OGH 3Ob112/14p

OGH3Ob112/14p23.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen 1. K*****, 2. M*****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter C*****, diese vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 26. März 2014, GZ 16 R 90/14w‑33, womit der von der Mutter der Minderjährigen erhobene Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 10. Februar 2014, GZ 2 PU 208/12w‑25, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00112.14P.0723.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs in Ansehung der Monate Juli 2012 bis einschließlich Juli 2013 unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

Im Juni 2012 verließ die Mutter mit ihren minderjährigen Töchtern Österreich und reiste nach Kalifornien. Im Zuge eines vom Vater wegen der Verbringung der Kinder eingeleiteten Verfahrens nach dem HKÜ vereinbarten die nach wie vor aufrecht verheirateten Eltern vor dem zuständigen Gericht in Kalifornien am 1. Juli 2013, dass die Mutter mit den Kindern nach Österreich zurückkehren und die Kinder beim Vater wohnen sollten. Seit 13. Juli 2013 befinden sich die Kinder in ausschließlicher Pflege und Erziehung des Vaters in Baden.

Unter Bezugnahme auf die Pflegschaftssache im Rubrum des Schriftsatzes stellte die Mutter, die sich als „Antragstellerin“ bezeichnete, den Antrag, ihr die Alleinobsorge zu übertragen und den Vater ab 1. Juli 2012 zu einer näher bezifferten monatlichen Unterhaltsleistung für jedes Kind zu verpflichten.

Das Erstgericht wies den ‑ im Verfahren auf den Zeitraum 1. Juli 2012 bis 31. Juli 2013 präzisierten ‑ Antrag mit der Begründung ab, der vom Vater im genannten Zeitraum geleistete Unterhalt von je 486 EUR monatlich pro Kind entspreche dem gesetzlich geschuldeten Unterhalt.

Den dagegen erhobenen Rekurs, der wieder die Pflegschaftssache und die Mutter als „Antragstellerin“ bezeichnet, wies das Rekursgericht mit der Begründung zurück, dass die Mutter bereits den verfahrenseinleitenden Antrag ebenso wie den Rekurs unmissverständlich im eigenen Namen eingebracht habe. Da der Unterhaltsanspruch den Kindern und nicht der Mutter zustehe, wären nur die Kinder rekurslegitimiert gewesen. Im Übrigen wäre für die Minderjährigen ein Kollisionskurator zu bestellen gewesen, weil jeder Elternteil namens der Kinder Unterhalt für verschiedene Zeiträume begehrt habe.

Über Zulassungsvorstellung erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs nachträglich für zulässig. Es bedürfe einer Klärung, ob das Rekursgericht von Amts wegen für die Bestellung eines Kollisionskurators hätte sorgen müssen.

Der Vater beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Zutreffend verweist der Revisionsrekurs darauf, dass die Mutter im Zweifel, also mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte, sowohl bei Stellung des Unterhaltsantrags als auch bei Rekurserhebung im Namen der Minderjährigen tätig werden wollte (RIS‑Justiz RS0079248; 2 Ob 92/12m).

2. Sowohl der Antrag als auch der Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung benennt zwar die Mutter als „Antragstellerin“. Aus dem Begehren („dem Antragsgegner einen monatlichen Unterhalt ... für jedes der beiden Kinder aufzuerlegen“) und dem Rekursantrag (... „dem Kindesvater ... einen weiteren Kindesunterhalt von ... aufzuerlegen“) lässt sich entgegen der Auffassung des Rekursgerichts nicht ableiten, dass die Mutter die im Außerstreitverfahren begehrten Unterhaltsbeträge im eigenen Namen ‑ etwa aus dem Titel des Bereicherungsrechts ‑ geltend machen wollte. Hier besteht somit ‑ anders als bei dem zu 10 Ob 65/11y entschiedenen Fall ‑ auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Mutter in ihrem Rekurs (zumindest auch) ein vermeintlich eigenes subjektives Recht geltend machen wollte. Es hat daher bei der dargestellten Zweifelsregel zu bleiben, wonach die mitobsorgeberechtigte Mutter, in deren ausschließlicher Betreuung die Kinder zwischen 1. Juli 2012 und 13. Juli 2013 standen, den Anspruch auf Bezahlung von Geldunterhalt als Vertreterin der Kinder stellte und auch den Rekurs als Vertreterin der Kinder erhob. Diese Auslegung des Unterhaltsantrags deckt sich im Übrigen auch mit dem Verständnis des Erstgerichts.

3. Zu Unrecht hat daher das Rekursgericht den Rekurs zurückgewiesen. Bereits aus diesem Grund ist die Rekursentscheidung ‑ mit Ausnahme des unbekämpft zurückgewiesenen Rekurses in Ansehung des im Rekursantrag offenbar irrtümlich genannten, tatsächlich nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraums von August bis Dezember 2013 ‑ aufzuheben und dem Rekursgericht die inhaltliche Behandlung des Rekurses aufzutragen: Hat das Gericht zweiter Instanz einen Rekurs aus formellen Gründen zurückgewiesen, dann kann der Oberste Gerichtshof infolge eines dagegen erhobenen Rechtsmittels grundsätzlich nicht selbst in der Sache entscheiden (RIS‑Justiz RS0007037). Die davon aus verfahrensökonomischen Gründen gemachte Ausnahme (3 Ob 127/13t mwN) für den Fall, dass der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgericht inhaltlich auch Abweisungsgründe umfasst, die vom Obersten Gerichtshof gebilligt werden, liegt hier schon deshalb nicht vor, weil das Rekursgericht ohne inhaltliche Auseinandersetzung nur „auf die zutreffende Argumentation des Erstgerichts“ verwies. Dabei handelt es sich nicht um eine für den Obersten Gerichtshof überprüfbare, zur Sache geäußerte Rechtsansicht.

4. Bei dieser Sachlage hat eine Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht thematisierten Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators an sich zu unterbleiben. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass der Antrag des nicht allein obsorgeberechtigten, das Kind in seinem Haushalt betreuenden Elternteils, eine durch den anderen Elternteil zu erbringende Geldunterhaltsleistung für das Kind festzusetzen, das Begehren auf Bestellung zum besonderen Sachwalter umfasst (RIS‑Justiz RS0034795 [T4, T5]; 5 Ob 122/09s). Ob unter diesem Gesichtspunkt bei Berücksichtigung, dass die Kinder jedenfalls für den Zeitraum ab 1. Juli 2012 bis 13. Juli 2013 ausschließlich von der Mutter in Kalifornien betreut wurden und für diesen Zeitraum auch kein „widerstreitender“ Unterhaltsantrag des Vaters (vgl dazu 10 Ob 517/95 = RIS‑Justiz RS0079249 [T1]) vorliegt, die Notwendigkeit einer Kollisionskuratorbestellung zu verneinen ist oder ob wegen der aktenkundigen Tatsache, dass die Kinder sich seit 13. Juli 2013 in Pflege und Erziehung des Vaters befinden, dem ‑ nicht rechtskräftig ‑ mittlerweile auch die Alleinobsorge zuerkannt wurde, im konkreten Fall die Gefahr einer Kollision doch zu bejahen ist, bleibt der näheren Prüfung durch das Rekursgericht vorbehalten.

5. Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs inhaltlich zu entscheiden haben.

Stichworte