OGH 10Ob44/14i

OGH10Ob44/14i26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Antragstellerin mj K*****, geboren am *****, vertreten durch das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie ‑ Bezirk 10, 1100 Wien, Van der Nüll‑Gasse 20) wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, 1010 Wien, Schmerlingplatz 11, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. März 2014, GZ 44 R 148/14m‑124, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 6. Februar 2014, GZ 6 Pu 265/09t‑113, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00044.14I.0826.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

 

Begründung:

Die am ***** geborene K***** ist die Tochter von von Z***** und L*****.

Mit einstweiliger Verfügung vom 22. 4. 2010 wurde der Vater der Minderjährigen ab 24. 3. 2010 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Unterhaltsbemessungs-verfahrens zur Zahlung eines vorläufigen Unterhalts in Höhe von 122,09 EUR monatlich verpflichtet (ON 52).

Gestützt auf den vorläufigen Titel wurden der Minderjährigen auf deren Antrag vom 7. 6. 2010 (ON 58) mit (berichtigtem) Beschluss vom 5. 8. 2010 im Zeitraum 1. 6. 2010 bis 31. 5. 2015 Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich 122,09 EUR gewährt.

Mit Beschluss vom 16. 10. 2013 wurden diese Titelvorschüsse (rückwirkend) für den Zeitraum 1. 7. 2012 bis 30. 6. 2013 in Haftvorschüsse umgewandelt.

Mit Beschluss vom selben Tag (dem 16. 10. 2013) wurden die Haftvorschüsse per 30. 6. 2013 beendet und dieursprünglich gewährten Titelvorschüsse ab 1. 7. 2013 wieder in Geltung gesetzt (§ 7 Abs 2 UVG).

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 29. 10. 2013 (ON 110) verpflichtete das Erstgericht den Vater zu folgenden monatlichen Unterhaltsleistungen für die Minderjährige:

vom 1. 7. 2007 bis 30. 9. 2007 in Höhe von 330 EUR;

vom 1. 8. 2009 bis 30. 11. 2009 in Höhe von 330 EUR;

vom 1. 6. 2010 bis 31. 8. 2010 in Höhe von 225 EUR;

vom 1. 9. 2010 bis 30. 11. 2010 in Höhe von 150 EUR;

vom 1. 8. 2013 bis 31. 8. 2013 in Höhe von 30 EUR;

vom 1. 9. 2013 bis laufend, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes in Höhe von 85 EUR. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Aus der Begründung dieses Beschlusses ergibt sich, dass der Vater von 6. 12. 2011 bis 28. 6. 2013 in Strafhaft war und deshalb in diesem Zeitraum zu keiner Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen sei (AS 453).

Mit dem angefochtenen, vom 6. 2. 2013 datierenden Beschluss erhöhte das Erstgericht von Amts wegen (rückwirkend) die Unterhaltsvorschüsse von 122,09 EUR für die Zeit

vom 1. 6. 2010 bis 31. 8. 2010 auf 255 EUR monatlich und

vom 1. 9. 2010 bis 31. 11. 2010 auf 155 EUR monatlich.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, infolge des in Rechtskraft erwachsenen Unterhaltstitels vom 29. 10. 2013 sei gemäß § 19 Abs 2 UVG ab dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten mit der Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse vorzugehen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Bundes keine Folge und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs ‑ vorbehaltlich § 63 AußStrG ‑ nicht zulässig sei. Es vertrat die Auffassung, bei der amtswegigen Erhöhung zurückliegender Vorschüsse müssten im Zeitpunkt der Erhöhungsentscheidung noch aktuelle Vorschüsse des gleichen Typs gewährt werden, weil nur solche „erhöht“ werden könnten. Im vorliegenden Fall seien seit 1. 6. 2010 „nahtlos“ Titel‑, sodann Haft- und schließlich erneut Titelvorschüsse gewährt worden. Die Titelvorschüsse seien vom 1. 7. 2012 bis 30. 6. 2013 in Haftvorschüsse umgewandelt, die Haftvorschüsse dann per 30. 6. 2013 beendet und die Titelvorschüsse per 1. 7. 2013 wieder in Geltung gesetzt worden. Damit sei zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung (dem 6. 2. 2014) von einer ununterbrochenen Gewährung von Unterhaltsvorschüssen auszugehen. § 19 Abs 3 UVG, der eine betragsmäßige Anpassung der Vorschüsse nach oben und unten auf Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ermögliche, sei auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Um das vom Gesetzgeber des FamRÄG verfolgte Ziel einer kontinuierlichen Titelbevorschussung zu erreichen, sei der Zeitraum der Gewährung von Haftvorschüssen bei der rechtlichen Beurteilung gleichsam „auszuklammern“.

Über Zulassungsvorstellung des Bundes ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs im Hinblick darauf zu, dass in § 19 Abs 3 UVG als Grund für eine Änderung der Vorschüsse nur angesehen wird, wenn die Vorschüsse zunächst nach § 4 Z 4 UVG oder aufgrund einer einstweiligen Verfügung gewährt wurden und danach der Unterhaltsbeitrag endgültig festgesetzt wird. § 19 Abs 3 UVG regle aber nicht, ob von einer Änderung auch dann auszugehen sei, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Vorschüsse zunächst aufgrund einer einstweiligen Verfügung gewährt, diese Vorschüsse sodann auf Haftvorschüsse umgestellt und die ursprünglich gewährten Titelvorschüsse wieder in Geltung gesetzt werden.

Der Revisionrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Im Revisionsrekurs wird im Wesentlichen geltend gemacht, keiner der in § 19 Abs 3 UVG erwähnten beiden Fälle (Vorschüsse aufgrund des § 4 Z 4 UVG oder einer einstweiligen Verfügung) sei gegeben. Vielmehr seien die nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährten Vorschüsse durch die mit Beschluss des Erstgerichts vom 16. 10. 2013 vorgenommene Umstellung in Haftvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG für den Zeitraum 1. 7. 2012 bis 30. 6. 2013 unterbrochen worden. Bei der Bewilligung von Haftvorschüssen handle es sich nicht um eine „Weitergewährung“ iSd § 18 UVG, weil hier die Identität des Rechtsgrundes fehle. Die „Umstellung“ auf Haftvorschüsse bedeute, dass die Titelvorschüsse eingestellt und die Haftvorschüsse gewährt werden. § 19 Abs 3 UVG beziehe sich aber seinem eindeutigen Wortlaut nach nicht auf Umstellungen auf Haftvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG. Stichhaltige Gründe für eine analoge Anwendung des § 19 Abs 3 UVG auf eine Umstellung auf Haftvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG lägen nicht vor, weil sich § 19 Abs 2 UVG nicht geändert habe. Da keine durchgehende Titelbevorschussung vorliege, sei die Erhöhung der Titelvorschüsse zu Unrecht erfolgt.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Den Ausführungen im Revisionrekurs kommt Berechtigung zu:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen aufgrund einer einstweiligen Verfügung ist am 10. 6. 2010 bei Gericht eingelangt (ON 58). Gemäß § 37 Abs 10 UVG ist daher § 19 Abs 3 UVG idF des FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) anzuwenden.

2.1 § 19 UVG regelt die Änderung der Vorschüsse. Während Abs 1 die Voraussetzungen für eine Herabsetzung und Abs 2 für die Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse festlegen, wird in Abs 3 angeordnet, dass als Änderung der Vorschüsse im Sinn von Abs 1 und 2 auch gilt, wenn die Vorschüsse zunächst aufgrund des § 4 Z 4 UVG oder einer einstweiligen Verfügung gewährt werden und danach der Unterhaltsbeitrag (endgültig) festgesetzt wird.

2.2 Zu § 19 UVG idF vor dem FamRÄG 2009 galt, dass unabhängig davon, ob aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein „unechter“ Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG oder ein „echter“ Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 UVG begehrt wurde, der „vorläufige Unterhalt“ kein Vorgriff auf den „erst festzusetzenden Unterhalt“ war, der eine nachträgliche „Anpassung“ des auf einem Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 UVG rechtfertigen konnte, sobald dieser festgesetzt war. Vielmehr konnte erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden, dessen Beginn und Dauer sich nach § 8 UVG richten. Dies galt auch dann, wenn die endgültige Unterhaltsfestsetzung in der Höhe des vorläufigen Unterhalts erfolgte (RIS‑Justiz RS0122465).

2.3.1 Nach der eindeutig deklarierten Absicht (einer Verbesserung der Unterhaltsbevorschussung) verfolgte der Gesetzgeber bei der Einführung der Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) zwei Ziele: Zum einen sollte die herrschende Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0122465) korrigiert werden, wonach im Fall einer Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO die endgültige Titelfestsetzung keinen Grund für eine Vorschusserhöhung darstellte. Zum anderen sollte mit § 19 Abs 3 UVG die Absicherung der Kinder für die Dauer der Titelverfahren verbessert und damit das gesetzgeberische Ziel des FamRÄG 2009, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Vorschussleistungen zu gewähren, erreicht werden, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig“ festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall“ von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen (RIS‑Justiz RS0128465). Durch die Einführung des § 19 Abs 3 UVG neu sollte eine Gleichbehandlung einstweiliger und vorläufiger Unterhaltstitel bewirkt werden.

2.3.2 Der „endgültige“ Unterhaltstitel gilt gemäß § 19 Abs 3 UVG nF gegenüber der vorangegangenen Provisorialentscheidung nicht mehr als neuer Unterhaltstitel, was ‑ entgegen der zuvor geltenden Rechtslage ‑ eine rückwirkende Anpassung der bisher gewährten Vorschüsse nach endgültiger Unterhaltsfestsetzung ermöglicht (10 Ob 34/11i). Da die Möglichkeit der Unterhaltsbevorschussung deutlich nach vor gezogen wird, nämlich bis zum Beginn des Verfahrens zur Schaffung eines Titels, können sich bei längeren Unterhalts-festsetzungsverfahren bei Erhöhung des vorläufigen auf den endgültigen Unterhalt beträchtliche Nachzahlungen ergeben (Neumayr, Änderungen des UVG mit dem FamRÄG 2009, ÖJZ 2010/20, 164 [169]).

3.1 Eine Änderung der Voraussetzungen der Abs 1 und 2 des § 19 UVG war ausdrücklich nicht gewollt (Erl zu 673/A, 24. GP , S 41). Die in Abs 1 und 2 normierten Voraussetzungen müssen daher auch nach der durch das FamRÄG 2009 geschaffenen Rechtslage weiterhin gegeben sein.

3.2 Gemäß § 19 Abs 2 UVG hat das Gericht, wenn der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen; die Erhöhung ist mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen. Wie der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, besteht der Zweck dieser Bestimmung darin, Unterhaltsvorschüsse an den zugrundeliegenden Titel anzupassen, wenn der Unterhaltsbeitrag während des Laufs der Vorschüsse erhöht wird (stRsp; RIS‑Justiz RS0107561). Mit dieser ‑ auch nach dem FamRÄG 2009 unverändert in Geltung stehenden ‑ Bestimmung wollte der Gesetzgeber also den Gleichlauf zwischen den Unterhaltsvorschüssen und dem Unterhaltstitel herstellen, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (4 Ob 209/99k; Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB4 § 19 UVG Rz 22).

3.3 Dem Wortlaut des § 19 Abs 2 UVG und dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck entsprechend, setzt daher die Vorschusserhöhung ‑ nach ständiger Rechtsprechung -voraus, dass Unterhaltsvorschüsse zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erhöhung der Vorschüsse überhaupt noch gewährt werden (RIS‑Justiz RS0076743). Gleiches gilt für die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses von Amts wegen (RIS‑Justiz RS0076743 [T2]), welche nur unter der Voraussetzung zu erfolgen hat, dass Unterhaltsvorschüsse (des gleichen Typs) zumindest im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz auf Erhöhung der Vorschüsse noch gewährt werden (Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB4 § 19 UVG Rz 23). Auch hier fordert der Gesetzeszweck der Herstellung eines Gleichlaufs zwischen Unterhaltsvorschuss und Unterhaltstitel eine Anpassung nämlich nur, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (so bereits 3 Ob 533/95).

3.4 Eine Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse ist daher ausgeschlossen, wenn der Beschluss erster Instanz über die Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse in einem Zeitpunkt gefasst wird, in welchem Unterhaltsvorschüsse (des gleichen Typs) nicht mehr gewährt werden; damit wird nämlich kein laufender Vorschuss erhöht, sondern ausschließlich eine rückwirkende Erhöhung vorgenommen (RIS‑Justiz RS0076743 [T3]; Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB4 § 19 UVG Rz 23). Die Periode, für die die Vorschüsse gewährt wurden, darf im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung weder abgelaufen, noch auch durch einen davor gefassten Einstellungsbeschluss beendet sein (stRsp; RIS‑Justiz RS0076743 [T4]). Der Beschluss über die Vorschusserhöhung gemäß § 19 Abs 2 UVG muss auch nach der aktuellen Rechtslage nach dem FamRÄG 2009 somit innerhalb einer ununterbrochenen Kette von Bevorschussungsperioden gefasst werden. Hingegen kommt eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht, wenn keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs“ vorliegt(Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB4 § 19 UVG Rz 24). Wenn das Kind etwa momentan aktuell Haftvorschüsse bezieht, kann keine rückwirkende Erhöhung früher bezogener Titelvorschüsse erfolgen.

4.1 Zu den Haftvorschüssen ist auszuführen:

Der Übergang von Titelvorschüssen auf Haftvorschüsse, wenn dem Geldunterhaltsschuldner die Freiheit entzogen wird, ist in § 7 Abs 2 UVG geregelt. Das Kind kann sich ‑ sofern der Unterhaltstitel noch formell aufrecht ist ‑ in den ersten sechs Monaten der strafgerichtlichen Anhaltung des Geldunterhaltsschuldners aussuchen, ob es weitere Titelvorschüsse beziehen will oder ob es einen Antrag auf Gewährung von Richtsatzvorschüssen nach § 4 Z 3 UVG stellt. Wird kein Antrag gestellt, sind nach sechs Monaten anstelle der Titelvorschüsse von Amts wegen Haftvorschüsse zu gewähren. Von der Konzeption des UVG her betrachtet, ist diese Umstellung als Einstellung der Titelvorschüsse und Neugewährung von Haftvorschüssen ab dem folgenden Monatsersten zu sehen. Erfährt das Gericht erst verspätet von der Haft, kann die Umstellung gegebenenfalls auch erst rückwirkend erfolgen (Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB4 § 4 UVG Rz 80).

4.2 Nach § 7 Abs 2 Satz 2 UVG idF des FamRÄG 2009 ist der Beschluss, mit dem Vorschüsse nach den §§ 3 oder 4 Z 1, 2 oder 4 UVG gewährt wurden, mit der Beendigung der Freiheitsstrafe auf Antrag oder von Amts wegen ‑ zwingend ‑ unverändert wieder in Geltung zu setzen. Da am Konzept der unterschiedlichen Strukturierung der Vorschussgründe auch durch das FamRÄG 2009 nichts geändert wurde, ist die Rückwandlung als Einstellung der Haftvorschüsse mit gleichzeitiger unveränderter Wiedergewährung der früheren Vorschüsse zu verstehen (Neumayr, Unterhaltsvorschuss neu ‑ Änderungen des UVG mit dem FamRÄG 2009, ÖJZ 2010/20, 164 [167].

5.1 Daraus folgt für den vorliegenden Fall:

Nach der Rechtslage vor dem FamRÄG 2009 wäre in der vorliegenden Konstellation eine rückwirkende Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse schon aus den oben zu Pkt 2.2. ausgeführten Gründen nicht möglich gewesen.

5.2 Hätte die Minderjährige von Beginn an Titelvorschüsse aufgrund eines „endgültigen“ Titels (anstatt aufgrund der einstweiligen Verfügung) bezogen, stünde ‑ sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des FamRÄG 2009 ‑ die Regelung des § 19 Abs 2 UVG einer rückwirkenden Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse für die verfahrensgegenständlichen Perioden entgegen, weil die Umstellung auf Haftvorschüsse den Bezug der Titelvorschüsse unterbrochen hätte. Es fehlte die Voraussetzung, dass Unterhaltsvorschüsse (des gleichen Typs) zumindest im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz auf Erhöhung der Vorschüsse noch gewährt werden.

5.3 Nach den Änderungen des UVG durch das FamRÄG 2009 ist bei Beantwortung der Frage, ob in der vorliegenden Konstellation bei Gewährung von Titelvorschüssen aufgrund der einstweiligen Verfügung eine rückwirkende Erhöhung gerechtfertigt ist, § 19 Abs 3 UVG zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung wird als Änderung der Vorschüsse iSd Abs 1 und 2 angesehen, wenn Vorschüsse zunächst auf Grund des § 4 Z 4 UVG (während eines Abstammungsverfahrens) oder einer einstweiligen Verfügung gewährt werden und danach der Unterhaltsbetrag endgültig festgesetzt wird. Da im Gesetz nur diese beiden Fälle explizit erwähnt werden, nicht aber der Fall des Haftvorschusses nach § 4 Z 3 UVG, ist zu erschließen, dass nach der Absicht des Gesetzgebers nach Umstellung auf Haftvorschüsse für rückwirkende Erhöhungen für Bezugsperioden wie im vorliegenden Fall (weiterhin) keine gesetzliche Grundlage bestehen soll. Eine betragsmäßige Anpassung der Vorschüsse nach oben oder unten soll nicht in Betracht kommen, wenn keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs“ gegeben ist.

5.4 Eine planwidrige Lücke in § 19 Abs 3 UVG im Hinblick auf Haftvorschüsse ist nicht zu erkennen. Wie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich festgehalten ist, war vom Gesetzgeber eine Änderung der Voraussetzungen der Abs 1 und 2 des § 19 UVG nicht gewollt. Es ist daher weiterhin daran festzuhalten, dass die Periode, für die die Vorschüsse gewährt wurden, im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung weder abgelaufen, noch auch durch einen davor gefassten Einstellungsbeschluss beendet sein darf. Ist keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs“ gegeben, etwa weil aktuell oder in einer bereits beendeten Periode Haftvorschüsse geleistet wurden, ist eine Erhöhung nicht möglich. Die Absicht, eine Absicherung der Kinder für die Dauer des Titelverfahrens zu verbessern, wird durch § 19 Abs 3 UVG auf die dort genannten Fälle der Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG (die nur eine erstinstanzliche Feststellung der Vaterschaft und die Anhängigkeit eines Unterhaltsverfahrens im weitesten Sinn erfordert) sowie auf diejenigen Titelverfahren beschränkt, in denen eine Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung erfolgt ist und zugleich die Voraussetzungen des § 19 Abs 2 UVG vorliegen, also die Periode, für die die Vorschüsse aufgrund der einstweiligen Verfügung gewährt wurden, im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung noch nicht beendet war.

6. Letztere Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil die Periode, für die Vorschüsse aufgrund einer einstweiligen Verfügung erfolgten, vor Fassung des Erhöhungsbeschlusses durch die Umstellung auf Haftvorschüsse geendet hat. (Wie sich auch aus dem späteren Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ergibt, besteht für den Zeitraum, in den die Haft fiel, kein Unterhaltsanspruch.)

Dem Revisionsrekurs des Bundes war somit Folge zu geben und der Erhöhungsbeschluss des Erstgerichts ersatzlos zu beheben.

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