Nebenintervention auf Seiten des Klägers zu.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass die Nebenintervention zurückgewiesen wurde und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, es mangle der Nebenintervenientin am erforderlichen rechtlichen Interesse. Da diese ausdrücklich bestreite, vom Kläger mit der Klärung pensionsrechtlicher Fragen beauftragt worden zu sein, berühre das Obsiegen oder Unterliegen des Klägers im gegenständlichen Rechtsstreit über die Zuerkennung einer Alterspension und die Feststellung des Nichtbestehens einer Rückzahlungsverpflichtung die Rechtssphäre der Nebenintervenientin nicht.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionrekurs der Nebenintervenientin ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloße wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RIS‑Justiz RS0035724).

1.2 Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0035724 [T8]).

1.3 Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS‑Justiz RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse dann gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RIS‑Justiz RS0035724 [T3]).

1.4 Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann der Fall, wenn dem Dritten in einem Folgeprozess Regressansprüche als Folge des Prozessverlusts der Partei im Hauptprozess drohen (RIS‑Justiz RS0106173 [T2]). Dabei reicht es aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Er muss sein Interventionsinteresse in der Beitrittserklärung bestimmt angeben und die Tatsachen genau vortragen, aus denen das Interesse am Obsiegen der anderen Partei abgeleitet wird. Führen die vorgebrachten Tatsachen wegen ihrer Unschlüssigkeit zur Verneinung eines rechtlichen Interesses in abstracto, ist die Nebenintervention zurückzuweisen (Schubert in Fasching/Konecny 2 § 18 ZPO Rz 6 mwN).

2.1 Von diesen Grundsätzen weicht die Rechtsansicht des Rekursgerichts nicht ab. Zwar hat der Kläger Regressansprüche bereits angekündigt und diese damit begründet, er habe die Nebenintervenientin damit beauftragt, darauf zu achten, dass sein Erwerbseinkommen das gemäß § 5 Abs 2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteige. Die Nebenintervenientin hat in ihrem Beitrittsschriftsatz aber ausdrücklich ausgeführt, sie habe niemals einen derartigen Auftrag entgegengenommen und sei niemals mit der Klärung pensionsrechtlicher Fragen betraut worden; im Übrigen wären etwaige Regressansprüche nach den anzuwendenden Auftragsbedingungen bereits verfallen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, aus diesem Tatsachenvorbringen lasse sich das Interesse der Nebenintervenientin am Obsiegen des Klägers nicht ableiten, weshalb es der Nebenintervenientin nicht gelungen sei, ihr Interventionsinteresse schlüssig darzulegen, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

2.2 Hat das Rekursgericht im Hinblick auf die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls in vertretbarer Weise das Interventionsinteresse verneint, ist der außerordentliche Revisionrekurs mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

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